Das Gericht der Europäischen Union hat die Nichtigkeitsklage des Lkw-Herstellers Scania gegen den Bußgeldbeschluss der EU-Kommission aus 2017 abgewiesen. Die Luxemburger Richter bestätigen die Beteiligung des schwedischen Herstellers am Lkw-Kartell und die Geldbuße von über 880 Millionen, die die EU-Kommission verhängt hat.
Die drei Unternehmen der Scania-Gruppe, die am Mittwoch vor dem Gericht der Europäischen Union (EuG) unterlagen, waren die Einzigen, die sich dem Vergleich mit der Europäischen Kommission nicht angeschlossen hatten. Letztere hatte 2016 mitgeteilt, dass sie davon ausgehe, dass die Lkw-Hersteller MAN, Volvo/Renault, Daimler, Iveco, DAF und Scania 14 Jahre lang gegen Kartellrecht verstoßen hätten, u.a. indem sie zwischen 1997 und 2011 Absprachen über Bruttolistenpreise für mittelschwere und schwere Lastkraftwagen im europäischen Raum trafen.
Noch im Jahr 2016 erkannten alle Hersteller außer Scania an, an dem Kartell beteiligt gewesen zu sein, die Kommission verhängte Bußgelder in Höhe von insgesamt rund 2,9 Mio. Euro. Nur MAN profitierte damals von der Kronzeugenregelung und musste kein Bußgeld zahlen.
Die drei Scania-Unternehmen aber, die sich zunächst ebenfalls an den Vergleichsgesprächen mit der Kommission beteiligt hatten, lehnten den Vergleich schließlich ab. Gegen den Beschluss, mit dem die Kommission daraufhin am 27. September 2017 eine Geldbuße von 880.520.000 Euro aussprach, ging Scania vor. Nun unterlag der schwedische Hersteller mit seiner Nichtigkeitsklage vor dem Gericht der Europäischen Union (EuG).
Die Richter in Luxemburg bestätigen die Beteiligung von Scania am Lkw-Kartell und die von der EU-Kommission verhängte Geldbuße. Sie erklärten sowohl das von dieser angewandte sog. hybride Verfahren, das ein Vergleichsverfahren mit dem regulären kartellrechtlichen Verwaltungsverfahren kombiniert, als auch die Entscheidung der Kommission in der Sache für rechtmäßig (EuG, Urt. v. 02.02.2022, Az. T‑799/17 — Scania u.a. ./. Kommission).
Weder habe die Kommission die Unschuldsvermutung verletzt, weil sie sich vorschnell darauf festgelegt hätte, dass Scania kartellrechtswidrig gehandelt habe und dafür haften müsse, noch sieht das EuG Anlass zu Zweifeln an der Unparteilichkeit der EU-Kommission. Vielmehr habe, so das EuG, die Kommission “rechtlich hinreichend nachgewiesen”, dass Scania an den Absprachen und Kontakten im Rahmen des sog. Lkw-Kartells beteiligt und damit Teil eines Gesamtplans war, mit dem die Lkw-Hersteller den Wettbewerb auf dem Markt für mittlere und schwere Lkw rechtswidrig beschränken wollten. Auch die von der EU-Kommission verhängte Geldbuße in Höhe von 880.520.000 Euro beanstandet das Gericht nicht.
Für Unternehmen, die im relevanten Zeitraum mittelschwere und schwere Scania-Lkw im europäischen Raum erworben haben und damit durch das Lkw-Kartell geschädigt wurden, gibt die Entscheidung aus Luxemburg Anlass, kartellrechtliche Schadensersatzansprüche prüfen zu lassen. Das Urteil aus Luxemburg gibt starken Rückenwind, um – vielleicht auch erneut — Vergleichsgespräche mit der Scania-Gruppe aufzunehmen. Rechtlich schafft der Richterspruch auch einen Teil der notwendigen Tatsachengrundlagen, um Schadensersatzansprüche gerichtlich durchzusetzen.
Das Urteil des EuG ist allerdings noch nicht rechtskräftig, Scania kann innerhalb von zwei Monaten und zehn Tagen noch Rechtsmittel einlegen. Entscheiden würde dann der Europäische Gerichtshof.
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