Die Verbieter: das ambivalente Verhältnis von Meinungsmachern zur Meinungsfreiheit

Medienrecht | 13. September 2007
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Der öffent­lich-recht­li­che Rund­funk, ins­be­son­de­re in sei­ner Aus­prä­gung als TV, erfreut sich in Deutsch­land ganz beson­de­rer Beliebt­heit. Nicht nur über­ra­schen ARD und ZDF uns regel­mä­ßig mit glän­zen­der Unter­hal­tung, gut recher­chier­tem und her­vor­ra­gend auf­be­rei­te­tem Info­tain­ment sowie ten­denz­frei­en Polit­ma­ga­zi­nen, son­dern auch der Geschäfts­be­trieb der Sen­de­an­stal­ten selbst ist von Humor und Bür­ger­nä­he geprägt. Das Fern­se­hen zeigt Zivil­cou­ra­ge und ist sich nicht zu scha­de, für das Gute, Wah­re und Schö­ne auf­zu­ste­hen, die Stim­me zu erhe­ben und die Mäch­te der Des­in­for­ma­ti­on und Falsch­heit zu bekämp­fen.

Etwa akademie.de.

Bei adademie.de han­delt es sich um eine Unter­neh­mung, die im Inter­net Kur­se, Infor­ma­tio­nen, Tipps und Rat­ge­ber zu allen mög­li­chen The­men anbie­tet. Das nicht erst seit Ges­tern, gut gemacht und sehr pro­fes­sio­nell. Wie es der Fokus der Sei­te so mit sich bringt, äußert man sich dort zu einer Viel­zahl von The­men. Unter ande­rem auch zu Rund­funk­ge­büh­ren für PCs und ob nicht auf vie­le betrieb­lich genutz­te Gerä­te gar kei­ne Gebühr bezahlt wer­den muss. Akademie.de selbst fasst das The­ma wie folgt zusam­men:

Seit März 2007 wird auf akademie.de erläu­tert, dass die GEZ nur dann gesetz­li­che Rund­funk­ge­büh­ren für nicht nur pri­vat genutz­te “neu­ar­ti­ge Rund­funk­emp­fangs­ge­rä­te” (PC-Gebüh­ren) ein­zie­hen darf, wenn sich kein ein­zi­ges her­kömm­li­ches Radio oder Fern­seh­ge­rät auf dem Grund­stück befin­det. Weil dort aber fast immer ein nor­ma­les Radio oder Fern­seh­ge­rät vor­han­den sei, müs­se man in der Pra­xis kaum befürch­ten, dass eine PC-Rund­funk­ge­bühr fäl­lig wird. Bei­spiels­wei­se sei­en auf einem Gewer­be­grund­stück mit 65 Betrie­ben schon durch das Radio im Haus­meis­ter­raum auto­ma­tisch alle PCs und Han­dys der Betrie­be auf dem Grund­stück von Rund­funk­ge­büh­ren befreit. Nach Gesetz sei­en dann bei der GEZ auch kei­ne “neu­ar­ti­gen Rund­funk­ge­rä­te” anzu­mel­den.

Die­se Aus­füh­run­gen wur­den nach Pres­se­be­rich­ten als “Ver­mu­tung” und “Rechts­auf­fas­sung” bezeich­net.

Ob die Rechts­la­ge so ist, wie akademie.de sie ver­steht, dar­über mag man strei­ten. Die GEZ und die Rund­funk­an­stal­ten sehen es anders. Das steht Ihnen frei und sie dür­fen das natür­lich auch sagen. Als Rund­funk hat man da ja durch­aus Mög­lich­kei­ten. Selt­sam frei­lich mutet es an, akademie.de die Äuße­rung ihrer Rechts­mei­nung ver­bie­ten zu wol­len. Genau das ist aber ver­mit­tels einer Abmah­nung der GEZ-Inkas­so­stel­le Köln gesche­hen, die nun Anlas­se zu Ver­hand­lun­gen zwi­schen akademie.de und dem SWR gibt, der von den wei­te­ren Rund­funk­an­stal­ten offen­bar ent­spre­chend bevoll­mäch­tigt wur­de.

Die zen­tra­le Fra­ge ist im vor­lie­gen­den Fall, ob akademie.de eine Tat­sa­chen­be­haup­tung auf­stell­te oder eine Mei­nung äußer­te. Denn Tat­sa­chen kön­nen wahr oder falsch sein, und fal­sche Tat­sa­chen darf man in der Regel nicht ver­brei­ten. Mei­nun­gen dage­gen kann man tei­len oder auch nicht. Solan­ge sie aber nicht in Schmäh­kri­tik oder Ver­bal­in­ju­ri­en abglei­ten, son­dern der Aus­ein­an­der­set­zung in der Sache die­nen, darf man sie äußern. Das gilt übri­gens auch dann, wenn die Mei­nung nicht aus­drück­lich als sol­che gekenn­zeich­net ist. Viel­mehr müs­sen die Gerich­te in äuße­rungs­recht­li­chen Strei­tig­kei­ten viel Mühe dar­auf­hin ver­wen­den, her­aus­zu­fin­den, was denn nun vor­liegt: Tat­sa­chen­be­haup­tung oder Mei­nungs­äu­ße­rung. Und wenn sie dabei irren, dann ver­letzt das die Grund­recht des Betrof­fe­nen aus Arti­kel 5 III GG. Und der ist ja, das wis­sen wir, ein gera­de­zu kon­sti­tu­ti­ves Ele­ment der frei­heit­lich-demo­kra­ti­schen Grund­ord­nung. Ein­fach gesagt: rich­tig wich­tig.

Nun ist es mei­nes Erach­tens schwer denk­bar, dass je eine Äuße­rung über die rich­ti­ge Aus­le­gung von Recht als Tat­sa­chen­be­haup­tung zu wer­ten ist. Sie wird wohl immer eine Mei­nun­gen dar­stel­len. Eine Tat­sa­che ist es, wie der BGH ent­schie­den hat. Eine Mei­nung ist, wie ich glau­be, dass eine Vor­schrift aus­zu­le­gen ist. Viel­leicht weicht der BGH von mei­ner Ansicht ab. Das mag ver­drie­ßen, ist aber kein Grund zur Abmah­nung.

Bei juris­ti­schen The­men kann man eigent­lich immer ver­schie­de­ner Ansicht sein. Die Juris­te­rei hat kein fes­tes Set von Axio­men, aus denen sich alle Erkennt­nis­se mecha­nisch ablei­ten las­sen. Geset­zes­tex­te ver­all­ge­mei­nern und abs­tra­hie­ren, müs­sen auf kon­kre­te Fäl­le ange­wandt wer­den. Wer­tun­gen, tech­ni­sche und gesell­schaft­li­che Ver­hält­nis­se oder ein­fach die Über­zeu­gung aller bil­lig und gerecht Den­ken­den ändern sich. Und nicht zuletzt kann man zu vie­len Punk­ten ein­fach ver­schie­de­ner Mei­nung sein und treff­lich dar­über strei­ten. Es gibt kein Rich­tig oder Falsch, son­dern bes­ten­falls ein „Machen die Gerich­te mit“ oder eben „kommt nicht durch“. Was nun genau die Gerich­te so ent­schei­den, das ändert sich — Gott sei Dank — ab und an. Hin und wie­der sind Ham­burg und Mün­chen auch nicht einer Mei­nung und gar nicht so sel­ten über­rascht auch der BGH mit glat­ten Kehrt­wen­dun­gen. Kurz: die Dis­kus­si­on juris­ti­scher The­men ohne Denk‑, Rede- und Schreib­ver­bo­te ist unver­meid­lich.

Sie ist auch not­wen­dig. Ohne Dis­kus­si­on gibt es auch kei­nen juris­ti­schen Erkennt­nis­pro­zess. Und — auch wenn es nicht alle glau­ben — selbst unter Juris­ten gilt das Argu­ment „Das haben wir schon immer so gemacht“ jeden­falls dann nicht mehr, wenn sich die Grün­de, war­um das schon immer so gesche­hen ist, geän­dert haben oder ein­fach als unsin­nig her­aus­stel­len.

Zuletzt ist es auch ganz offen­sicht­lich klar, dass man unter­schied­li­cher Rechts­mei­nung sein darf. Juris­ten leben davon, ich auch. Rechts­strei­te haben es erfah­rungs­ge­mäß oft an sich, dass die Par­tei­en und deren Ver­tre­ter ver­schie­de­ne Ansich­ten über das Recht haben. Die­se Fra­gen klärt man dann in einem geord­ne­ten Ver­fah­ren vor Gericht. In die­sem Pro­zess wer­den jede Men­ge Schrift­sät­ze aus­ge­tauscht, die nur so vor unter­schied­li­chen Rechts­an­sich­ten strot­zen. In vie­len Fäl­len wird auch auf der Rich­ter­bank der Fall kon­tro­vers dis­ku­tiert und eif­rig in der münd­li­chen Ver­hand­lung mit den Par­tei­en erör­tert. Das endet dann meist so, dass zwar immer noch alle Ihre Mei­nung haben, aber so oder so erst ein­mal Rechts­frie­den herrscht. So ist das eben.

Das Bedrü­cken­de am vor­lie­gen­den Fall ist aber gar nicht, dass hier gestrit­ten wird. Per­sön­lich fin­de ich es auch nicht wirk­lich schlimm, dass die­ser Streit letzt­lich wohl mit Gebüh­ren­gel­dern finan­ziert wird. Denn letzt­lich ist ja egal, ob damit Rechts­strei­te finan­ziert wer­den oder Was­ser­köp­fe in den Anstal­ten. Furcht­bar fin­de ich viel­mehr, dass hier akademie.de der Mund ver­bo­ten wer­den soll, obwohl doch der Rund­funk — auch der öffent­lich-recht­li­che — selbst so sehr auf das Recht zur frei­en Mei­nungs­äu­ße­rung ange­wie­sen ist.

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