Ein interessantes und erstaunlich “liberales” Urteil (Volltext) zur Frage, wie im Einzelnen die Pflichtangaben – hier: Anbieterkennzeichnung und Widerrufsbelehrung – auf Webseiten ausgestaltet werden müssen, hat das LG Traunstein am 18.5.2005 unter dem AZ 1HK O 5016/04 gefällt.
Kläger und Beklagter sind Wettbewerber, die beide Waren über Ebay-Shops gewerblich anbieten. Damit besteht nach §§ 312c BGB i.V.m. 2 1 BGB-Info-VO natürlich sowohl eine Pflicht zur Anbieterkennzeichnung als auch zum Hinweis auf das beim Fernabsatz von Waren bestehende Widerrufsrecht. Die Klägerin war der Ansicht, diesen Pflichten käme der Beklagte nicht oder jedenfalls nur in unzureichendem Maße nach.
Die Beklagte verteidigte sich, ihre Ebay-Seite verfüge sowohl über eine Anbieterkennzeichnung, als auch über eine Widerrufsbelehrung. Die Anbieterkennzeichnung sei dabei auf der Ebay-typischen so genannten (und auch mit dieser Bezeichnung verlinkten) „Mich-Seite“ einzusehen, die Widerrufsbelehrung in der ebenso typischen Seite „Shop-Bedingungen“. Auf diese beiden Seiten werde von ihrer Angebotsseite (auf der die angebotenen Waren direkt gekauft werden können) verlinkt; es sei nur ein Mausklick zum Erreichen der beiden Pflichtangaben erforderlich.
Die Klägerin war der Ansicht, dass dies jedenfalls nicht ausreichend sei; gerade hinsichtlich des Widerrufsrechts genüge es nicht, wenn auf die Belehrung nur verlinkt werden; der Nutzer der Seite müsse gleichsam „mit der Nase“ auf die Belehrung gestoßen werden. Ein einfacher Link genüge hier nicht, jedenfalls dann nicht, wenn nicht schon aus dem Linktext selbst klar ersichtlich sei, dass er zur Belehrung führe.
Tatsächlich bestehen in der Frage, wie im Einzelnen die Anbieterkennzeichnung und die Widerrufsbelehrung zu gestalten sind, erhebliche Unsicherheiten in der Praxis und unterschiedliche Ansichten in der Rechtsprechung. Während einige Gerichte, vor allem das OLG Frankfurt, sehr „enge“ Ansichten vertreten, insbesondere tatsächlich meinen, dass ein Link zum Widerrufsrecht nicht ausreiche, sondern sich dies auf der Angebotsseite selbst befinden müsse, sind andere Gerichte weniger streng. Etwa das OLG München nimmt hinsichtlich der Anbieterkennzeichnung an, das selbst ein doppelter Link – der Nutzer der Seite muss also zweimal klicken – noch ausreicht, wenn die Bezeichnung der Links nur klar und eindeutig ist.
Das LG Traunstein führt zu dieser Frage aus, dass die Verteilung der Pflichtangaben auf unterschiedliche, durch Links erreichbare Seiten der Übersichtlichkeit dieser Angaben sogar förderlich sei. Würde dies nicht so gehandhabt, bestünde sogar die Gefahr, dass die Angebotsseite komplett überfrachtet werde.
Natürlich muss es dem Verbraucher auch im Fall der Verlinkung möglich sein, die Angaben leicht zur Kenntnis zu nehmen, diese dürfen also nicht versteckt oder mit nicht nachvollziehbaren oder irreführenden Linktexten versehen werden. Im konkreten Fall waren diese Anforderungen nach Ansicht des Gerichts aber gewahrt.
Wir halten die Ansicht des LG Traunstein für richtig. Allein nach § 1 BGB-Info-VO sind ggf. zwölf (12!) Pflichtangaben erforderlich. Weitere Pflichten können sich nach der PreisangabenVO, den Datenschutzgesetzen, dem UWG und weiteren Spezialvorschriften ergeben. Der Schutzzweck der einzelnen Gesetze: dem Verbraucher die Bedingungen des Vertrages, auf den er sich gerade einlässt, klar und deutlich vor Augen zu führen, wird dabei ad absurdum geführt. Es sind so viele Angaben, dass kein durchschnittlicher Verbraucher diese alle zur Kenntnis nehmen kann. Das gilt dann um so mehr, wenn man mit der „strengen“ Rechtsprechung annimmt, dass jede einzelne Angabe auf der Angebotsseite selbst verfügbar sein muss. Das Ergebnis wäre eine völlig undurchsichtige, mit juristischen Texten und Hinweisen geradezu verstopfte Seite.
Das Problem lässt sich eigentlich nur durch Verlinkungen lösen. So wird der Verbraucher in die Lage versetzt, sich gerade die Angabe, die er haben möchte, durch einen einfachen Mausklick – den jeder Internetnutzer angesichts der Struktur des Mediums ja beherrschen dürfte – „auf den Schirm zu holen.“
Teilweise wird in der juristischen Literatur die Ansicht vertreten, bestimmte Pflichtangaben dürften verlinkt werden, andere müssten direkt auf der Angebotsseite verfügbar sein. Dieser Unterscheidung kann nicht gefolgt werden. Die Pflichtangaben stehen in keiner besonderen Reihenfolge, es gibt keine besonders wichtigen und weniger wichtigen Angaben; sie sind gleichrangig. Wollte man eine „künstliche“ Unterscheidung einführen, wäre es wieder dem Geschmack des einzelnen Gerichts (oder des Abmahnenden) überlassen, welche Angabe er bevorzugen würde. Das aber führte zu einer kaum akzeptablen Rechtsunsicherheit.
Natürlich sind solche Urteile, in denen es im Wesentlichen um Fragen der konkreten Gestaltung einer konkreten Internetseite geht, nur schwer zu verallgemeinern. Selten sind zwei Fälle hier komplett vergleichbar. Dennoch ist es erfreulich, dass das LG Traunstein einer eher liberalen und – unseres Erachtens – praxisgerechten Ansicht stattgegeben hat. Links entsprechen der Natur des Internets. Die Nutzer wissen damit umzugehen und nur durch Links lassen sich die vielen erforderlichen Pflichtangaben sinnvoll strukturieren.
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