Widerrufsbelehrung und Anbieterkennzeichnung durch einen Link? Ja!

Onlinerecht | 10. Juni 2005
BEITRAG TEILEN
LinkedInXINGXFacebookEmailPrint

Ein inter­es­san­tes und erstaun­lich “libe­ra­les” Urteil (Voll­text) zur Fra­ge, wie im Ein­zel­nen die Pflicht­an­ga­ben – hier: Anbie­ter­kenn­zeich­nung und Wider­rufs­be­leh­rung – auf Web­sei­ten aus­ge­stal­tet wer­den müs­sen, hat das LG Traun­stein am 18.5.2005 unter dem AZ 1HK O 5016/04 gefällt.

Klä­ger und Beklag­ter sind Wett­be­wer­ber, die bei­de Waren über Ebay-Shops gewerb­lich anbie­ten. Damit besteht nach §§ 312c BGB i.V.m. 2 1 BGB-Info-VO natür­lich sowohl eine Pflicht zur Anbie­ter­kenn­zeich­nung als auch zum Hin­weis auf das beim Fern­ab­satz von Waren bestehen­de Wider­rufs­recht. Die Klä­ge­rin war der Ansicht, die­sen Pflich­ten käme der Beklag­te nicht oder jeden­falls nur in unzu­rei­chen­dem Maße nach.

Die Beklag­te ver­tei­dig­te sich, ihre Ebay-Sei­te ver­fü­ge sowohl über eine Anbie­ter­kenn­zeich­nung, als auch über eine Wider­rufs­be­leh­rung. Die Anbie­ter­kenn­zeich­nung sei dabei auf der Ebay-typi­schen so genann­ten (und auch mit die­ser Bezeich­nung ver­link­ten) „Mich-Sei­te“ ein­zu­se­hen, die Wider­rufs­be­leh­rung in der eben­so typi­schen Sei­te „Shop-Bedin­gun­gen“. Auf die­se bei­den Sei­ten wer­de von ihrer Ange­bots­sei­te (auf der die ange­bo­te­nen Waren direkt gekauft wer­den kön­nen) ver­linkt; es sei nur ein Maus­klick zum Errei­chen der bei­den Pflicht­an­ga­ben erfor­der­lich.

Die Klä­ge­rin war der Ansicht, dass dies jeden­falls nicht aus­rei­chend sei; gera­de hin­sicht­lich des Wider­rufs­rechts genü­ge es nicht, wenn auf die Beleh­rung nur ver­linkt wer­den; der Nut­zer der Sei­te müs­se gleich­sam „mit der Nase“ auf die Beleh­rung gesto­ßen wer­den. Ein ein­fa­cher Link genü­ge hier nicht, jeden­falls dann nicht, wenn nicht schon aus dem Link­text selbst klar ersicht­lich sei, dass er zur Beleh­rung füh­re.

Tat­säch­lich bestehen in der Fra­ge, wie im Ein­zel­nen die Anbie­ter­kenn­zeich­nung und die Wider­rufs­be­leh­rung zu gestal­ten sind, erheb­li­che Unsi­cher­hei­ten in der Pra­xis und unter­schied­li­che Ansich­ten in der Recht­spre­chung. Wäh­rend eini­ge Gerich­te, vor allem das OLG Frank­furt, sehr „enge“ Ansich­ten ver­tre­ten, ins­be­son­de­re tat­säch­lich mei­nen, dass ein Link zum Wider­rufs­recht nicht aus­rei­che, son­dern sich dies auf der Ange­bots­sei­te selbst befin­den müs­se, sind ande­re Gerich­te weni­ger streng. Etwa das OLG Mün­chen nimmt hin­sicht­lich der Anbie­ter­kenn­zeich­nung an, das selbst ein dop­pel­ter Link – der Nut­zer der Sei­te muss also zwei­mal kli­cken – noch aus­reicht, wenn die Bezeich­nung der Links nur klar und ein­deu­tig ist.

Das LG Traun­stein führt zu die­ser Fra­ge aus, dass die Ver­tei­lung der Pflicht­an­ga­ben auf unter­schied­li­che, durch Links erreich­ba­re Sei­ten der Über­sicht­lich­keit die­ser Anga­ben sogar för­der­lich sei. Wür­de dies nicht so gehand­habt, bestün­de sogar die Gefahr, dass die Ange­bots­sei­te kom­plett über­frach­tet wer­de.

Natür­lich muss es dem Ver­brau­cher auch im Fall der Ver­lin­kung mög­lich sein, die Anga­ben leicht zur Kennt­nis zu neh­men, die­se dür­fen also nicht ver­steckt oder mit nicht nach­voll­zieh­ba­ren oder irre­füh­ren­den Link­tex­ten ver­se­hen wer­den. Im kon­kre­ten Fall waren die­se Anfor­de­run­gen nach Ansicht des Gerichts aber gewahrt.

Wir hal­ten die Ansicht des LG Traun­stein für rich­tig. Allein nach § 1 BGB-Info-VO sind ggf. zwölf (12!) Pflicht­an­ga­ben erfor­der­lich. Wei­te­re Pflich­ten kön­nen sich nach der Preis­an­ga­ben­VO, den Daten­schutz­ge­set­zen, dem UWG und wei­te­ren Spe­zi­al­vor­schrif­ten erge­ben. Der Schutz­zweck der ein­zel­nen Geset­ze: dem Ver­brau­cher die Bedin­gun­gen des Ver­tra­ges, auf den er sich gera­de ein­lässt, klar und deut­lich vor Augen zu füh­ren, wird dabei ad absur­dum geführt. Es sind so vie­le Anga­ben, dass kein durch­schnitt­li­cher Ver­brau­cher die­se alle zur Kennt­nis neh­men kann. Das gilt dann um so mehr, wenn man mit der „stren­gen“ Recht­spre­chung annimmt, dass jede ein­zel­ne Anga­be auf der Ange­bots­sei­te selbst ver­füg­bar sein muss. Das Ergeb­nis wäre eine völ­lig undurch­sich­ti­ge, mit juris­ti­schen Tex­ten und Hin­wei­sen gera­de­zu ver­stopf­te Sei­te.

Das Pro­blem lässt sich eigent­lich nur durch Ver­lin­kun­gen lösen. So wird der Ver­brau­cher in die Lage ver­setzt, sich gera­de die Anga­be, die er haben möch­te, durch einen ein­fa­chen Maus­klick – den jeder Inter­net­nut­zer ange­sichts der Struk­tur des Medi­ums ja beherr­schen dürf­te – „auf den Schirm zu holen.“

Teil­wei­se wird in der juris­ti­schen Lite­ra­tur die Ansicht ver­tre­ten, bestimm­te Pflicht­an­ga­ben dürf­ten ver­linkt wer­den, ande­re müss­ten direkt auf der Ange­bots­sei­te ver­füg­bar sein. Die­ser Unter­schei­dung kann nicht gefolgt wer­den. Die Pflicht­an­ga­ben ste­hen in kei­ner beson­de­ren Rei­hen­fol­ge, es gibt kei­ne beson­ders wich­ti­gen und weni­ger wich­ti­gen Anga­ben; sie sind gleich­ran­gig. Woll­te man eine „künst­li­che“ Unter­schei­dung ein­füh­ren, wäre es wie­der dem Geschmack des ein­zel­nen Gerichts (oder des Abmah­nen­den) über­las­sen, wel­che Anga­be er bevor­zu­gen wür­de. Das aber führ­te zu einer kaum akzep­ta­blen Rechts­un­si­cher­heit.

Natür­lich sind sol­che Urtei­le, in denen es im Wesent­li­chen um Fra­gen der kon­kre­ten Gestal­tung einer kon­kre­ten Inter­net­sei­te geht, nur schwer zu ver­all­ge­mei­nern. Sel­ten sind zwei Fäl­le hier kom­plett ver­gleich­bar. Den­noch ist es erfreu­lich, dass das LG Traun­stein einer eher libe­ra­len und – unse­res Erach­tens – pra­xis­ge­rech­ten Ansicht statt­ge­ge­ben hat. Links ent­spre­chen der Natur des Inter­nets. Die Nut­zer wis­sen damit umzu­ge­hen und nur durch Links las­sen sich die vie­len erfor­der­li­chen Pflicht­an­ga­ben sinn­voll struk­tu­rie­ren.

BEITRAG TEILEN
LinkedInXINGXFacebookEmailPrint

Aktuelles

Weitere Beiträge des Autors

Wettbewerbsrecht 16. Februar 2023

BGH zu Affiliate-Marketing: Alles ist schrecklich, aber Amazon haftet trotzdem nicht für seine Partner

Amazon muss nicht für seine Affiliate-Partner haften, entschied der Bundesgerichtshof. Rechtlich ist das Urteil kaum zu beanstanden, aber trotzdem hinterlässt es einen bitteren Nachgeschmack. Eine Einschätzung von Arne Trautmann.  (mehr …)

Crypto 20. Januar 2023

DAO: Die codierte Organisation

Haben Sie schon jemals darüber nachgedacht, was sich hinter dem Begriff „dezentralisierte autonome Organisation“ (DAO) verbirgt und welchen Einfluss die DAO im Alltag hat? Arne Trautmann berichtet aus der Fachwelt.  (mehr …)