Apple mahnt Blogger wegen iPhone-Berichterstattung ab

Onlinerecht | 16. Januar 2007
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Vielle­icht sind Sie ja gestern auch über die Mel­dung gestolpert, dass Apple – gar nicht nett – Blog­ger und Foren­schreiber (in den USA) abmah­nt. Die Betrof­fe­nen selb­st haben wohl gar nicht so viel angestellt, son­dern ein­fach nur berichtet. Über ein paar Hack­er näm­lich, denen es gelun­gen ist, die grafis­che Anmu­tung der Benuter­ober­fläche des neuen Apple iPhones auf andere mobile Geräte zu über­tra­gen. Technophile Blogs und Foren disku­tieren so etwas gern. Im vor­liegen­den Fall mit Screen­shots der so gepimpten Geräte, aber auch mit einem Link zu einem Forum, in dem man die Nutze­r­ober­fläche (eigentlich nur ein paar Icons) herun­ter­laden kon­nte.

Apple miss­fällt das. Man sieht in diesen Abbil­dun­gen eine nicht autorisierte Zugänglich­machung von Werken, deren Nutzungsrechte allein bei Apple liegen und bit­tet, sowohl die Abbil­dun­gen als auch den Link zum Hack­er­fo­rum zu ent­fer­nen.

Nun mal rein the­o­retisch gedacht und abseits der offen­sichtlichen Kleingeistigkeit ein­er solchen Abmah­nung: wäre sie, geset­zt den Fall, sie gin­ge an einen deutschen Blog­ger, berechtigt? Dür­fen die denn das? Ich meine: teil­weise.

Ich halte die Abmah­nung für unrecht­mäßig, soweit der betrof­fene Forum­sein­trag ein­fach nur eine Abbil­dung der Apple iPhone-Nuter­ober­fläche im Rah­men eines Bericht­es abbildet. Sich­er sind die Icons und die Ober­fläche ins­ge­samt ein urhe­ber­rechtlich geschütztes Werk nach § 2 Abs. 2. UrhG, für die Schöp­fung­shöhe dürfte es wohl lan­gen. Und sich­er ist das Abbilden im Blog nach deutschem Recht (zumin­d­est) eine Vervielfäl­ti­gung des Werkes, § 16 UrhG, denn der gilt auch für den rein dig­i­tal­en Upload, und eine öffentliche Zugänglich­machung, § 19a UrhG. Diese Rechte ste­hen auss­chließlich dem Urhe­ber zu. Das ist zwar nicht Apple, son­dern ver­mut­lich ein angestell­ter Design­er des Unternehmens, der hat aber alle Rechte im Zweifel über­tra­gen oder – das dürfte in den USA gehen – diese liegen nach der „Work-made-for-hire“-Lehre ohne­hin bei Apple.

Aber das Urhe­ber­recht wird in Deutsch­land nicht unbe­gren­zt gewährt, son­dern ist mit Schranken verse­hen. Für uns sind davon meines Eracht­ens zwei inter­es­sant, nur eine am Ende aber hil­fre­ich.

Die vornehm­ste und wichtig­ste Schranke des Urhe­ber­rechts ist das Zita­trecht nach § 51 UrhG:

§ 51 UrhG — Zitate

Zuläs­sig ist die Vervielfäl­ti­gung, Ver­bre­itung und öffentliche Wieder­gabe, wenn in einem durch den Zweck gebote­nen Umfang
1. einzelne Werke nach dem Erscheinen in ein selb­ständi­ges wis­senschaftlich­es Werk zur Erläuterung des Inhalts aufgenom­men wer­den,
2. Stellen eines Werkes nach der Veröf­fentlichung in einem selb­ständi­gen Sprach­w­erk ange­führt wer­den,
3. einzelne Stellen eines erschiene­nen Werkes der Musik in einem selb­ständi­gen Werk der Musik ange­führt wer­den.

Dem Grunde nach ein­schlägig ist hier die Nr. 2. Wenn Sie sich fra­gen, ob der von seinem Wort­laut her wirk­lich passt: nein. Aber es gibt da diese in heutiger Zeit so oft überse­hene Vorschrift über die Mei­n­ungs- und Presse­frei­heit in Art. 5 Grundge­setz, die gebi­etet eine sehr weite Ausle­gung der Zitat­frei­heit. Denn man kann schw­er über etwas seine Mei­n­ung sagen, dass man nicht benen­nen und nicht zitieren darf.

Erfasst wer­den von der Zitat­frei­heit ins­beson­dere auch Licht­bilder, Abbil­dun­gen, Grafiken etc. Soweit der § 51 Nr. 2 UrhG von „Stellen eines Werkes“ spricht, wird in solchen Fällen eine erweit­ernde Ausle­gung vorgenom­men: anders als bei Sprach­w­erken wird man solche Licht­bilder, Abbil­dun­gen und Grafiken häu­fig kaum stel­len­weise zitieren kön­nen. Ein ganz­er Screen­shot wäre also möglich.

In jedem Fall muss ein Zitatzweck gegeben sein, als Recht­fer­ti­gung für die Ein­schränkung der Ver­bot­srechte des Rechtein­hab­ers. Sinn der Gewährung des Zita­trecht­es ist die Ermöglichung der geisti­gen Auseinan­der­set­zung mit dem Zitierten. Darin kann man hier die Berichter­stat­tung über die Portierung als solchen sehen.

Allerd­ings: Zitat sind immer nur in einem eige­nen, selb­st­ständi­gen Werk zuläs­sig, da ist der § 51 UrhG deut­lich, denn der Zitierende soll eine eigene geistige Leis­tung erbrin­gen. Genügt das Post­ing des Abgemah­n­ten diesen Anforderun­gen, hat es Schöp­fung­shöhe, ragt es aus der Masse des alltäglichen Schaf­fens? Schauen wir’s uns nochmal an:

Lust­ing after the iPhone style but can’t wait 6 months (at least)? Don’t want to give up your PPC and shell out $600? Then maybe this is the answer! XDA-Devel­op­ers user ‘han­min’ has been work­ing some mag­ic over in [link removed, see above], to bring you the today screen pic­tured, cour­tesy of claunch (free) and phoneAlarm (cha-ching!). I haven’t installed it myself yet (i’m about to though), but you have to admit, it looks pret­ty slick! smile.gif Give it a try… and let us know how you get on!

Ich meine nein. Kein Werk, damit auch kein erlaubtes Zitat. Aber vielle­icht hil­ft uns § 50 UrhG weit­er:

§ 50 UrhG — Berichter­stat­tung über Tage­sereignisse

Zur Berichter­stat­tung über Tage­sereignisse durch Funk oder durch ähn­liche tech­nis­che Mit­tel, in Zeitun­gen, Zeitschriften und in anderen Druckschriften oder son­sti­gen Daten­trägern, die im Wesentlichen Tagesin­ter­essen Rech­nung tra­gen, sowie im Film, ist die Vervielfäl­ti­gung, Ver­bre­itung und öffentliche Wieder­gabe von Werken, die im Ver­lauf dieser Ereignisse wahrnehm­bar wer­den, in einem durch den Zweck gebote­nen Umfang zuläs­sig.

Berichter­stat­tung meint hier­bei die möglichst wirk­lichkeits­ge­treue Wieder­gabe oder sach­liche Schilderung ein­er tat­säch­lichen Begeben­heit. Das klingt so, als wür­den nur knock­en­trock­ene Zeitungskolum­nen darunter fall­en. Auch hier aber gilt es, bei der Ausle­gung der Vorschrift die Mei­n­ungs- und Presse­frei­heit zu berück­sichti­gen. Auch Bürg­er­jour­nal­is­mus muss dem Grunde nach möglich sein.

Bei der Über­tra­gung ein­er Nutze­r­ober­fläche dürfte es sich auch um ein Tage­sereig­nis han­deln, denn es ist ein aktuelles Ereig­nis, dass — offen­sichtlich — das Inter­esse der Öffentlichkeit her­vor­ruft.

Aber sind Foren und Blogs Medi­en, die unter § 50 UrhG fall­en? Sie kön­nen es jeden­falls sein, denn durch seine offene For­mulierung („son­stige Daten­träger“) kann prak­tisch alles, was Inhalte trans­portiert, unter § 50 UrhG gefasst wer­den. Aber natür­lich ist bei unser­er Frage nicht all­ge­mein auf „Foren“ oder „das Inter­net“ abzustellen, son­dern auf den konkreten Fall. Jeden­falls auf der Seite, die mir aufge­fall­en ist — siehe obige Links — wird über neue Tele­fone, Soft­ware und Tech­nolo­gien bere­ichtet und disku­tiert. Sehr freakig, keine Frage, aber wed­er im UrhG noch im Art. 5 GG find­et sich eine Geschmack­skon­trolle — und das ist auch gut so. Ein nach § 50 UrhG priv­i­legiertes Medi­um kann man in Gestalt des hier betrof­fe­nen Forums daher gut annehmen.

Auch im Rah­men des § 50 UrhG ist — wenn der Bericht­szweck es Recht­fer­tigt — die Wider­gabe ganz­er Werke zuläs­sig. Hier meine ich, dass ein Bericht über die Portierung ein­er Nutze­r­ober­fläche nach ein­er Abbil­dung, einem Screen­shot, ger­adezu schre­it. Ich halte das für zuläs­sig.

§ 50 UrhG hil­ft dem Abgemah­n­ten hier, der Screen­shot ist zuläs­sig. Aber wie ver­hält es sich mit dem Link zur Down­load­seite?

Man darf wohl davon aus­ge­hen, dass diese Seite, auf die der Link ver­wies, selb­st rechtswidrig ist. Denn dort wur­den Teile der Benutze­r­ober­fläche des iPhones zum Down­load ange­boten, ohne, dass darin Berichter­stat­tung vor­lag. Es gibt nur um den Down­load als solchen, eine Recht­fer­ti­gung für die Zugänglich­machung der Mate­ri­alien war also eher nicht gegeben. Macht das nun auch den Link rechtswidrig?

Hier wohl ja. Für Links (bess­er: für die unter dem Link erre­ich­baren Inhalte) haftet man nach deutschem Recht zunächst dann, wenn man sich die ver­link­ten Inhalte zu eigen macht, sie gut heißt. Das kön­nte man in unserem Fall schon beja­hen, denn der Autor meint auf seinem Ein­trag, er wolle die Instal­la­tion des iPhone-Skins auf seinem Mobil­tele­fon auch ein­mal pro­bieren.

Nach ein­er – allerd­ings sehr über­denkenswerten – Ansicht einiger Gerichte haftet man zudem unab­hängig von diesen Gesicht­spunk­ten auch dann für Links, wenn man sich den Inhalt der erre­ich­baren Seit­en nicht zu eigen macht und im Rah­men legit­imer Berichter­stat­tung ver­linkt, wenn der Link es dem Nutzer wesentlich erle­ichtert, rechtswidrige Hand­lun­gen zu bege­hen. Die wohl bekan­nteste Entschei­dung in der Sache ist das – von der Beru­fungsin­stanz bestätigte – Urteil des LG München gegen den Heise-Ver­lag in Sachen des Links auf das die Soft­ware Any­D­VD, mit der man auch geschützte DVDs kopieren kann. Das ist in der Sache nichts weit­er als die bekan­nte Stör­erhaf­tung.

Die Urteile kann man als unnötig oder welt­fremd beze­ich­nen, sie sind aber jeden­falls erst ein­mal im Raum. Vor­liegend käme es auf den Punkt wohl nicht an, s.o., in jedem Fall wäre auch nach diesen Grund­sätzen die Abmah­nung — den Link betr­e­f­fend — gerecht­fer­tigt.

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