Am 21. Juni war Welt-Selfie-Tag – ein Aktionstag, der sich mittlerweile fest in den sozialen Netzwerken etabliert hat. Millionen Menschen nutzten die Gelegenheit, um Selbstporträts aus Urlaub, Alltag oder dem Berufsleben zu posten. Dabei wird jedoch häufig übersehen: Viele dieser Bilder zeigen nicht nur das eigene Gesicht, sondern auch Kollegen, Fremde, Kinder oder markante Orte. Aus rechtlicher Sicht handelt es sich dabei nicht um harmlose Schnappschüsse, sondern um potenzielle Auslöser für Unterlassungsansprüche, datenschutzrechtliche Beschwerden oder Schadensersatzforderungen.
Ein Rückblick auf den Selfie-Tag 2025 gibt Anlass, die rechtlichen Grundlagen und Risiken im Umgang mit Selfies – insbesondere deren Veröffentlichung – systematisch zu beleuchten.
Veröffentlichung von Selfies: Was juristisch zählt
Ein Selfie wird in dem Moment rechtlich relevant, in dem es mit anderen Personen geteilt oder öffentlich zugänglich gemacht wird. Entscheidend ist dabei nicht, ob das Bild privat gemeint war, sondern ob es Dritten zugänglich gemacht wurde – etwa durch einen Post auf Instagram, TikTok oder LinkedIn. Auch innerhalb geschlossener Gruppen oder WhatsApp-Chats kann unter Umständen bereits eine „Verbreitung“ im Sinne des Gesetzes vorliegen.
Im Mittelpunkt steht § 22 Kunsturhebergesetz (KunstUrhG), der das sogenannte „Recht am eigenen Bild“ schützt. Danach gilt: Bildnisse dürfen grundsätzlich nur mit Einwilligung der abgebildeten Person(en) veröffentlicht werden.
Das betrifft nicht nur Fotos, auf denen Personen deutlich im Vordergrund stehen. Auch im Hintergrund erkennbare Gesichter – etwa auf Konzerten, am Arbeitsplatz oder in Restaurants – reichen aus, um eine Einwilligung erforderlich zu machen. Die Gerichte stellen dabei konsequent auf die Erkennbarkeit aus Sicht des sozialen Umfelds ab.
Wann ist eine Einwilligung wirksam?
Die Einwilligung kann ausdrücklich (mündlich oder schriftlich) oder konkludent (also durch schlüssiges Verhalten) erfolgen. Letzteres ist juristisch nicht ganz unproblematisch, denn die Anforderungen an eine schlüssige Einwilligung sind hoch. Bloßes „Dabeistehen“ oder Mitlachen bei der Aufnahme genügt hierfür nicht. Die Rechtsprechung verlangt in der Regel eine aktive Mitwirkung an der Entstehung und einen klar erkennbaren Willen zur Veröffentlichung.
Hinzu kommt: Die Einwilligung muss sich auf die konkrete Form der Veröffentlichung beziehen. Wer einem privaten Foto zustimmt, hat damit nicht automatisch auch der Veröffentlichung in sozialen Netzwerken oder auf der Firmenwebseite zugestimmt. Besonders problematisch sind sogenannte „Taggings“, also Verlinkungen mit Namen oder Profilen, sowie Kontexte, die nachträglich als entwürdigend oder irreführend empfunden werden können.
Ausnahmen von der Einwilligungspflicht: § 23 KunstUrhG
Das Gesetz kennt einige Ausnahmen, bei denen keine Einwilligung nötig ist, geregelt in § 23 Abs. 1 KunstUrhG. In der Praxis spielen vor allem drei Fallgruppen eine Rolle:
Diese Ausnahmen werden durch § 23 Abs. 2 KunstUrhG eingeschränkt: Sobald ein „berechtigtes Interesse“ der betroffenen Person verletzt wird, entfällt die Ausnahme. Das gilt etwa bei entwürdigenden Zusammenhängen, ungewollten politischen Bezügen oder Eingriffen in die Privatsphäre.
Fazit: Die Ausnahmen sind eng auszulegen und bieten in vielen Alltagssituationen keine Rechtssicherheit.
Selfies mit Kindern: besonders sensibel
Kinder und Jugendliche stehen unter besonderem rechtlichem Schutz. Die Veröffentlichung von Bildern Minderjähriger ist nur mit Einwilligung der Sorgeberechtigten zulässig.
Zwar erlaubt die DSGVO Jugendlichen ab 16 Jahren, in bestimmten digitalen Kontexten, eigenständig einzuwilligen – zum Beispiel bei der Nutzung von Plattformen oder Apps. Für die Veröffentlichung durch Dritte ist jedoch in der Regel weiterhin die Zustimmung der Eltern erforderlich. Neben dem KunstUrhG sind hierbei insbesondere die datenschutzrechtlichen Bestimmungen der DSGVO und des BDSG maßgeblich.
Selfies am Arbeitsplatz: Loyalitätspflicht und Mitbestimmung
Ein besonderes Risiko besteht, wenn Selfies im beruflichen Umfeld aufgenommen werden, insbesondere, wenn Dritte auf dem Bild zu sehen sind oder interne Informationen erkennbar bleiben.
Dies betrifft insbesondere:
Nach der Rechtsprechung kann bereits die Veröffentlichung betrieblicher Inhalte ohne Freigabe eine Verletzung der arbeitsvertraglichen Rücksichtnahmepflicht darstellen. In vielen Unternehmen werden Social-Media-Verhaltensregeln durch Betriebsvereinbarungen mitbestimmt, bei Verstößen drohen eine Abmahnung oder im Wiederholungsfall sogar eine Kündigung.
Unzulässige Veröffentlichung: Die Rechtsfolgen im Überblick
Wer Selfies mit anderen Personen ohne gültige Einwilligung veröffentlicht, riskiert:
Die Gerichte messen der Frage, ob eine Einwilligung vorlag, großes Gewicht bei. Die Beweislast liegt beim Veröffentlichenden. Daher empfiehlt sich eine schriftliche oder dokumentierte Zustimmung – auch bei scheinbar harmlosen Bildern.
Fazit: Selfie-Tag vorbei, rechtliche Risiken bleiben
Auch wenn der Welt-Selfie-Tag 2025 bereits vergangen ist: Die rechtlichen Fragen rund um das Recht am eigenen Bild bleiben aktuell. Die Grenze zwischen Selbstdarstellung und Persönlichkeitsverletzung ist oft schmal und von außen nicht immer klar zu erkennen.
Gerade in beruflichen Kontexten, bei Veranstaltungen oder im Umgang mit Kindern gilt: Wer Selfies veröffentlicht, trägt Verantwortung und sollte sorgfältig prüfen, ob alle abgebildeten Personen zugestimmt haben.
Für Unternehmen ist es ratsam, klare Social-Media-Richtlinien zu formulieren und die Beschäftigten regelmäßig für Fragen rund um Bildrechte und Datenschutz zu sensibilisieren. Denn bereits ein einziges unbedachtes Foto kann schnell zu einem Fall für das Gericht oder die Aufsichtsbehörde werden.
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