Der BFH hat den Begriff der „Beteiligung“ zur Berechnung der Beteiligungsschwelle für sog. Streubesitzdividenden (10 %) definiert. Deutschlands höchste Finanzrichter stellten klar, dass das wirtschaftliche Eigentum an den Anteilen entscheidend ist. Ein SNP-Team hat die klagende GmbH in dem Verfahren vor dem BFH vertreten.
Die GmbH, die später klagte, war zunächst unter 10 Prozent an einer AG beteiligt. Im Dezember 2013 schloss sie einen Kauf- und Übertragungsvertrag ab, der sie über die 10-Prozent-Hürde brachte und unter der aufschiebenden Bedingung der Kaufpreiszahlung stand. Die Kaufpreiszahlung und damit der Übertrag des zivilrechtlichen Eigentums erfolgten erst im Jahr 2014.
Streitig war, ob die GmbH im Jahr 2014 zugeflossene Dividenden gemäß § 8b Abs. 1 Satz 1 Körperschaftsteuergesetz (KStG) steuerfrei vereinnahmen konnte oder ob es sich um Streubesitzdividenden i.S.d. § 8b Abs. 4 Satz 1 KStG handelte, die steuerpflichtig sind. Nach der Ausnahmeregelung sind Bezüge aus der Beteiligung an anderen Körperschaften und Personenvereinigungen ausnahmsweise steuerpflichtig, wenn die Beteiligung einer Kapitalgesellschaft zu Beginn des Kalenderjahres unmittelbar weniger als 10% des Grund- oder Stammkapitals der Beteiligungsgesellschaft beträgt.
Die GmbH stellte sich, beraten und vertreten von den SNP-Partnern Peter Fabry und Peter Muth, auf den Standpunkt, maßgeblich sei nicht die zivilrechtliche Rechtslage, sondern die wirtschaftliche Betrachtungsweise. Da das wirtschaftliche Eigentum bereits im Dezember 2013 auf die GmbH übergegangen sei, sei diese zu Beginn des Jahres 2014 zu mehr als 10 Prozent an der AG beteiligt gewesen. Im Juni gaben Deutschlands höchste Finanzrichter ihr Recht, das Urteil wurde im September veröffentlicht.
BFH: Verkäufer darf wirtschaftlich keinen Einfluss mehr haben
Der Bundesfinanzhof (BFH) entschied, dass es für die Berechnung der Beteiligungsschwelle für Streubesitzdividenden nach §8b Abs. 4 Satz 1 KStG auf das wirtschaftliche Eigentum an den Anteilen ankommt (Urt. v. 07.06.2023, Az. I R 50/19). Der Begriff „Beteiligung“ beziehe sich auf die allgemeinen Grundsätze der steuerrechtlichen Zurechnung von Wirtschaftsgütern nach § 39 Abgabenordnung (AO). Dabei bestätigte der BFH seine ständige Rechtsprechung im Hinblick auf den Übergang des wirtschaftlichen Eigentums beim Erwerb von Wertpapieren. Es kommt laut dem I. Senat darauf an, wem nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse die wirtschaftliche Dispositionsbefugnis zusteht. Dabei müsse der Erwerber die „Rechtsmacht“ vom Inhaber des Wertpapiers ableiten, der Verkäufer somit von der wirtschaftlichen Inhaberschaft ausgeschlossen sein.
Nach diesem Maßstab war die von Peter Fabry und Peter Muth vertretene GmbH am 1. Januar 2014 wirtschaftliche Eigentümerin der Anteile. Denn sie hatte bereits ein Anwartschaftsrecht erlangt, das der Veräußerer ihr nicht mehr einseitig entziehen konnte. Dass die mit den Aktien verbundenen Verwaltungsrechte (vor allem die Stimmrechte) noch nicht übergangen seien, erklärte der BFH dagegen für irrelevant. Denn es habe allein in der Hand der GmbH als Erwerberin gelegen, den bereits fälligen Kaufpreis zu bezahlen, damit die aufschiebende Bedingung eintreten zu lassen und die Stimmrechte vollständig an sich zu ziehen.
Praxistipp: Auf den Übergang des wirtschaftlichen Eigentums achten
Die praktische Bedeutung der Entscheidung ist enorm, da sie die für Transaktionen häufig relevante Frage aufgreift, wann für steuerliche Zwecke Anteile übergehen. In seinem wegweisenden Urteil stellt der BFH klar, dass der Begriff „Beteiligung“ bei der Berechnung der Beteiligungsschwelle des § 8b Abs. 4 Satz 1 KStG für sog. Streubesitzdividenden (10 %) auf die allgemeinen Grundsätze der steuerrechtlichen Zurechnung von Wirtschaftsgütern (§ 39 AO) Bezug nimmt.
Entscheidend ist somit das wirtschaftliche Eigentum an den Anteilen. Nach § 39 AO ist ein Wirtschaftsgut demjenigen zuzurechnen, der die tatsächliche Herrschaft über dieses Wirtschaftsgut in der Weise ausübt, dass er den (zivilrechtlichen) Eigentümer im Regelfall für die gewöhnliche Nutzungsdauer von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut wirtschaftlich ausschließen kann.
Für die steuerliche Beratungspraxis bedeutet das, bei Anteilskauf- und Übertragungsverträgen darauf zu achten, dass zumindest das wirtschaftliche Eigentum im Sinne des § 39 AO auf den Erwerber übergeht.
Peter Fabrys Beratungsschwerpunkte liegen in der nationalen und internationalen Steuergestaltungsberatung von größeren mittelständischen Unternehmen, im Immobiliensteuerrecht, der Vermögens- und Nachfolgeplanung für Unternehmen und Privatpersonen sowie in der Steuerabwehrberatung. Als zertifizierter Berater für Steuerstrafrecht (DAA) gilt sein besonderes Augenmerk der Vermeidung von steuerstrafrechtlichen Tatbeständen sowie der Tax Compliance.
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