Neue — ungute — Entwicklungen gibt es zur Frage der WLAN-Störerhaftung. Wie die Kollegen von aufrecht.de berichten, hatte das OLG Frankfurt/Main über einen Fall zu entscheiden, (AZ: 2–3 O 771/06, vom 22. Februar 2007) der dem bekannten WLAN-Fall des LG Hamburg recht vergleichbar ist. In der Sache dreht es sich zwar um ein Verfügungsverfahren, da die kontroversen Details des Falls aber vor allem auf rechtlichem Gebiet liegen darf kaum erwartet werden, dass die Gerichte im Hauptsacheverfahren eine abweichende Beurteilung finden.
Der Beklagte betreibt offen, also ohne besondere technische Sicherung, Verschlüsselung oder die Verwendung von Passwörtern, ein privates WLAN. Unter Nutzung dieses Internetanschlusses war der Song „Sommer unseres Lebens“ in der Internet-Tauschbörse eMule zum Download angeboten worden. Der Beklagte war — so jedenfalls seine Behauptung — zum Zeitpunkt des Angebots im Urlaub, sein Rechner ausgeschaltet, das WLAN offensichtlich aber nicht. Wenn jemand den Song unter Nutzung des Internetanschlusses des Beklagten anbot, dann wohl ein Dritter, der „schwarz mitsurfte“.
Das genügt dem OLG Frankfurt/Main, um den Beklagten jedenfalls als Störer auf Unterlassung der Verbreitung des Musikstücks in Anspruch zu nehmen. Das Gericht führt dazu aus:
Für diese Rechtsverletzung hat der Beklagte indes gleichfalls nach den Grundsätzen der Störerhaftung einzustehen.
Im Rahmen des Unterlassungsanspruchs haftet in entsprechender Anwendung des § 1004 BGB jeder als Störer für eine Schutzrechtsverletzung, der — ohne selbst Täter oder Teilnehmer zu sein — in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal an der rechtswidrigen Beeinträchtigung mitgewirkt hat. Um eine solche Haftung nicht über Gebühr auf Dritte zu erstrecken, die nicht selbst die rechtswidrige Beeinträchtigung vorgenommen haben, setzt die Haftung des Störers die Verletzung von Prüfungspflichten voraus. Deren Umfang bestimmt sich danach, ob und inwieweit dem als Störer in Anspruch Genommenen nach den Umständen eine Prüfung zuzumuten ist [BGH GRUR 2004, 860 (864) — Störerhaftung des Internetauktionshauses bei Fremdversteigerung m.w.N.], wobei sich Art und Umfang der gebotenen Prüf- und Kontrollmaßnahmen nach Treu und Glauben bestimmen [Wandtke/Bullinger, § 97 Rn. 15] So hat sich auch die Verpflichtung, geeignete Vorkehrungen zu treffen, durch welche die Rechtsverletzung soweit wie möglich verhindert werden kann, im Rahmen des Zumutbaren und Erforderlichen zu halten [BGH GRUR 1984, 54/55 — Kopierläden].
Soweit sind erst einmal nur die Grundsätze der Störerhaftung dargelegt. Fraglich ist nun, welche konkreten Maßnahmen der Betreibers eines WLANs zu treffen hat. Hierzu das Gericht:
Rechtlich und tatsächlich war der Beklagte in die Lage versetzt, wirksame Maßnahmen zur Verhinderung der streitgegenständlichen Rechtsverletzung zu treffen. Es oblag ihm, sich zu informieren, welche Möglichkeiten für Rechtsverletzungen er schafft und wie er solchen Verletzungen hätten vorbeugen können. Zudem hätte er technische Möglichkeiten in Anspruch nehmen können, um die streitgegenständliche Rechtsverletzung zu verhindern. So hätte er etwa unter Abänderung des mitgelieferten Standardpasswortes einen persönlichen Password-Schutz einrichten und den Router während seiner Abwesenheit ausschalten können. Möglich wäre auch die Verschlüsselung der Kommunikation zwischen Router und PC mittels eines Schlüsselwortes gewesen.
Ich halte diese Anforderung für überdehnt und in vielfacher Hinsicht an der Wirklichkeit vorbei argumentiert. Sie verkennt zwei Dinge:
Zum einen stellt derjenige, der ein WLAN betreibt, zunächst einmal — ungeachtet der Möglichkeit der Verschlüsselung — eine mehr oder minder öffentliche Infrastruktur zur Verfügung. Diese ist also solche nur so „gefährlich“, wie diejenigen, die sie benutzen. Mein Lieblingsbeispiel: Straßen (vom Staat gebaut) werden von rechtschaffenen Bürgern benutzt, um zur Arbeit zu gelangen, von bösen Menschen, um mit dem Auto zum Bankraub zu fahren. Dennoch verlangt niemand, die Straßen zu schließen oder vor jeder Straßenauffahrt eine polizeiliche Zwangskontrolle einzurichten.
Nun mag man argumentieren, dass man Straßen ja auch nicht ohne horrenden Aufwand gesichert werden können, ein WLAN aber durch ein Passwort schon. Wie aber, wenn ein WLAN gerade offen betrieben werden soll, weil es gerade Absicht des Inhabers ist, andere mitsurfen zu lassen? Das gibt es vielfach in Cafes, Bibliotheken (öffentlichen!), Biergärten und als private Initiative. Soll das verboten werden? Sollte man diese Initiativen nicht vielmehr sogar unterstützen? Und falls ja: kann es einen Unterschied machen, ob jemand sein WLAN ganz bewusst oder nur versehentlich offen betreibt?
Ich sehe dafür keinen rechtlichen Ansatzpunkt. Vielmehr scheint es mir auf der Hand zu liegen, dass die Bereitstellung von Infrastruktur als solcher, wenn sie nicht klar mehr oder weniger ausschließlich zur Begehung von Straftaten oder anderen Rechtsverletzungen zur Verfügung gestellt wird, nicht sanktioniert werden darf. Tut man es doch, verwischt man eine Grenze: warum dann nicht auch die Telekom haftbar machen, wenn über ihre Telefonleitungen Straftaten geplant werden (man kann ja Wortfilter einrichten)? Warum nicht den Hersteller von WLAN-Equipment haftbar machen (er kann ja die Geräte so produzieren, dass diese ohne eingerichtetes Passwort gar nicht betrieben werden können)? Die Beispiele lassen sich beliebig fortsetzen.
Ich meine, die Rechtsprechung hat sich in dem — im Ansatz ja dankenswerten — Bemühen, jede Rechtsverletzung möglichst weitgehend zu ahnden und zu unterbinden, schlicht verrannt. Die Störerhaftung ist ein kaugummiartiges Instrument, mit dem praktisch jedes gewünschte Haftungsergebnis erzielt werden kann. Umso mehr kommt es auf das Judiz des Gerichts an, diese juristische Allzweckwaffe mit Sorgfalt zu handhaben. Die WLAN-Urteile scheinen mir in dieser Hinsicht mangelbehaftet zu sein.
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