Nach der Tragödie von Emsdetten ist, wie auch schon nach dem Vorfall in Erfurt, ein alter Bekannter zurück: die Diskussion um das Verbot von so genannten „Killerspielen“. Gemeint sind damit natürlich Ego-Shooter, bei denen der Spieler aus der Perspektive des Protagonisten des Spiels mit Waffen gegen Gegner kämpft.
In der Tat ist auffällig, dass die Amokläufer gerade in Schulen — in Deutschland, aber auch den USA — offenbar allesamt ihre Freizeit großenteils mit solchen Spielen verbrachten. Ganz allgemein werde, so viele Politiker, durch die Spiele ein menschenverachtendes Weltbild vermittelt und der Werteverfalle gefördert. Tatsache ist aber auch, dass eine überwältigende Vielzahl von Menschen diese Spiele in ihrer Freizeit konsumieren, ohne dadurch zwangsläufig zum Amokläufer zu werden. Zu einigen der betreffenden Spiele, etwa zu „Counter Strike“, werden ja sogar organisierte Turniere ausgetragen, große Parties, soziale Happenings, bei denen Menschen andere Menschen treffen. Und dann virtuell töten, später aber zusammen das eine oder andere Bier zischen. Also doch nur ein harmloser Freizeitsport?
Die Meinungen gehen hier naturgemäß weit auseinander. Insbesondere CDU/CSU-Politiker tun sich in den letzten Tagen mit der Anmerkung hervor, man müsse nun Nägel mit Köpfen machen und den Ankündigungen des Berliner Koalitionsvertrages — der ja diesen Punkt bereits vorsieht — Taten folgen lassen. Andere weisen darauf hin, dass es keine handfesten Belege (allerdings durchaus Hinweise) dafür gibt, dass „Killerspiele“ wirklich Amokläufe verursachen oder fördern. Die Frage hier ist ja immer: wird die Disposition zu Amokläufen durch Killerspiele hervorgerufen oder mag umgekehrt jemand, der bereits eine solche Disposition hat, auch diese Art von Spielen? Also: was ist Ursache, was Wirkung?
Angemerkt wird auch, dass zum einen ein Verbot solcher Spiele im Zeitalter des Internets und auch der Softwareverbreitung über elektronische Netze wohl recht wirkungslos bliebe, zum anderen Deutschland bereits jetzt eines der strengsten Jungendschutzgesetze hat. Nicht umsonst werden bereits heute Ego-Shooter von Herstellern und Distributoren entschärft: auf deutschen Bildschirmen werden aus Menschen Monster und aus rotem Blut wird grüner Schleim.
Zuletzt wirft ein eventuelles Verbot natürlich auch eine Reihe von rechtlichen Fragen auf. Ist es überhaupt geeignet, den angestrebten Zweck — Verhinderung von Gewalttaten, allgemeine Förderung von Sitte und Moral — zu erreichen? Und falls ja, ist es im Lichte der wirtschaftlichen Grundrechte der Hersteller und Distributoren, Art. 12 GG, auch verhältnismäßig? Werden da nicht auch Fragen der Gleichbehandlung tangiert, also: müssten, wenn man „Killerspiele“ verbieten will, nicht auch gewalttätige Filme generell verboten werden? Ist denn „Doom“ schlechter als „Tripple X“? Zuletzt: kann man den Begriff der „Killerspiele“ denn abseits der populistischen Benennung überhaupt scharf genug fassen?
Persönlich glaube ich, dass die rechtlichen Probleme wohl in den Griff zu bekommen sein werden. Der vorliegende Fall dürfte ein schönes Beispiel für die sog. Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers zu sein. Heißt: die Gefährlichkeit von Killerspielen, die Kausalitäten zwischen Ursache und Wirkung, müssen nicht streng wissenschaftlich bewiesen sein. In gewissem Umfang darf der Gesetzgeber selbst entscheiden, was er führ gefährlich hält und was nicht. Diese „Tatsachenentscheidung“ ist nur sehr eingeschränkt von der Rechtsprechung überprüfbar.
Hinsichtlich der Frage, ob das Verbot dann auch wünschenswert ist, bin ich unentschieden.
Es erscheint mir einerseits schlicht zu kurz gegriffen, gerade und nur diese Spiele zu verbieten. Warum dann nicht Waffen — auch zur Jagd und zum Sport — generell verbieten? Oder schwarze Mäntel? Sonnenbrillen? Außerdem behagt mir nicht, dass der Staat hier wieder in der typischen Rolle des Leviathan, des Wächters über das Denken und Handeln seiner Untertanen, tätig wird. Die Freizeitgestaltung des Einzelnen sollte der Aufsicht entzogen sein, solange eben nicht in Rechte Dritter eingegriffen wird — der reine Genuss von Computerspielen tut das aber noch nicht.
Andererseits missfällt mir das Welt- und Menschenbild, das in „Killerspielen“ vermittelt wird, ganz außerordentlich. Es fällt mir in der Tat schwer, mir vorzustellen, dass jemand, der über Jahre hinweg diesen Einflüssen ausgesetzt ist, keinen Realitätsverlust vermeidet. Nur: das ist beim Genuss von Alkohol ähnlich.
Uneingeschränkt anschließen kann ich mich in jedem Fall dem Vorschlag von Christian, das Übel doch an der Wurzel zu packen, und nicht Ego-Shooter, sondern gleich Amokläufe als solche zu verbieten…
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