Viele Restaurants, Hotels und andere Unternehmen mussten während der Corona-Lockdowns auf behördliche Anordnung schließen. Der BGH hat nun den Versicherungsschutz aus einer Betriebsschließungsversicherung verneint, weil Covid-19 nicht in den Versicherungsbedingungen aufgeführt ist. Die Grundsatzentscheidung hat Bedeutung für viele Betriebe.
Ob bzw. nach welchen Versicherungsbedingungen Gastronomen, die ihre Betriebe wegen Corona schließen mussten, Ansprüche aus Betriebsschließungsversicherungen haben, wurde seit dem ersten Lockdown in Wissenschaft und Rechtsprechung höchst kontrovers beurteilt.
Nun ist das erste höchstrichterliche Urteil da: Der für das Versicherungsrecht zuständige IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) hat am 27. Januar entschieden, dass eine behördliche Betriebsschließung zur Eindämmung des Corona-Virus kein Versicherungsfall in der Betriebsschließungsversicherung ist, wenn die Versicherungsbedingungen bestimmte meldepflichtige Krankheiten und Krankheitserreger abschließend auflisten und die Covid-19-Krankheit bzw. das Corona-Virus hierbei nicht genannt werden (BGH, Urt. v. 26.01.2022, Az. IV ZR 144/21). Damit schafft er Klarheit für eine Vielzahl vergleichbarer Fälle, doch es kommt weiterhin auf die Formulierung der Klausel in den Versicherungsbedingungen an.
In dem entschiedenen Fall klagte der Betreiber eines Restaurants in Travemünde auf Feststellung, dass ihm wegen der Schließung im Lockdown Entschädigung aus seiner Versicherung zustehe. Er hatte seinen Restaurantbetrieb aufgrund der am 18. März 2022 in Kraft getretenen Verordnung der Schleswig-Holsteinischen Landesregierung eingestellt und bot lediglich noch einen Lieferdienst außer Haus an.
In den Klauseln seines Versicherungsvertrags ist als Voraussetzung für den Versicherungsschutz bestimmt, dass die zuständige Behörde aufgrund des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) beim Auftreten meldepflichtiger Krankheiten oder Krankheitserreger den versicherten Betrieb schließt, um zu verhindern, dass sich meldepflichtige Krankheiten oder Krankheitserreger beim Menschen verbreiten. Die Klausel enthält zudem unter dem Punkt „Meldepflichtige Krankheiten und Krankheitserreger im Sinne dieser Zusatzbedingungen sind die folgenden, im Infektionsschutzgesetz in den §§ 6 und 7 namentlich genannten Krankheiten und Krankheitserreger“ eine Auflistung, die einzelne Krankheiten und Krankheitserreger benennt. Covid-19 bzw. Corona sind dort nicht aufgeführt.
Zwar hat der BGH klargestellt, dass der Versicherungsfall nicht bereits daran scheitere, dass die Betriebsschließung nicht erfolgte, weil gerade in dem betroffenen Restaurant ein Virus aufgetreten wäre. Eine solche intrinsische Ursache hatte u.a. das Oberlandesgericht Schleswig-Holstein als Vorinstanz noch für nötig gehalten. Der BGH stellt dagegen klar: Versicherungsschutz kann auch bei Schließungen im Rahmen von Lockdowns auf Grundlage von Allgemeinverfügungen bestehen, wenn also die Ursachen nicht aus dem Betrieb selbst kommen.
Der BGH kommt allerdings zu dem Ergebnis, dass der in den Bedingungen enthaltende Katalog von Krankheiten und Krankheitserregern abschließend sei. Versicherungsschutz bestehe daher ausschließlich für Betriebsschließungen wegen der dort explizit genannten Krankheiten und Erreger.
Dies folge aus der Auslegung der Versicherungsbedingungen aus der Sicht eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers. Der könne zum einen aufgrund des Wortlauts erkennen, dass die Versicherungsbedingungen eine eigenständige Definition meldepflichtiger Krankheiten oder Krankheitserreger vornehmen. Diese Definition müsse trotz des Verweises der Klausel auf die Vorschriften im IfSG, in die das Corona-Virus mittlerweile aufgenommen wurde, nicht mit dem Katalog von Krankheiten im IfSG übereinstimmen.
Zum anderen erklärt der BGH die Aufzählung der Krankheiten und Erreger, die Covid-19 eben nicht enthält, für abschließend. Auch hieran ändere der Verweis auf die im IfSG genannten Krankheiten und Krankheitserreger nichts, so der Senat. Er sei, durch die Brille des Durchschnittsversicherten gesehen, als bloße Klarstellung zu verstehen, dass sich der Versicherer bei der Erstellung der Auflistung inhaltlich an den Regelungen des IfSG orientiert habe.
Für die Interpretation, dass die Auflistung von Krankheiten und Erregern, wegen denen eine Betriebsschließung den Versicherungsfall auslöst, abschließend ist, spreche auch der Sinn und Zweck der Klausel. So sei zwar einerseits das Interesse des Versicherungsnehmers an einem möglichst lückenlosen Versicherungsschutz zu beachten. Gleichwohl könne der aber andererseits nicht annehmen, dass der Versicherer auch für nicht in dem Katalog genannte Krankheiten und Krankheitserreger eintreten will. Denn schließlich könnten auch noch Jahre nach Abschluss der Versicherung neuartige Erreger auftreten, wie es gerade durch die Corona-Pandemie deutlich geworden ist. Hierdurch würde sich ein für den Versicherer nicht kalkulierbares Risiko ergeben.
Schließlich stellt der BGH auch keine Verstöße der Klausel im Rahmen der AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle gemäß § 307 Abs. 1 und 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) fest. So seien die Klauseln zum einen transparent genug: Dem durchschnittlichen Versicherungsnehmer werde nicht der unrichtige Eindruck suggeriert, dass der Versicherungsschutz für Betriebsschließungen eins zu eins deckungsgleich mit den auf Basis des IfSG möglichen Betriebsschließungen sei. Zudem benachteilige die Klausel den Versicherungsnehmer auch nicht unangemessen.
Zwar kommt es auch nach der Entscheidung des BGH immer auf den genauen Inhalt der in den jeweiligen Versicherungsvertrag einbezogenen Versicherungsbedingungen an. Die Bedingungen, über die der BGH nun entschieden hat, sind am Markt allerdings weit verbreitet. Auch für viele andere betroffene Betriebe, die im Lockdown schließen musste, steht mit dem Urteil daher fest, dass ihre Betriebsschließungsversicherung keine Entschädigung zahlen muss. Keine Auswirkung dürfte die BGH-Entscheidung lediglich für Betriebe haben, deren Versicherungsbedingungen keinen abschließenden Katalog mit namentlich genannten Krankheiten bzw. Krankheitserregern enthalten. Wie so oft gilt auch hier: Aufs Kleingedruckte kommt es an.
Der Autor Markus Kimpel ist Fachanwalt für Versicherungsrecht bei SNP Schlawien Partnerschaft mbB in Düsseldorf und hat langjährige Erfahrung in der Beratung und Vertretung von Versicherungsnehmern und Versicherungsunternehmen. https://de.linkedin.com/in/markus-kimpel-19968b173
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