Lkw-Kartell: Europäisches Gericht bestätigt Kartellstrafe für Scania

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Kartellrecht | 2. Februar 2022
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Das Gericht der Euro­päi­schen Uni­on hat die Nich­tig­keits­kla­ge des Lkw-Her­stel­lers Sca­nia gegen den Buß­geld­be­schluss der EU-Kom­mis­si­on aus 2017 abge­wie­sen. Die Luxem­bur­ger Rich­ter bestä­ti­gen die Betei­li­gung des schwe­di­schen Her­stel­lers am Lkw-Kar­tell und die Geld­bu­ße von über 880 Mil­lio­nen, die die EU-Kom­mis­si­on ver­hängt hat.

Die drei Unter­neh­men der Sca­nia-Grup­pe, die am Mitt­woch vor dem Gericht der Euro­päi­schen Uni­on (EuG) unter­la­gen, waren die Ein­zi­gen, die sich dem Ver­gleich mit der Euro­päi­schen Kom­mis­si­on nicht ange­schlos­sen hat­ten. Letz­te­re hat­te 2016 mit­ge­teilt, dass sie davon aus­ge­he, dass die Lkw-Her­stel­ler MAN, Volvo/Renault, Daim­ler, Ive­co, DAF und Sca­nia 14 Jah­re lang gegen Kar­tell­recht ver­sto­ßen hät­ten, u.a. indem sie zwi­schen 1997 und 2011 Abspra­chen über Brut­to­lis­ten­prei­se für mit­tel­schwe­re und schwe­re Last­kraft­wa­gen im euro­päi­schen Raum tra­fen.

Noch im Jahr 2016 erkann­ten alle Her­stel­ler außer Sca­nia an, an dem Kar­tell betei­ligt gewe­sen zu sein, die Kom­mis­si­on ver­häng­te Buß­gel­der in Höhe von ins­ge­samt rund 2,9 Mio. Euro. Nur MAN pro­fi­tier­te damals von der Kron­zeu­gen­re­ge­lung und muss­te kein Buß­geld zah­len.

Die drei Sca­nia-Unter­neh­men aber, die sich zunächst eben­falls an den Ver­gleichs­ge­sprä­chen mit der Kom­mis­si­on betei­ligt hat­ten, lehn­ten den Ver­gleich schließ­lich ab. Gegen den Beschluss, mit dem die Kom­mis­si­on dar­auf­hin am 27. Sep­tem­ber 2017 eine Geld­bu­ße von 880.520.000 Euro aus­sprach, ging Sca­nia vor. Nun unter­lag der schwe­di­sche Her­stel­ler mit sei­ner Nich­tig­keits­kla­ge vor dem Gericht der Euro­päi­schen Uni­on (EuG).

Gericht: Beteiligung am Kartell rechtlich ausreichend nachgewiesen

Die Rich­ter in Luxem­burg bestä­ti­gen die Betei­li­gung von Sca­nia am Lkw-Kar­tell und die von der EU-Kom­mis­si­on ver­häng­te Geld­bu­ße. Sie erklär­ten sowohl das von die­ser ange­wand­te sog. hybri­de Ver­fah­ren, das ein Ver­gleichs­ver­fah­ren mit dem regu­lä­ren kar­tell­recht­li­chen Ver­wal­tungs­ver­fah­ren kom­bi­niert, als auch die  Ent­schei­dung der Kom­mis­si­on in der Sache für recht­mä­ßig (EuG, Urt. v. 02.02.2022, Az. T‑799/17 — Sca­nia u.a. ./. Kom­mis­si­on).

Weder habe die Kom­mis­si­on die Unschulds­ver­mu­tung ver­letzt, weil sie sich vor­schnell dar­auf fest­ge­legt hät­te, dass Sca­nia kar­tell­rechts­wid­rig gehan­delt habe und dafür haf­ten müs­se, noch sieht das EuG Anlass zu Zwei­feln an der Unpar­tei­lich­keit der EU-Kom­mis­si­on. Viel­mehr habe, so das EuG, die Kom­mis­si­on “recht­lich hin­rei­chend nach­ge­wie­sen”, dass Sca­nia an den Abspra­chen und Kon­tak­ten im Rah­men des sog. Lkw-Kar­tells betei­ligt und damit Teil eines Gesamt­plans war, mit dem die Lkw-Her­stel­ler den Wett­be­werb auf dem Markt für mitt­le­re und schwe­re Lkw rechts­wid­rig beschrän­ken woll­ten. Auch die von der EU-Kom­mis­si­on ver­häng­te Geld­bu­ße in Höhe von 880.520.000 Euro bean­stan­det das Gericht nicht.

Für Unter­neh­men, die im rele­van­ten Zeit­raum mit­tel­schwe­re und schwe­re Sca­nia-Lkw im euro­päi­schen Raum erwor­ben haben und damit durch das Lkw-Kar­tell geschä­digt wur­den, gibt die Ent­schei­dung aus Luxem­burg Anlass, kar­tell­recht­li­che Scha­dens­er­satz­an­sprü­che prü­fen zu las­sen. Das Urteil aus Luxem­burg gibt star­ken Rücken­wind, um – viel­leicht auch erneut — Ver­gleichs­ge­sprä­che mit der Sca­nia-Grup­pe auf­zu­neh­men. Recht­lich schafft der Rich­ter­spruch auch einen Teil der not­wen­di­gen Tat­sa­chen­grund­la­gen, um Scha­dens­er­satz­an­sprü­che gericht­lich durch­zu­set­zen.

Das Urteil des EuG ist aller­dings noch nicht rechts­kräf­tig, Sca­nia kann inner­halb von zwei Mona­ten und zehn Tagen noch Rechts­mit­tel ein­le­gen. Ent­schei­den wür­de dann der Euro­päi­sche Gerichts­hof.

Gero Wil­ke ist spe­zia­li­siert auf die Bera­tung und Pro­zess­füh­rung in den Berei­chen Geis­ti­ges Eigen­tum und IT-Recht. Er berät und ver­tritt Unter­neh­men aller Grö­ßen, vor­nehm­lich mit­tel­stän­di­sche Unter­neh­men. Die Schwer­punk­te sei­ner Tätig­keit lie­gen im Mar­ken­recht, Wett­be­werbs­recht, Urhe­ber- bzw. Medi­en­recht sowie im Soft­ware­ver­trags­recht, Inter­net- und eCom­mer­ce-Recht. Einen wei­te­ren Schwer­punkt bil­det die Bera­tung im Bereich Daten­schutz und DSGVO. Gero Wil­ke ist zer­ti­fi­zier­ter exter­ner Daten­schutz­be­auf­trag­ter. https://de.linkedin.com/in/gerowilke 

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