Lotto-Monopol: Abschied auf Raten

Wettbewerbsrecht | 28. August 2006
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Wenn Sie Lot­to spie­len haben Sie sich viel­leicht schon ein­mal gefragt, war­um man bis­her sei­nen Lot­to­schein nur in einer „offi­zi­el­len“ Annah­me­stel­le abge­ben konn­te. Und nicht an der Tank­stel­le, im Super­markt oder beim Blu­men­la­den um die Ecke. Das lag im Wesent­li­chen dar­an, dass die Lot­to­ge­sell­schaf­ten – zusam­men­ge­fasst im Deut­schen Lot­to- und Toto­block – schlicht kei­ne Tipp­schei­ne annah­men, die nicht von den offi­zi­el­len Annah­me­stel­len ver­mit­telt wur­den.

Die Lot­to­spie­ler im Bun­des­kar­tell­amt waren es leid, immer so weit lau­fen zu müs­sen und gebo­ten den Lot­to­ge­sell­schaf­ten schlicht, das künf­tig zu ändern. Alles ande­re sei ein Ver­stoß gegen das Kar­tell­recht. Damit steht es Pri­va­ten frei, eige­ne Lot­to-Annah­me­stel­len auf­bau­en. Ein paar ande­re span­nen­de Sachen wur­den gleich mit­ent­schie­den.

Wenig ver­wun­der­lich sieht man dies sei­tens des Lot­to- und Toto­blocks wenig ent­spannt. Die FTD etwa kann über Stel­lung­nah­men aus den Lot­to-Gesell­schaf­ten berich­ten, die in der Ent­schei­dung des Kar­tell­amts einen Ver­stoß gegen die Ent­schei­dung des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt zum Mono­pol auf Sport­wet­ten sehen:

Die Rich­ter hät­ten “aus­drück­lich betont, dass ein staat­li­cher Anbie­ter vor allem das Ziel der Spiel­sucht­prä­ven­ti­on ver­fol­gen muss”, erklär­te der Geschäfts­füh­rer der feder­füh­ren­den Gesell­schaft Lot­to Bran­den­burg, Horst Men­trup.

Das ist natür­lich ein kla­rer Fall von – zumin­dest – (a) selek­ti­ver Wahr­neh­mung und (b) Selbst­ver­leug­nung.

Zunächst stell­te das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt in sei­ner Ent­schei­dung vom 28.3.2006, auch hier schon kurz bespro­chen, zu pri­va­ten Sport­wet­ten fest, dass die­se – und auch Toto, Lot­to etc. – zu den eher harm­lo­sen Glücks­spie­len zäh­len:

Aller­dings haben unter­schied­li­che Glücks­spiel­for­men ein unter­schied­li­ches Sucht­po­ten­zi­al. Bei wei­tem die meis­ten Spie­ler mit pro­ble­ma­ti­schem oder patho­lo­gi­schem Spiel­ver­hal­ten spie­len nach der­zei­ti­gem Erkennt­nis­stand an Auto­ma­ten, die nach der Gewer­be­ord­nung betrie­ben wer­den dür­fen. An zwei­ter Stel­le in der Sta­tis­tik fol­gen Casi­no-Spie­le. Alle ande­ren Glücks­spiel­for­men tra­gen gegen­wär­tig deut­lich weni­ger zu pro­ble­ma­ti­schem und patho­lo­gi­schem Spiel­ver­hal­ten bei.

Den­noch bil­lig­te das Gericht – deut­lich miss­be­hag­lich übri­gens aber mit Ver­weis auf den Ein­schät­zungs- und Ent­schei­dungs­spiel­raum des Gesetz­ge­bers – im Grun­de das Ziel der Sucht­be­kämp­fung. Aber das recht­fer­tigt ein Mono­pol nur dann, wenn die­ses sowohl in der zugrun­de lie­gen­den gesetz­li­chen Aus­ge­stal­tung als auch in der Durch­füh­rung an dem Ziel der Sucht­be­kämp­fung tat­säch­lich ori­en­tiert ist:

Den an ent­spre­chen­der beruf­li­cher Tätig­keit inter­es­sier­ten Bür­gern ist der — straf­be­wehr­te — Aus­schluss gewerb­li­cher Wett­an­ge­bo­te durch pri­va­te Wett­un­ter­neh­men nur dann zumut­bar, wenn das bestehen­de Wett­mo­no­pol auch in sei­ner kon­kre­ten Aus­ge­stal­tung der Ver­mei­dung und Abwehr von Spiel­sucht und pro­ble­ma­ti­schem Spiel­ver­hal­ten dient.

Und dar­an fehl­te es nach den kla­ren Fest­stel­lun­gen des Gerichts im Fall von Oddset:

Eine Aus­rich­tung am Ziel der Bekämp­fung von Wett­sucht und pro­ble­ma­ti­schem Spiel­ver­hal­ten ist allein durch ein staat­li­ches Wett­mo­no­pol noch nicht gesi­chert. Ein Mono­pol kann auch fis­ka­li­schen Inter­es­sen des Staa­tes die­nen und damit in ein Span­nungs­ver­hält­nis zu der Ziel­set­zung gera­ten, die Wett­lei­den­schaft zu begren­zen und die Wett­sucht zu bekämp­fen.

Vor allem aber ist der Ver­trieb von ODDSET nicht aktiv an einer Bekämp­fung von Spiel­sucht und pro­ble­ma­ti­schem Spiel­ver­hal­ten aus­ge­rich­tet. Das tat­säch­li­che Erschei­nungs­bild ent­spricht viel­mehr dem der wirt­schaft­lich effek­ti­ven Ver­mark­tung einer grund­sätz­lich unbe­denk­li­chen Frei­zeit­be­schäf­ti­gung.

Ist das im Fall von Lot­to anders? Nun, ich weiß nicht, wann Sie das letz­te Mal einer Lot­to-Wer­bung begeg­net sind. Bei mir ist es erst ein paar Minu­ten her: die Spots lau­fen stän­dig auf den U‑Bahn Info­screens. Ziem­lich auf­dring­lich. Gewor­ben wird dort damit, dass man Mil­lio­nen gewin­nen kann. Sogar im Urlaub per Dau­er­tipp. Oder mit Sys­tem. Nur wer mit­spielt kann gewin­nen.

Glau­ben Sie, dass die­se Form der Wer­bung am Ziel der Sucht­be­kämp­fung ori­en­tiert ist? Offen gestan­den und bei allen Respekt vor den Aus­sa­gen, die vie­le staat­li­che und halb­staat­li­che Stel­len aus dem gege­be­nen Anlass der Kar­tell­amts­ent­schei­dung und vor der münd­li­chen Ver­hand­lung beim Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt im Sport­wet­ten­fall getä­tigt haben: es gehört ein gerüt­telt Maß an Abge­brüht­heit dazu, die­se Behaup­tung auf­zu­stel­len, ohne rot zu wer­den. Such­prä­ven­ti­on spielt im Den­ken der Lot­to­ge­sell­schaf­ten schlicht kei­ne erkenn­ba­re Rol­le. Die Beru­fung auf das Urteil des Ver­fas­sungs­ge­richts ist daher — zumin­dest — schein­hei­lig.

Wo kommt nun die Selbst­ver­leum­dung in Spiel?

Die Aus­sa­gen aus dem Lot­to-Toto­block las­sen sich ja nur so ver­ste­hen, dass die Zulas­sung von Pri­va­ten zum Ver­trieb von Lot­to­pro­duk­ten die­se Glücks­spie­le irgend­wie begeh­rens­wer­ter machen wür­de. Pri­va­te sind offen­bar ein­fach unzu­ver­läs­si­ger, hei­zen in der Gier nach schnö­dem Mam­mon den Ver­trieb an, statt die Glücks­spiel­süch­ti­gen zurück­zu­hal­ten und von den Schal­tern der Annah­me­stel­len zu ver­trei­ben.

Das mag man so sehen. Man muss sich dann aber fra­gen las­sen, wie­so die staat­li­chen Klas­sen­lot­te­rien ihre Lose – beglei­tet von aus­ge­spro­chen aggres­si­ver Wer­bung bis hin zu ille­ga­len Cold-Calls – dann selbst von pri­va­ten Lot­te­rie­ein­neh­mern ver­trei­ben las­sen.

Aus mei­ner Sicht bleibt: Die Argu­men­ta­ti­on des Lot­to-Toto­blocks ist nicht kon­sis­tent und miss­ver­steht die Vor­ga­ben des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts. Wenn man die Argu­men­ta­ti­on des Gerichts näm­lich ernst nimmt, dann ste­hen noch wei­te­re staat­li­che Mono­po­le vor dem bal­di­gen Aus. Zeit wär’s.

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