Geschmacksfragen bei der Abmahnung

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Als Unter­neh­mer muss man es als gege­ben hin­neh­men, dass der Wett­be­werb sehr genau beob­ach­tet, mit wel­chen Mit­teln und For­mu­lie­run­gen im Detail man etwa Wer­bung treibt. Die­se Kon­trol­le ist auch ein sinn­vol­ler Selbst­rei­ni­gungs­pro­zess des Mark­tes. Lei­der wer­den recht häu­fig die Gerich­te zur Ent­schei­dung über Din­ge bemüht, die letzt­lich wohl Geschmacks- oder Ansichts­sa­che sind.

Neh­men wir etwa den (rea­len) Fall einer Inter­net­sei­te, die u.a. wie folgt wirbt:

„Online-Bera­tung. Pri­va­te Kran­ken­ver­si­che­run­gen ver­glei­chen und bares Geld spa­ren: www.urlderwebseiteumdieshiergeht.de“

Wählt sich der Nut­zer auf die Sei­te ein, so kann er dort in einem Kon­takt­feld sei­ne Daten ein­ge­ben. Er erhält dann einen Hin­weis, dass für ihn ein Ange­bot über die ver­schie­de­nen Ver­si­che­run­gen erstellt wird; aller­dings nicht sofort, son­dern in den nächs­ten Tagen und von „rich­ti­gen Men­schen“. Das Ange­bot selbst erschöpft sich nicht in einem simp­len Preis­ver­gleich, son­dern umfasst rela­tiv umfas­send wei­te­re Aspek­te; etwa Leis­tung­s­ein- und ‑aus­schlüs­se, Tarif­op­tio­nen etc. Das Schrei­ben wird in aller Regel per Email ver­sandt.

Ein Mit­be­wer­ber sieht hier­in eine wett­be­werbs­recht­lich rele­van­te Irre­füh­rung. Der Ver­brau­cher gin­ge bei der For­mu­lie­rung „Online-Bera­tung“ davon aus, dass er direkt auf der Web­sei­te einen Ver­gleich der Kran­ken­ver­si­che­run­gen durch­füh­ren kön­ne. Der Ver­brau­cher erwar­te nicht, dass er nur Daten hin­ter­las­sen sol­le um dann erst – mit Ver­zö­ge­rung von eini­gen Tagen – eine Bera­tung per Email zu erhal­ten. Er mahnt den Betrei­ber der ent­spre­chen­den Sei­te dar­auf­hin ab.

Die­ser gibt kei­ne Unter­las­sungs­er­klä­rung ab. Er argu­men­tiert, dass „Online-Bera­tung“ jeden­falls auch eine Bera­tung sein kön­ne, die per Email abge­wi­ckelt wer­de. Der Begriff „Online“ wer­de zu eng ver­stan­den, wenn man ihn nur auf die rei­ne Web­sei­te als sol­che bezie­hen wol­le. Auch Email sei ein Online-Medi­um. Es wer­de auch ganz bewusst nicht von einem „Online-Ver­gleich“ gespro­chen, son­dern eben von „Bera­tung“. Der durch­schnitt­lich infor­mier­te und auf­merk­sa­me Ver­brau­cher kön­ne dar­aus schluss­fol­gern, dass es sich um mehr als nur um einen auto­ma­ti­sier­ten Ver­gleich von ein paar Eck­da­ten durch eine Com­pu­ter­lo­gik han­de­le, son­dern dass sich „ech­te Men­schen“ die Daten anse­hen und dar­auf­hin eben maß­ge­schnei­dert bera­ten.

Ich per­sön­lich hal­te bei­de Aus­le­gungs­mög­lich­kei­ten für denk­bar und mög­lich. Letzt­lich ist die Ent­schei­dung nichts ande­res als eine Geschmacks­fra­ge. Das Gericht setzt sich und sei­ne Ansich­ten an Stel­le des Ver­brau­chers und urteilt aus eige­ner Sicht. Da Rich­ter auch nur (Gott sei Dank!) Men­schen sind und man über die Fra­ge, was genau „online“ denn nun meint, treff­lich strei­ten kann, wird man sicher irgend­ein Gericht fin­den, das eine Einst­wei­li­ge Ver­fü­gung erlässt. Da – wie fast immer bei inter­net­recht­li­chen Fra­gen – jedes deut­sche Land­ge­richt zustän­dig ist, da die Sei­te über­all abge­ru­fen wer­den kann, ist die EV damit nur eine Fra­ge der „rich­ti­gen“ Wahl des Gerichts. So auch im geschil­der­ten Fall, im dem das Land­ge­richt Ber­lin dem Betrei­ber der Web­sei­te sei­ne Wer­be­aus­sa­gen ver­bot.

Mei­nes Erach­tens – und das ist natür­lich ein from­mer Wunsch – könn­te bei „ver­tret­ba­ren“ Aus­sa­gen im Wett­be­werb ein wenig mehr Lais­sez-fai­re nicht scha­den.

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