Häufig kommt es bei Streitigkeiten im Wettbewerbsrecht darauf an, wie eine bestimmte werbliche Aussage durch den angesprochenen Personenkreis verstanden wird, wie sie „ankommt“. Ist dieser Personenkreis ein ganz eng definierter und mit bestimmtem Vorwissen oder Vorverständnis gesegneter (etwa: alle Atomphysiker), dann werden hierzu Gutachten eingeholt.
Unberechenbar wird es immer dann, wenn Gerichte der Ansicht sind, selbst zu dem durch eine bestimmte Werbaussage angesprochenen Verkehrskreis zu gehören, weil etwa allgemein „der Verbraucher“ targetiert wird. Dann nämlich setzt das Gericht seine Ansicht an die Stelle eben jenes Verkehrskreises. Das Problem: Juristen (nicht nur Richter, die fällen nur die Entscheidungen) sind im Allgemeinen darauf trainiert, alle möglichen Bedeutungen einer Aussage zu erkennen und zu würdigen, darunter auch solche, auf die „der Verkehr“ vielleicht gar nicht kommen würde. Sie sind eben nicht der „Normalverbraucher“, tun im Streit aber so.
Konkret geht es um den Begriff „online“, und insbesondere darum, was der Verbraucher von einer „Online-Beratung“ erwartet. Hier hatten wir ja von einer Abmahnung eines Versicherungsberaters berichtet, der seine Beratung eben auch „online“ anbot. Dabei konnte der Nutzer auf der Beratungsseite seine Daten hinterlassen, erhielt das Ergebnis der Beratung aber erst zwei, drei Tage später per Email. Ein Wettbewerber sah bei dieser Gestaltung in der Bezeichnung „Online-Beratung“ eine Irreführung.
Das Landgericht Berlin gab nun auch in der Hauptsacheklage (AZ 16 O 279/05) der Klägerin statt (PDF) und führt aus:
Darunter (unter Online-Beratung, d.A.) versteht der Verbraucher die Möglichkeit, während einer bestehenden Internetverbindung per Bildschirm in der Art eines Gesprächs ohne Zeitverzögerung mit dem Kundenberater kommunizieren zu können. Er lässt sich dabei von der Vorstellung leiten, auf jede Frage unmittelbar eine Antwort zu erhalten, zu der er wiederum sofort Stellung nehmen kann, so dass sich in gleicher Weise wie in einem persönlichen Beratungsgespräch ein Gedankenaustausch entwickelt.
Diese Ansicht ist in dieser engen Fassung natürlich zumindest grenzwertig. Was das Gericht da beschreibt ist im besten Fall ein Chat. Wie jeder weiß, der schon mehr als einmal im Internet war, ist ein Chat eines der Dinge, die man online machen kann. Eines von vielen.
Das Gericht setzt aber ganz allgemein „online“ mit „just in time“ oder „synchron“ gleich. Das Telefon ist ein – dem Gericht vermutlich gut bekanntes – synchrones Medium. Wenn einer spricht, hört am anderen Ende einer zu oder tut jedenfalls so. Viele Dienste im Internet sind gerade nicht synchron (worin ja der Vorteil gegenüber dem Telefon besteht) und dennoch online. Emails kann ich auch einen Tag später beantwortenn oder gleich ganz ignorieren. Auch im Instant Messanger muss ich nicht gleich reagieren.
Auch der Duden meint zur Definition von „online“ nur: „in direkter Verbindung mit einer Datenverarbeitungsanlage arbeitend“. Die Wikipedia sieht „online“ im Zusammenhang mit „Computern“ so, dass diese mit dem Internet verbunden sein müssen.
Meines Erachtens kann „Online-Irgendwas“ also nur so verstanden werden, dass eine bestimmte Dienstleistung über ein Online-Medium erbracht wird, hier: über das Internet, wozu ich (und da mag man in der Tat dann streiten können) auch Email zähle. Eine „Online-Beratung“ wäre dann eine solche, bei der man auf einer Webseite seine Angaben macht, nach deren Auswertung man ein Ergebnis erhält. Wie schnell das geht spielt m.E. keine Rolle.
Wenn man die rigide Ansicht des Gerichts übrigens wirklich ernst nimmt, dann warte ich auf die Abmahnungen bei Verwendung des Begriffs “Online-Dating”. Gute Idee, oder?
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