OLG München zur Buchpreisbindung: es gibt sie doch

Medienrecht | 15. August 2006
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Über einen inter­es­san­ten Fall auf dem Gebiet der Buch­preis­bin­dung hat­te das OLG Mün­chen zu ent­schei­den, das Urteil (vom 3.8.2006, AZ 6 U 1645/06, es gibt um die Beru­fung in einer Ver­fü­gungs­sa­che) wur­de uns in der letz­ten Wochen zuge­stellt. Unse­res Erach­tens soll­te die Ent­schei­dung weit­rei­chen­de Fol­gen haben, da über einen Sach­ver­halt ent­schie­den wur­de, der in ähn­li­cher Wei­se viel­fäl­tig – und in stei­gen­der Anzahl – am Markt zu fin­den ist.

Da Preis­bin­dungs­recht eher eine Spe­zi­al­ma­te­rie dar­stellt viel­leicht zwei, drei Sät­ze zur Ein­füh­rung.

Nach deut­schem Recht sind Ver­le­ger oder Impor­teu­re von Büchern ver­pflich­tet, für den Ver­kauf die­ser Wer­ke einen Preis fest­zu­set­zen. Wer gewerbs- oder geschäfts­mä­ßig neue Bücher an Letzt­ab­neh­mer (das sind wir, die Leser) ver­kauft, muss die­sen fest­ge­setz­ten Preis ein­hal­ten. Die Preis­bin­dung besteht im Regel­fall min­des­tens 18 Mona­te. In die­ser Zeit kann der Preis also nicht hin­auf- oder her­ab­ge­setzt wer­den.

Das ist natür­lich nicht jedem recht: eini­ge Markt­teil­neh­mer ver­su­chen durch­aus, sich durch beson­ders güns­ti­ge Ange­bo­te von der Kon­kur­renz abzu­set­zen. Die Preis­bin­dung wird hier gern aus­ge­he­belt, was in gewis­sen Gren­zen auch völ­lig legi­tim und vor allem legal ist. Mög­lich ist etwa, ein Buch in ver­schie­de­nen Aus­ga­ben und Aus­stat­tun­gen auf ver­schie­de­nen Ver­triebs­we­gen zu ver­trei­ben. „Klas­sisch“ ist etwa der Fall der Buch­club­aus­ga­be, bei der ein Werk, das im regu­lä­ren Buch­han­del erhält­lich ist in einer etwas gerin­ge­ren Aus­stat­tung (etwa: kein Schutz­um­schlag, klei­ne­res For­mat etc.) im Rah­men eines Buch­clubs an die Mit­glie­der zu einem deut­lich redu­zier­ten Preis ver­trie­ben wird.

Das funk­tio­niert durch­aus auch außer­halb von Buch­clubs. In jedem Fall müs­sen aber der Preis des „ursprüng­li­chen“ Wer­kes und der­je­ni­ge der Par­al­lel­aus­ga­be in einem ange­mes­se­nen Ver­hält­nis ste­hen. Kri­te­ri­en für die Ange­mes­sen­heit sind der Aus­stat­tungs­un­ter­schied, der Abstand der Erschei­nungs­ter­mi­ne und ob – im Rah­men eines Klubs – eine Abnah­me­ver­pflich­tung der Mit­glie­der vor­liegt.

Die­se Kri­te­ri­en hat­te die Ver­fü­gungs­be­klag­te im Fall aber nicht beach­tet. Sie hat­te einen Bild­band ver­legt und im regu­lä­ren Buch­han­del ver­trie­ben. Etwa drei Mona­te nach dem Erschei­nungs­ter­min des ursprüng­li­chen Wer­kes leg­te sie eine zwei­te Aus­ga­be die­ses Wer­kes auf, die sich ledig­lich in Details von der ursprüng­li­chen Aus­ga­be unter­schied: der Umschlag des alten Wer­kes hat­te einen Papier­ein­band, der des neu­en Wer­kes war lami­niert; zudem wur­den eini­ge unmaß­geb­li­che Ände­run­gen an der gra­fi­schen Gestal­tung des Ein­ban­des vor­ge­nom­men. Im Wei­te­ren waren die Wer­ke aber in Druck, Text, Bil­dern, Aus­stat­tung etc. iden­tisch. Den­noch wur­de das zwei­te Werk exklu­siv über die Filia­len von „Welt­bild“ zu einem Preis ver­trie­ben, der rund 40% unter dem Preis des ursprüng­li­chen Wer­kes lag.

Die Ver­fü­gungs­klä­ge­rin war der Ansicht, die bei­den Wer­ke unter­schie­den sich nur so mar­gi­nal, dass in der Sache kein Aus­stat­tungs­un­ter­schied vor­lä­ge, der einen wir auch immer gear­te­ten Preis­un­ter­schied recht­fer­ti­ge: es läge in der Sache nur „ein“ Werk vor, das zwei­glei­sig ver­trie­ben wür­de. Das aber sei unzu­läs­sig: bei­de Wer­ke müss­ten zum sel­ben – dem gebun­de­nen – Preis ange­bo­ten wer­den.

Die­ser Argu­men­ta­ti­on folg­te das OLG Mün­chen. Inter­es­sant ist das aus einer Rei­he von Grün­den.

Zum einen ist OLG-Recht­spre­chung zum Preis­bin­dungs­ge­setz nach wie vor durch­aus rar gesät, das Urteil daher schon hilf­reich. Wei­ter­hin stellt die Ent­schei­dung in erfri­schen­der Deut­lich­keit klar, dass rein kos­me­ti­sche Aus­stat­tungs­un­ter­schie­de zwi­schen zwei Aus­ga­ben eines Wer­kes nicht aus­rei­chen, um einen Preis­un­ter­schied zu begrün­den. Vor allem aber betrifft die Ent­schei­dung kon­kret zwar einen Ein­zel­fall, der aber als arche­ty­pi­sches Bei­spiel für eine Viel­zahl von ver­gleich­ba­ren Gestal­tun­gen die­nen kann.

Eine Anmer­kung sei mir aller­dings zur Preis­bin­dung all­ge­mein gestat­tet: man kann die­ses Insti­tut mit guten Grün­den für über­flüs­sig oder sogar schäd­lich hal­ten. Die Preis­bin­dung ist aner­kann­ter­ma­ßen ein sehr schwer­wie­gen­der Ein­griff in das Spiel der Kräf­te des frei­en Mark­tes. Ob dies gerecht­fer­tigt ist darf bezwei­felt wer­den. Das benann­te Ziel des Preis­bin­dungs­ge­set­zes — der Erhalt eines dich­ten Net­zes von Buch­hand­lun­gen auch im länd­li­chen Raum, um das Kul­tur­gut Buch all­ge­mein ver­füg­bar zu machen — mutet im Zeit­al­ter des Inter­nets (das Preis­bin­dungsG trat 2002 in Kraft) selt­sam ana­chro­nis­tisch an und steht auf wohl mit der För­de­rung der Stein­koh­le auf einer ideel­len Stu­fe. Zumal die Prä­mis­se vom „Buch als Kul­tur­gut“ für die über­gro­ße Mas­se gera­de von Sach­bü­chern ange­zwei­felt wer­den darf.

Das ändert aber nicht dar­an, dass das Gesetz, solan­ge es gilt, aus vie­len Grün­den sehr strikt beach­tet wer­den muss.

Der offen­sicht­lichs­te Grund ist der, dass Geset­ze nun ein­mal ganz all­ge­mein Beach­tung ver­die­nen, gleich, ob man sie für rich­tig oder falsch hält: ande­ren­falls gäbe es kei­ne Rechts­ord­nung, son­dern ein anar­chi­sches Gewirr pri­va­ter Wer­te­ord­nun­gen.

Gera­de beim Preis­bin­dungs­ge­setz kommt aber noch ein wei­te­rer Gesichts­punkt hin­zu: wenn es nur teil­wei­se beach­tet wird, rich­tet es noch sehr viel mehr Scha­den an, als wenn es strik­te Durch­set­zung fin­det. Denn Ver­stö­ße gegen eine Markt­ord­nung durch einen Markt­teil­neh­mer sind dann beson­ders schwer­wie­gend und schäd­lich, wenn sich alle ande­ren Teil­neh­mer an die Ord­nung hal­ten (müs­sen). Sprich: wenn die Buch­händ­ler durch das Preis­bin­dungs­ge­setz dar­an gehin­dert sind, wie alle ande­ren guten Kauf­leu­te durch Preis­po­li­tik der Ange­bots- und Nach­fra­ge­si­tua­ti­on Rech­nung zu tra­gen, dann müs­sen sie in beson­de­rem Maße vor der Kon­kur­renz der Ver­la­ge selbst durch zwei­glei­si­gen Ver­trieb und Par­al­lel­aus­ga­ben geschützt wer­den. Wenn ein Markt schon regu­liert wird, dann doch für alle. Es geht nicht an, dass Ein­zel­ne sich dem ent­zie­hen: der Vor­sprung am Markt wird dann näm­lich nicht durch beson­de­re kauf­män­ni­sche Tüch­tig­keit, son­dern schlicht durch Rechts­bruch erwirkt. Das scha­det der Kon­kur­renz, ohne – wie ja sonst gesun­der Wett­be­werb – der All­ge­mein­heit zu nut­zen.

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