TV-Werbung muss, meint das EU-Parlament, „ethisch und/oder rechtlich verbindlichen Regeln“ unterliegen. Wer jetzt meint, das hieße nur, dass nicht belogen und betrogen werden dürfe, der irrt – und das würde ja auch das Wettbewerbsrecht regeln. Vielmehr geht es dem EU-Parlament darum, gegen Werbespots vorzugehen, die „diskriminierende oder entwürdigende Botschaften auf der Grundlage von Geschlechterstereotypen vermitteln“. Darunter mag man vieles verstehen und die Formulierung ist erdenklich breit. Die menschliche Würde mag – je nach Blickwinkel – recht schnell verletzt sein. Jedenfalls kann man unter einem „unwürdigen Stereotyp“ durchaus schon mal die Hausfrau subsumieren, die kein Anti-Kalkmittel für die Waschmaschine verwendet hat (Dummchen aber auch!) und jetzt den Monteur kommen lassen muss. Entsprechend harsch formuliert es der Spiegel: „EU-Parlament fordert Fernsehwerbung ohne Heimchen“. Und damit hat er recht: solche allgemein gehaltenen Klauseln enden typischerweise genau an einer solchen Stelle.
Ich tue mich mit der EU-Parlaments-Idee sehr schwer. Zwar billige ich ausdrücklich den verfolgten Zweck, aber gut gemeint ist eben nicht genug. Ich halte das Vorhaben rechtlich für fragwürdig und sachlich für Unsinn. Den hinter der Idee stehende Gedanken finde ich sogar ausgesprochen gefährlich.
Rechtlich meine ich zunächst, dass es schwierig wird, ein solches Vorhaben mit dem Recht auf die Freiheit der Meinungsäußerung in Einklang zu bringen, das nun einmal auch Werbetreibenden zusteht. Denn es gibt ja tatsächlich Geschlechterrollen, typische Verhaltensmuster, typische Beschäftigung. Oder ein wenig konkreter: es gibt das Heimchen am Herd und es gibt die Zahnarztfrau. Das ist keine Erfindung sondern ein Stück weit auch eine Abbildung des Tatsächlichen. Genau deshalb funktioniert diese Art von Werbung übrigens. Wenn man Werbetreibenden nun verbietet, diese Dinge zu zeigen, dann gibt man ihnen auf, statt der Realität oder eines Ausschnitts daraus ein Wunschbild zu fabrizieren. Man macht aus privater Werbung Erziehungsfernsehen im staatlichen Auftrag. Das hinterlässt in meinem Mund jedenfalls einen schalen Beigeschmack.
Ich meine auch nicht, dass man argumentieren kann, das die Realität durch die besondere Betonung bestimmter Leitbilder verzerrt dargestellt wird. Wollte man das verhindern, dann müsste man eine Hausfrauenquote im Werbefernsehen einführen: auf jede waschende Hausfrau kommt eine waschende buddhistische Karrieristin oder wahlweise auch zwei waschende türkische Gemüsehändler (einer älter als 50). Man könnte auch gleich noch eine Bildungsschichten‑, Ausländer- und Behindertenquote einführen. Nur, wie soll das ein Werbetreibender einhalten? Oder soll es übergreifend über die gesamte Werbebranche gelten, so dass man als Werbtreibender erst einmal eine Hausfrauen-Quotenberechtigung ersteigern (so wie ein Kohlekraftwerk ein CO2-Zertifikat)?
Ich halte auch den Ansatz, Werbetreibende auf ein bestimmtes Leitbild verpflichten zu wollen, für überaus anmaßend. Denn hier wird die Vorstellung, die Politiker davon haben, wie das Leben von Privatpersonen aussehen sollte, praktisch allgemeinverbindlich gemacht. Denn mit einer Einschränkung der Darstellung bestimmter Klischees erreicht man doch nicht ein Ende von Diskriminierung, sondern bestenfalls die Diskreditierung bestimmter Lebensstile. Man sollte aber anerkennen, dass – auch wenn ich persönlich von einer Hausfrauenkarriere nicht viel halte – es Menschen gibt, die das anders sehen. Und das ist ihr gutes Recht. In der persönlichen Lebensplanung – und damit eben mittelbar der Frage, welche Zielgruppe Werbung ansprechen darf – hat der Staat schlicht und ergreifend nichts verloren.
Ich will Vorhaben wie diese angedachte Werbe-TV-Bereinigung nicht dämonisieren. All das wäre kein Weltuntergang. Allerdings vermeine ich hinter diesem und vergleichbaren Projekten immer mehr den Drang von Staat und Politik zu verspüren, ihren Bürgern vorzuschreiben, wie sie zu leben haben, was richtig und angemessen ist. Von daher ist es nicht mehr weit zur Ab- und Ausgrenzung von allem, was nicht in dieses Schema passt. Ich glaube, dass in all diesen Dingen Grenzen überschritten werden, die besser gewahrt werden sollten. In meinem Lebensentwurf wünsche ich keine staatliche Mitsprache, und dieses Recht billige ich auch anderen zu, sogar – mittelbar – der werbetreibenden Wirtschaft. Wir sollten uns daran erinnern, dass die Freiheitsrechte – das sind die diese Textpassagen am Anfang des Grundgesetzes – zuallererst Recht der Bürger sind, vom Staat in Ruhe gelassen zu werden. Freiheit vom Staat, nicht Diktatur durch den Staat.
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