Vorsicht statt Nachsicht — die Schutzschrift

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Die vor­beu­gende Abwehr von zu erwartenden Anträ­gen auf eine einst­weilig Ver­fü­gung stellt ein zu Unrecht häu­fig noch ver­nach­läs­sigtes Beratungs­feld dar. Einst­weilige Ver­fü­gun­gen sind häu­fig Folge von werblichen oder ver­trieblichen Aktio­nen. Wird eine solche Ver­fü­gung erlassen, hat dies oft unan­genehme Kon­se­quen­zen: Werbe­ma­te­ri­alien müssen zurück­gerufen, Aktio­nen abge­brochen wer­den; das Image lei­det.

Der Beratungs­be­darf ist hier nach wie vor hoch. Dies nicht zulet­zt durch die Inter­na­tion­al­isierung, in deren Folge ver­stärkt aus­ländis­che Unternehmen auf dem deutschen Markt tätig wer­den, die ihre werblichen und ver­trieblichen Gewohn­heit­en nun­mehr deutschem Recht unter­wor­fen sehen. Aber auch durch die Bere­itschaft von immer mehr Unternehmen, juris­tis­che Gren­zen auszutesten oder sog­ar bewusst zu ignori­eren, um Aufmerk­samkeit zu erzeu­gen.

Vor­sorge getrof­fen wer­den kann durch die Hin­ter­legung ein­er Schutzschrift beim für den Erlass der befürchteten einst­weili­gen Ver­fü­gung zuständi­gen Gericht. Ger­ade in Wet­tbe­werb­sstre­it­igkeit­en und bei Schutzrecht­skon­flik­ten kom­men hier mehrere in Frage, ggf. muss sog­ar bei allen 123 (!) Landgericht­en in Deutsch­land hin­ter­legt wer­den.

Damit die Schrift im Ern­st­fall nicht überse­hen wird, son­dern für das Gericht gut archivi­er- und auffind­bar ist, müssen der mut­maßliche Antragssteller, der Antrags­geg­n­er, und der Anlass des erwarteten Antrags auf eine Ver­fü­gung möglichst genau beze­ich­net wer­den.

Die Schrift enthält die Darstel­lung der Sach- und Recht­slage aus der Sicht des Adres­sat­en ein­er möglichen Ver­fü­gung. Dieser antwortet bere­its vor­ab auf das von der Gegen­seite zu erwartende Vor­brin­gen. Ziel der Schutzschrift kann dabei sein, dass dem Ver­fü­gungsantrag gar nicht (Ver­hin­derung), jeden­falls nicht ohne mündliche Ver­hand­lung (Verzögerung) oder nur unter Anord­nung von Sicher­heit­sleis­tun­gen (Sicherung des Regress­es) stattgegeben wird.

Der Schrift beizufü­gen sind Unter­la­gen, die den dargestell­ten Sachver­halt glaub­haft machen. Das kön­nen Doku­mente, Muster und eidesstat­tliche Ver­sicherun­gen sein. Hier sind reziprok die Regeln über die Glaub­haft­machung von Ver­fü­gungsanträ­gen anzuwen­den.

Ger­ade im Wet­tbe­werb­srecht ist es wichtig, mit der Hin­ter­legung der Schutzschrift nicht zu warten, bis Abmah­nun­gen vor­liegen. Diese sind keine Voraus­set­zung für den Erlass ein­er Ver­fü­gung. In der Prax­is wird daher oft gar nicht abgemah­nt oder wenn, dann mit sehr kurzen Fris­ten, die keine effek­tiv­en Gegen­maß­nah­men mehr zulassen. Häu­fig anzutr­e­f­fen ist auch die Tak­tik, zunächst eine einst­weilige Ver­fü­gung zu beantra­gen und erst nach deren Erlass allein zu Ver­mei­dung des Kosten­wider­spruchs abzumah­nen.

Daher sind wichtige oder gren­zgängige Aktio­nen immer mit ein­er Schutzschrift zu flankieren. Im Rah­men der ohne­hin gebote­nen Risiko­analyse ist dies meist ohne über­mäßi­gen zeitlichen und finanziellen Aufwand darzustellen. Die geschäftliche Her­aus­forderung beste­ht darin, diese Notwendigkeit­en zu kom­mu­nizieren und die Beratung­sprozesse entsprechend zu struk­turi­eren. Gelingt dies, bietet eine dies dem juris­tis­chen Berater die Möglichkeit, sich nicht als – so ja das Vorurteil! – Ver­hin­der­er neuer Ideen und Wege, son­dern ger­ade als Gestal­ter zu posi­tion­ieren.

Anm: dieser kleine Artikel ist eine Über­ar­beitung eines früheren Artikels aus diesem Blog, die im Rah­men eines Newslet­ters ent­stand. Wegen der geän­derten Per­spek­tive und einiger neu eingear­beit­eter Aspek­te hielt ich ein neuer­lich­es Post­ing für geboten.

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