Eines der nach wie vor lästigen Phänomene im Zusammenhang mit dem Internet sind die Massenabmahnungen aus urheberrechtlichen und wettbewerbsrechtlichen Positionen (Musik, Landkarten, Impressi, Widerrufsbelehrungen etc.). So wichtig und richtig es ist, rechtliche Positionen gerade im für Diebstahl besonders anfälligen Immaterialgüterrecht zu sichern, so häufig scheinen doch Abmahnungen in überzogener und vor allem überteuerter Art und Weise eingesetzt zu werden.
Konkret berichtet die Telepolis über einen Fall, den das Amtsgericht Charlottenburg zu entscheiden hatte (AZ 236 C 282/04). Im Fall ging es um die unrechtmäßige Verwendung zweier Landkartenausschnitte als Anfahrtsplan auf einer Internetseite. Der Verletzte verlangte Schadenersatz und Ersatz der Aufwendungen für die Einschaltung einer Kanzlei bei der Abmahnung. In beiden Positionen stutze das Gericht die Forderung des Klägers deutlich.
Zum einen beschäftigt sich das Gericht mit der Frage, nach welchen Kriterien der Schadenersatz nach der Lizenzanalogie (auch gern als „Straflizenz“ bezeichnet) berechnet werden kann. Die Lizenzanalogie ist dabei eine der anerkannten Arten der Schadensberechnung im Immaterialgüterrecht. Der Verletzte verlangt dabei vom Verletzer den Betrag an Schadenersatz, der bei rechtmäßigem Erwerb des verletzten Rechts zu zahlen gewesen wäre.
Dabei ist es oft Usus, horrende Summen als Marktwert des urheberechtlich geschützten Gutes anzugeben. Im konkreten Fall machte der Verletzte ca. 3.300 Euro an Schadenersatz für die Verwendung zweier kleiner Kartenausschnitte auf einer Internetseite geltend. Dem schob das Gericht einen Riegel vor, indem es feststellte, dass am Markt für ähnliche Produkte Preise zwischen 7,90 Euro und 14,90 Euro erzielt werden, es daher fern liegt, einen 200fach höheren Tarif geltend zu machen (das Law-Blog hinterfragte ähnliche Gestaltungen bereits: Wie flexibel kann die Lizenzanalogie noch werden?).
Weiterhin sprach das Gericht dem Verletzten, der sich bei der Abmahnung eines Rechtsanwalts bediente, nicht die Kosten für dessen Einschaltung zu, sondern erkannte lediglich eine Aufwandspauschale als ersatzfähig an. Eine solche Pauschale, die etwa auch von (selbst und nicht durch Anwälte) abmahnenden Verbraucherschutzvereinen etc. erhoben wird, beträgt in aller Regel nur einen Bruchteil der üblichen Anwaltsgebühren.
Die Kosten eines Anwalts sind dann nämlich nicht ersatzfähig, wenn der Geschädigte (etwa aufgrund seiner langjährigen Erfahrung mit vergleichbaren Fällen, wegen der Masse der Angelegenheiten oder weil er über eine eigene Rechtsabteilung verfügt) selbst in der Lage ist, die Abmahnung auszusprechen. Gegebenenfalls ist bei Massenangelegenheiten der Geschädigte sogar verpflichtet, sich eine Musterabmahnung fertigen zu lassen und diese dann je nach Fall selbst „auszufüllen“. Die Einschaltung eines Anwalts ist in solchen Fällen dann weder notwendig noch überhaupt geboten, sondern dient meist nur dazu, den Abschreckungsfaktor der Abmahnung in die Höhe zu treiben. Dies hielt das Gericht vorliegend für gegeben, es konnte offenbar davor ausgehen, dass der verhandelte Fall nur einer aus einer Vielzahl vergleichbarer Sachverhalte war.
Alles in allem stellt die Entscheidung (eines Amtsgerichts) sicher weder einen Meilenstein noch eine Trendwende der Rechtsprechung dar. Es ist aber dennoch schön zu sehen, dass sich ab und an die Gerichte darauf besinnen, nicht nur alte Entscheidungen anderer Gerichte abzuschreiben, sondern den konkret zur Beuteilung anstehenden Sachverhalt zu durchdenken und nach den (allgemein gültigen und dennoch oft schlicht nicht angewandten) Kriterien zu beurteilen.
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