Wohnraummietrecht: Keine fristlose Kündigung ohne Pflichtverletzung

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Mietrecht | 8. Mai 2024
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Allein ein zer­rüt­tetes Mietver­hält­nis und selb­st eine Strafanzeige gegen die Ver­mi­eterin recht­fer­ti­gen keine außeror­dentliche frist­lose Kündi­gung. Der BGH bescheinigte ein­er Ver­mi­eterin, es sei ihr nicht unzu­mut­bar, dass die Mieterin bleibt, obwohl der Kon­flikt im Miet­shaus bere­its seit Jahren schwelte.

Mit Urteil vom 29.11.2023 (Az. VIII ZR 211/22) hat der Bun­des­gericht­shof (BGH) klargestellt, dass allein eine Zer­rüt­tung des Mietver­hält­niss­es keine außeror­dentlich frist­lose Kündi­gung gemäß § 543 Abs. 1 BGB recht­fer­tigt, wenn die Mieterin sich nicht tat­säch­lich nach­weis­bar pflichtwidrig ver­hal­ten hat. Auch eine Strafanzeige gegen die Ver­mi­eterin begrün­det keine frist­lose Kündi­gung, wenn die Mieterin damit eigene berechtigte Inter­essen wahrn­immt.

Die kla­gende Ver­mi­eterin und die beklagte Mieterin, über deren Rechtsstre­it der Bun­des­gericht­shof (BGH) zu entschei­den hat­te, bewohnen das­selbe Haus. Dort kam es schon seit eini­gen Jahren regelmäßig zu Auseinan­der­set­zun­gen zwis­chen den Mietver­tragsparteien wegen ange­blich­er bei­d­seit­iger Ver­tragsver­let­zun­gen. Nach­dem die Ver­mi­eterin behauptet hat­te, die Mieterin hätte sich ras­sis­tisch gegenüber Aus­län­dern geäußert, erstat­tete die Mieterin Strafanzeige gegen ihre Ver­mi­eterin wegen Ver­leum­dung. Der Vor­wurf der ras­sis­tis­chen Äußerun­gen erwies sich als unwahr.

Den­noch nahm die Ver­mi­eterin die Strafanzeige zum Anlass, der Mieterin außeror­dentlich frist­los, hil­f­sweise ordentlich zu kündi­gen. Als Begrün­dung nan­nte sie die durch die Strafanzeige verur­sachte unzu­mut­bare Zer­rüt­tung des Mietver­hält­niss­es und Zer­störung des Ver­trauensver­hält­niss­es.

Nach­dem schon ihre Klage auf Räu­mung und Her­aus­gabe der Miet­sache bere­its in den Instanzen (AG Brühl, Urt. 26.10.2021, Az. 24 C 46/21, LG Köln (Urt. v. 08.09.2022, Az. 1 S 22/22) erfol­g­los war, hat­te auch die zuge­lassene Revi­sion der Ver­mi­eterin vor dem BGH keinen Erfolg.

 

BGH: Keine Kündi­gung ohne pflichtwidriges Mieter­ver­hal­ten

Der BGH führt aus, dass es im Wohn­raum­mi­etrecht für eine frist­lose Kündi­gung grund­sät­zlich nicht genügt, dass das Mietver­hält­niss­es in dem Sinne zer­rüt­tet ist, dass seine Ver­trauensgrund­lage zer­stört ist. Der andere Ver­trag­steil müsste sich laut den ober­sten Zivil­richtern vielmehr zumin­d­est auch pflichtwidrig ver­hal­ten haben und dieses pflichtwidrige Ver­hal­ten müsse die Ursache für die Zer­rüt­tung des Mietver­hält­niss­es gewe­sen sein.

Denn gemäß § 543 Abs. 1 BGB liegt eine Zer­rüt­tung des Mietver­hält­niss­es grund­sät­zlich nur dann vor, wenn dem Kündi­gen­den, hier der Ver­mi­eterin, unter Berück­sich­ti­gung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwä­gung bei­d­seit­iger Inter­essen die Fort­set­zung des Mietver­hält­niss­es nicht mehr zuge­mutet wer­den kann. Denn im Wohn­raum­mi­etver­hält­nis genießt die Mieter­partei einen beson­deren Schutz.

Da die Auseinan­der­set­zun­gen zwis­chen den zer­strit­te­nen Prozess­parteien in diesem Fall auf Gegen­seit­igkeit­en beruht­en, sind diese laut dem BGH nicht allein der Mieterin zuzuschreiben. Im Gegen­teil: Durch die wahrheitswidri­gen Ras­sis­musvor­würfe hat die Ver­mi­eterin selb­st nicht in uner­he­blichem Maße gegen ihre mietver­traglichen Pflicht­en ver­stoßen.

Auch dass Mieterin und Ver­mi­eterin sich schon länger strit­ten, recht­fer­tigt laut dem BGH keine frist­lose Kündi­gung. Denn die Tat­sache, dass ein Kon­flikt der Mietver­tragsparteien lange andauert, kann laut dem BGH allein eben­falls nicht zu ein­er die außeror­dentliche frist­lose Kündi­gung recht­fer­ti­gen­den Zer­rüt­tung des Ver­trauensver­hält­niss­es führen.

Das Urteil des BGH verdeut­licht, dass Ver­mi­eter von Wohn­raum sich nicht ein­fach darauf berufen kön­nen, dass das Ver­trauen zum Mieter beschädigt und das Mietver­hält­nis zer­rüt­tet sei. Ein­mal mehr zeigt der BGH sich mieter­fre­undlich, es braucht ein konkretes pflichtwidriges Ver­hal­ten, um sich von einem unlieb­samen Mieter zu lösen. Die Spiel­räume dafür sind mit diesem Urteil noch ein­mal klein­er gewor­den.

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