Wirtschaftskrise, Arbeitslosigkeit, Corona, und Schulden ohne Ende? Ich habe trotzdem eine gute Nachricht für Sie. Ab dem 1.10.2020 gilt voraussichtlich ein neues Gesetz durch das Sie schon nach 3 Jahren schuldenfrei sind.
Über 7 Millionen Haushalte und doppelt so viele Einzelpersonen sind in Deutschland pleite. Schulden entstehen durch Mieten, Online-Geschäfte, Kredite, Bürgschaften und Unternehmerschulden. Fachleute sagen voraus, dass durch Corona die Zahl der Überschuldeten 2020 und 2021 deutlich ansteigen wird.
Anfang Juli 2020 wurden aufgrund einer EU-Vorgabe von der Bundesregierung wichtige Änderungen der Insolvenzregeln beschlossen. Am 09.09.2020 entscheidet darüber dann der Bundestag. Die neuen Regeln bringen für Überschuldete Verbesserungen, aber auch Einschränkungen.
Bisher dauert ein Schuldenerlass 6 Jahre. Das ist zu lang. Um die Schuldenfreiheit zu beschleunigen, wird Wartezeit jetzt stark verkürzt. Überschuldete. die ab dem 1.10.2020 Insolvenz anmelden, sind bereits nach 3 Jahren ihre Schulden los. Und das ohne Mindestbeträge zahlen zu müssen. Wer vorher noch zum Insolvenzgericht geht, muss rund 5 anstelle der früheren 6 Jahre warten.
Überschuldete, die bereits einen Antrag gestellt haben, aber noch nicht im Insolvenzverfahren sind, sollten ihn jetzt zurücknehmen. Ab dem 1.10.2020 können sie ihn dann erneut stellen. Nur dann gilt die kurze 3jährige Wartezeit zur Schuldenfreiheit. Der Einzelfall sollte natürlich vorher mit einem Insolvenzspezialisten besprochen werden.
Die neue Regelung unterscheidet nicht zwischen aktiven oder ehemaligen UnternehmerInnen und VerbraucherInnen. Beide Personengruppen werden nach 3 Jahren schuldenfrei. VerbraucherInnen müssen allerdings nach wie vor versuchen, sich vor dem Antrag erst außergerichtlich zu einigen. UnternehmerInnen können gleich den Antrag stellen.
Als VerbraucherIn gilt man, wenn die Vermögensverhältnisse überschaubar sind oder wenn keine gewerbliche Tätigkeit vorliegt. Den vorherigen Einigungsversuch für VerbraucherInnen bescheinigen Schuldnerberatungsstellen. Doch die sind überlaufen und es dauert lange bis zu einem Termin. Meist wird nur bei einfachen Fällen geholfen. Wird es kompliziert, wird man ohnehin zum Anwalt verwiesen. Wer schnelle und effiziente Hilfe braucht, geht daher gleich zum Fachmann.
Es gibt aber auch Pflichten im Insolvenzverfahren. Zum Beispiel müssen sie weiterhin arbeiten oder sich zumindest darum bemühen. Vermögen darf natürlich nicht verschwiegen werden.
Gesetzliche Verschärfungen kamen hinzu. Erbschaften, Schenkungen und Lottogewinne müssen sie jetzt vollständig ab geben. Und das Insolvenzgericht kann den Schuldenerlass sogar verweigern, wenn in den 3 Jahren unvernünftig hohe neue Schulden gemacht werden. Diese Regelung wird von Fachkreisen kritisiert, da nicht klar umrissen ist, wann Schulden unangemessen seien.
Ist man dann schuldenfrei, ist die nächste Restschuldbefreiung erst wieder nach 11 Jahren erlaubt. Vorher waren es nur 10 Jahre. Die Verfahrensdauer beträgt dann allerdings 5 und nicht nur 3 Jahre bis die Schulden weg sind. Mit der langen Zwangspause soll verhindert werden, dass absichtlich Schulden gemacht werden, um sie schnell wieder erlassen zu bekommen. Verbraucherschützer finden die Zwangspause zu lang und sehen in ihr eine unnötige Bestrafung.
Wirtschaftsverbände sehen das Gesetz kritisch. Für sie werden die Schulden zu früh erlassen. Darunter leidet die Zahlungsmoral und das unbeschwerte Schuldenmachen wird erleichtert.
Für Verbraucherschützer ist dieses Menschenbild von Überschuldeten veraltet und wissenschaftlich widerlegt. Die Angst vor einem Verfall der Zahlungsmoral ist eine Vermutung ohne Faktengrundlage. Schließlich ist die Kreditrückzahlungsquote laut SCHUFA mit fast 98 Prozent sehr hoch. Mit fehlender Zahlungsmoral habe eine Pleite ohnehin nichts zu tun. Schulden kommen durch Arbeitslosigkeit, Krankheit, Trennungsfolgen oder gescheiterte berufliche Selbstständigkeit. Dass Menschen mutwillig Schulden machen, um sich anschließend durch ein Insolvenzverfahren davon zu befreien, gilt bei Verbraucherschützern als realitätsfern. Die Befristung des Gesetzes für VerbraucherInnen sei unsozial, da es die wirtschaftlich Schwächsten betreffe.
Gegen die Bedenken der Wirtschaft setzte sich die Bundesregierung mit dem alles in allem verbraucherfreundlichen Gesetz durch und folgte den Verbraucherschützern. Gerade hinsichtlich des zu erwartenden Anstiegs der Überschuldungen im Zug der Corona-Pandemie kommt es damit genau zur richtigen Zeit.
Rechtsanwalt Ulrich Weber, SNP Schlawien Berlin
Leiter der Fachabteilung Restrukturierung Sanierung und Insolvenz der bundesweiten Kanzlei SNP Schlawien Partnerschaft mbB, Dozent an der Verwaltungsakademie Berlin
Co-Autor Anwaltshandbuch Mietrecht, Mietrecht in der Insolvenz, Lützenkirchen, Otto-Schmidt-Verlag
Beitragsbild: Pixabay
Der 1.10.2020 ist ein Donnerstag. An diesem Tag werden die 182 Insolvenzgerichte in Deutschland einen großen Posteingang zu verzeichnen haben. Viele Unternehmen werden dann zeitgleich einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens stellen. Am 30.09.2020 läuft, wenn sie nicht in letzter Minute verlängert wird, die Schonfrist des Insolvenzaussetzungsgesetzes ab. Unternehmen, die bis zum 30.09.2020 nicht die Corona bedingten Verluste und Umsatzeinbrüche...