Schaden- und Aufwendungsersatz bei Massenabmahnungen

Urheberrecht | 12. Mai 2005
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Eines der nach wie vor läs­ti­gen Phä­no­me­ne im Zusam­men­hang mit dem Inter­net sind die Mas­sen­ab­mah­nun­gen aus urhe­ber­recht­li­chen und wett­be­werbs­recht­li­chen Posi­tio­nen (Musik, Land­kar­ten, Impres­si, Wider­rufs­be­leh­run­gen etc.). So wich­tig und rich­tig es ist, recht­li­che Posi­tio­nen gera­de im für Dieb­stahl beson­ders anfäl­li­gen Imma­te­ri­al­gü­ter­recht zu sichern, so häu­fig schei­nen doch Abmah­nun­gen in über­zo­ge­ner und vor allem über­teu­er­ter Art und Wei­se ein­ge­setzt zu wer­den.

Kon­kret berich­tet die Tele­po­lis über einen Fall, den das Amts­ge­richt Char­lot­ten­burg zu ent­schei­den hat­te (AZ 236 C 282/04). Im Fall ging es um die unrecht­mä­ßi­ge Ver­wen­dung zwei­er Land­kar­ten­aus­schnit­te als Anfahrts­plan auf einer Inter­net­sei­te. Der Ver­letz­te ver­lang­te Scha­den­er­satz und Ersatz der Auf­wen­dun­gen für die Ein­schal­tung einer Kanz­lei bei der Abmah­nung. In bei­den Posi­tio­nen stut­ze das Gericht die For­de­rung des Klä­gers deut­lich.

Zum einen beschäf­tigt sich das Gericht mit der Fra­ge, nach wel­chen Kri­te­ri­en der Scha­den­er­satz nach der Lizenz­ana­lo­gie (auch gern als „Straf­li­zenz“ bezeich­net) berech­net wer­den kann. Die Lizenz­ana­lo­gie ist dabei eine der aner­kann­ten Arten der Scha­dens­be­rech­nung im Imma­te­ri­al­gü­ter­recht. Der Ver­letz­te ver­langt dabei vom Ver­let­zer den Betrag an Scha­den­er­satz, der bei recht­mä­ßi­gem Erwerb des ver­letz­ten Rechts zu zah­len gewe­sen wäre.

Dabei ist es oft Usus, hor­ren­de Sum­men als Markt­wert des urhe­be­recht­lich geschütz­ten Gutes anzu­ge­ben. Im kon­kre­ten Fall mach­te der Ver­letz­te ca. 3.300 Euro an Scha­den­er­satz für die Ver­wen­dung zwei­er klei­ner Kar­ten­aus­schnit­te auf einer Inter­net­sei­te gel­tend. Dem schob das Gericht einen Rie­gel vor, indem es fest­stell­te, dass am Markt für ähn­li­che Pro­duk­te Prei­se zwi­schen 7,90 Euro und 14,90 Euro erzielt wer­den, es daher fern liegt, einen 200fach höhe­ren Tarif gel­tend zu machen (das Law-Blog hin­ter­frag­te ähn­li­che Gestal­tun­gen bereits: Wie fle­xi­bel kann die Lizenz­ana­lo­gie noch wer­den?).

Wei­ter­hin sprach das Gericht dem Ver­letz­ten, der sich bei der Abmah­nung eines Rechts­an­walts bedien­te, nicht die Kos­ten für des­sen Ein­schal­tung zu, son­dern erkann­te ledig­lich eine Auf­wands­pau­scha­le als ersatz­fä­hig an. Eine sol­che Pau­scha­le, die etwa auch von (selbst und nicht durch Anwäl­te) abmah­nen­den Ver­brau­cher­schutz­ver­ei­nen etc. erho­ben wird, beträgt in aller Regel nur einen Bruch­teil der übli­chen Anwalts­ge­büh­ren.

Die Kos­ten eines Anwalts sind dann näm­lich nicht ersatz­fä­hig, wenn der Geschä­dig­te (etwa auf­grund sei­ner lang­jäh­ri­gen Erfah­rung mit ver­gleich­ba­ren Fäl­len, wegen der Mas­se der Ange­le­gen­hei­ten oder weil er über eine eige­ne Rechts­ab­tei­lung ver­fügt) selbst in der Lage ist, die Abmah­nung aus­zu­spre­chen. Gege­be­nen­falls ist bei Mas­sen­an­ge­le­gen­hei­ten der Geschä­dig­te sogar ver­pflich­tet, sich eine Mus­terab­mah­nung fer­ti­gen zu las­sen und die­se dann je nach Fall selbst „aus­zu­fül­len“. Die Ein­schal­tung eines Anwalts ist in sol­chen Fäl­len dann weder not­wen­dig noch über­haupt gebo­ten, son­dern dient meist nur dazu, den Abschre­ckungs­fak­tor der Abmah­nung in die Höhe zu trei­ben. Dies hielt das Gericht vor­lie­gend für gege­ben, es konn­te offen­bar davor aus­ge­hen, dass der ver­han­del­te Fall nur einer aus einer Viel­zahl ver­gleich­ba­rer Sach­ver­hal­te war.

Alles in allem stellt die Ent­schei­dung (eines Amts­ge­richts) sicher weder einen Mei­len­stein noch eine Trend­wen­de der Recht­spre­chung dar. Es ist aber den­noch schön zu sehen, dass sich ab und an die Gerich­te dar­auf besin­nen, nicht nur alte Ent­schei­dun­gen ande­rer Gerich­te abzu­schrei­ben, son­dern den kon­kret zur Beu­tei­lung anste­hen­den Sach­ver­halt zu durch­den­ken und nach den (all­ge­mein gül­ti­gen und den­noch oft schlicht nicht ange­wand­ten) Kri­te­ri­en zu beur­tei­len.

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