Eine hochinteressante Entscheidung hat der BGH zur Frage a) der Möglichkeit zur Vergabe von Probeabonnements von Zeitschriften und b) zur Verbindlichkeit der VDZ-Wettbewerbsregeln gefällt. Leider ist die Entscheidung selbst derzeit noch nicht online erhältlich, man darf sich aber an die offizielle Pressemitteilung des BGH halten. Jedenfalls die Grundzüge des Urteils sind hieraus sehr gut erkennbar.
Sehr gern vergeben Zeitschriftenverlage für ihre Produkte Probeabonnements zu – gegenüber den regulären Abos und den Preisen im Zeitschriftenhandel – möglichst reduzierten Preisen. Für die Verlage sind Abonnenten sehr viel interessanter als der Verkauf der Zeitschriften am Kiosk. Bei letzterem ist die abzusetzende Auflage schwer berechenbar, die Logistik ist komplex und die Remissionen sind ärgerlich. Naturgemäß hat der Zeitschriftenhandel entgegengesetzte Interessen: jeder Abonnent ist für ihn ein verlorener Kunde.
Zum Ausgleich dieser Interessen hat sich der Verband Deutscher Zeitschrifenverleger die „VDZ-Wettbewerbsregeln für den Vertrieb von abonnierbaren Publikumszeitschriften“ gegeben. Diese wurden bisher von der Rechtsprechung zur Ausfüllung der Generalklausel des Wettbewerbsrechts herangezogen. Was gegen die VDZ-Wettbewerbsregeln verstieß, das wurde auch als wettbewerbswidrig angesehen.
Damit dürfte es nun vorbei sein.
Die Pressemitteilung des BGH:
Gegenstand des Rechtsstreits war eine Werbeaktion, mit der der Verlag Gruner + Jahr unter der Überschrift „13 x stern testen, über 40% sparen“ um neue Abonnenten geworben hatte. Ein Probeabonnement für dreizehn Hefte sollte 19 € kosten (ca. 1,46 € pro Heft). Außerdem wurde jeweils eine attraktive Zugabe (z.B. eine Designer-Isolierkanne oder eine Armbanduhr) in Aussicht gestellt. Die Zeitschrift „stern“ wird im Einzelverkauf zu einem gebundenen Preis von 2,50 €, im Abonnement zum Preis von 2,30 € pro Heft verkauft.
Dagegen klagte ein – einschlägig auch hier bekannter – Zeitschriftenhändler und sein Verband. Nach seiner Argumentation war die Werbemaßnahme des Verlages unzulässig, da nicht konform mit den VDZ-Regeln. Diese lauten im einschlägigen Absatz:
3. Probeabonnements
Kurzabonnements zu Erprobungszwecken („Probeabonnements“) sind zulässig, wenn sie zeitlich auf maximal drei Monate begrenzt sind und nicht mehr als 35 Prozent unter dem kumulierten Einzelheftpreis liegen. Derartige Probeabonnements sind nicht beliebig oft wiederholbar; sie dürfen nur in ein reguläres Abonnement führen, wenn dies jederzeit kündbar ist.4. Werbegeschenke bei Werbeexemplaren und Probeabonnements
Sachgeschenke als Belohnung für die Bereitschaft zur Erprobung („Werbegeschenke“) müssen in einem angemessenen Verhältnis zum Erprobungsaufwand stehen.
In der Tat war die Klage in zwei Instanzen erfolgreich. Dankenswerterweise hat das OLG Hamburg in seinem Urteil vom 9. Juli 2004, AZ 5 U 181/03 (veröffentlich in AfP 2005, 180) die Revision zum BGH zugelassen. Der stutzte nun die VDZ-Regeln auf das Maß zurück, das ihnen zukommt. Er sieht in ihnen eben eine Branchenübereinkunft, aber kein Gesetz. Stattdessen rückte er die wirtschaftlichen Interessen der Verlage in den Mittelpunkt seiner Betrachtung:
Er (der BGH, d.A.) ist davon ausgegangen, dass es den Zeitschriftenverlegern trotz der Bindung der Einzelverkaufspreise nicht verwehrt sei, die Vertriebsschiene des Abonnements gegenüber der Vertriebsschiene des Einzelverkaufs zu fördern, zumal nicht dargetan sei, dass Probeabonnements der in Rede stehenden Art zu einem deutlichen Rückgang des Einzelverkaufs führten. Der Abonnementvertrieb sei für die Zeitschriftenverleger aus kaufmännischer Sicht eindeutig vorzugswürdig. Daher liege die besondere Förderung dieser Vertriebsschiene nahe. Sie könne dem Verleger weder aufgrund einer Rücksichtnahmepflicht im Rahmen der Preisbindungsvereinbarung noch aus kartell- oder lauterkeitsrechtlichen Gründen untersagt werden. Die Wettbewerbsregeln des Zeitschriftenverlegerverbandes könnten nur als Empfehlung wirken; aus ihnen seien jedoch weder vertragliche noch gesetzliche Pflichten abzuleiten. Die Anerkennung der Wettbewerbsregeln durch das Bundeskartellamt verleihe ihnen keine amtliche Qualität, sondern schließe nur ein kartellrechtliches Verfahren gegen den Verband aus.
Kurz gefasst heißt das: auch im Verlagsgewerbe darf man kaufmännisch handeln. Wettbewerbsregeln mögen einen Anhaltspunkt für die Ausfüllung der wettbewerbsrechtlichen Generalklauseln bieten, entbinden das Gericht aber nicht von einer Prüfung im Einzelfall.
Wenn das schon für den Handel mit Verlagsprodukten mit seinen starren Regeln (Stichwort: Preisbindung) gilt, dann dürfte das Urteil auf andere Branchen mit vergleichbaren Wettbewerbsregeln erst recht anwendbar sein.
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