Wenn ein größerer Vertrag verhandelt wird – etwa ein Projektvertrag, ein Unternehmenskauf oder ein größerer Lizenzvertrag – dann stellt sich häufig die Frage, wer nach dem Festzurren der wichtigsten Punkte den initialen Entwurf vorlegt.
Üblicherweise drückt man sich gern darum. Der Entwurf kostet Zeit und vor allem Geld, in aller Regel sogar recht viel von beidem. Da scheint es einfacher, auf einen Vorschlag der Gegenseite zu warten, um an der dann Kritik anzubringen und sie im eigenen Sinn „zurechtzubiegen“. Das scheint bequem.
Und ist höchst fahrlässig. Die Vertragshoheit ist das wertvollste Gut, das es in so einer Situation zu erobern gibt. Sie gibt den entscheidenden Vorteil.
Wer den Vertrag entwirft, dem steht es offensichtlich frei, seine Vorstellungen zu verwirklichen. Das heißt nicht unbedingt, dass der Vertrag unfair oder einseitig sein muss. Aber natürlich kann man an entscheidenden Punkten Weichen stellen. Selbst wenn man einen ausgewogenen Vertragsentwurf vorlegen möchte ist es doch einfach und verlockend, die eigene Position sehr klar zu verankern – die kennt man wenigstens.
Das Gegenüber, der Empfänger des nunmehr in die Welt gesetzten Entwurfes, ist in einer psychologisch schwierigen Lage. Der Text nämlich steht erst einmal. Jeder Änderungswunsch kommt einem „Abverhandeln“ gleich, und das muss in aller Regel mit Zugeständnissen an anderer Stelle kompensiert werden.
Anders gesagt: wer den Vertrag schreibt hat es in der Hand, Zugeständnisse allein dafür zu fordern, dass ein Dokument geändert wird.
Abseits von einem kleinen Kompromiss hier oder da hat es die Partei mit der Vertragshoheit aber vor allem in der Hand, ein Gedankengebäude zu errichten, eine Philosophie im Vertrag niederzulegen; Regeln zu definieren, die so aufeinander aufbauen, dass – wenn auch hier und da eine Zahl geändert wird – doch das grundsätzliche System erhalten bleibt. Die vertraglichen Abläufe können in die eigenen Strukturen eingepasst werden, nahtlos an intern etablierte Prozesse anknüpfen. Diese vertragliche Grundausrichtung umzuwerfen geht meist nicht, ohne den Text gleich neu zu verfassen. Gerade diese Mühe macht man sich in aller Regel aber nicht, wenn ein halbwegs funktionaler Entwurf bereits auf dem Tisch liegt.
Selbst nach den teuer erkauften Änderungen der Gegenseite bleibt meist ein Text bestehen, der in seiner Essenz doch die Vorstellungen der Partei darstellt, die ihn verfasst hat. Der Vertrag trägt ihre Handschrift, folgt ihrem System, ihren Vorstellungen; ist ihr geistiges Kind.
Wer den Vorteil der Vertragshoheit freiwillig aus der Hand gibt, der wird somit gleich doppelt bestraft. Er findet ein Dokument vor, das den eigenen grundsätzlichen Vorstellungen schon nicht vollends entspricht und bei dem für jede Detailänderung Zugeständnisse an anderer Stelle gewährt werden müssen. Sowohl die strategische als auch die taktische Situation ist somit höchst unbefriedigend.
Die Vorteile der Vertragshoheit wiegen damit den Aufwand an Geld und Zeit mehrfach auf. Wer gut beraten ist, der fügt sich daher nicht nur die Rolle dessen, der den Vertragstext verfasst, er sucht sie aktiv.
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