Erbschaftsteuer: Finanzgericht akzeptiert Bewertungsabschlag bei Miteigentumsanteilen

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Steuerrecht | 11. September 2025
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Wenn man erbt, ver­dient der Staat meist mit, die Erb­schaft­steu­er folgt auf dem Fuße. Ein Mit­ei­gen­tums­an­teil an einem Grund­stück kann im Rah­men der Erb­schaft­steu­er nied­ri­ger bewer­tet wer­den als der rech­ne­ri­sche Bruch­teil des Gesamt­werts, ent­schied das Finanz­ge­richt Müns­ter im Jahr 2022. Es erkann­te damals einen im Gut­ach­ten ermit­tel­ten Markt­an­pas­sungs­ab­schlag von 20 % an (FG Müns­ter, Urt. v. 24.11.2022, Az. 3 K 1201/21 F).

 

Nach Auf­fas­sung des Gerichts eröff­net die im Jahr 2021 im Zuge der Grund­steu­er­re­form neu gefass­te Norm des § 198 Bewer­tungs­ge­setz (BewG) die Mög­lich­keit, auch bei einem Mit­ei­gen­tums­an­teil einen nied­ri­ge­ren gemei­nen Wert nach­zu­wei­sen. Nach die­ser Ent­schei­dung stellt ein Mit­ei­gen­tums­an­teil eine eige­ne wirt­schaft­li­che Ein­heit dar. Die frü­he­re Recht­spre­chung des BFH, wonach stets der rech­ne­ri­sche Bruch­teil maß­geb­lich war, sei auf die gel­ten­de Geset­zes­la­ge nicht ohne Wei­te­res über­trag­bar, so die Müns­te­ra­ner Finanz­rich­ter im Jahr 2022. Sie beton­ten, dass das Bewer­tungs­ge­setz ange­sichts mög­li­cher Über­be­wer­tun­gen typi­sie­rend arbei­te, aber § 198 BewG Aus­nah­men von die­ser Typi­sie­rung aus­drück­lich zuguns­ten indi­vi­du­el­ler Beweis­füh­rung gestat­tet.

Das im dama­li­gen Rechts­streit vor­ge­leg­te Gut­ach­ten hat­te die ein­ge­schränk­te Markt­gän­gig­keit und redu­zier­te wirt­schaft­li­che Ver­wert­bar­keit sol­cher Antei­le metho­disch aner­kannt berück­sich­tigt. Sol­che Antei­le lie­ßen sich nicht ohne Wei­te­res wie Voll­ei­gen­tum ver­äu­ßern, stell­te das Gericht fest.

 

Revi­si­on zurück­ge­nom­men

Die Finanz­ver­wal­tung leg­te dage­gen Revi­si­on zum BFH ein, hat die­se aber jetzt zurück­ge­nom­men. Damit ist das Urteil aus Müns­ter rechts­kräf­tig, ohne dass der BFH eine Ent­schei­dung getrof­fen hät­te. Man darf aber ver­mu­ten, dass die Finanz­ver­wal­tung das Rechts­mit­tel nicht ohne Grund zurück­ge­nom­men hat, der BFH dürf­te ange­deu­tet haben, der Revi­si­on nicht statt­zu­ge­ben.

Selbst­ver­ständ­lich war das nicht. Anders als das FG Müns­ter hat­te das FG Mün­chen in einer frü­he­ren Ent­schei­dung (Urteil vom 25.02.2015, Az. 4 K 3683/12) einen sol­chen Markt­an­pas­sungs­ab­schlag abge­lehnt. Das Gericht hat­te dar­auf abge­stellt, dass der Wert des Mit­ei­gen­tums­an­teils grund­sätz­lich als rech­ne­ri­scher Bruch­teil des Gesamt­ver­kehrs­werts anzu­set­zen sei, indi­vi­du­el­le Abschlä­ge auf­grund man­geln­der Markt­gän­gig­keit hielt es für nicht zuläs­sig. Ver­ein­zelt wird auch in der Lite­ra­tur die­se restrik­ti­ve Sicht ver­tre­ten, die bis­he­ri­ge BFH-Recht­spre­chung ten­dier­te eben­falls dazu, auf den rech­ne­ri­schen Anteil abzu­stel­len.

 

Kla­res Signal für einen nied­ri­ge­ren Wert für Mit­ei­gen­tums­an­tei­le

Die Ent­schei­dung des FG Müns­ter zeigt jedoch einen neu­en Weg auf, der pra­xis­re­le­van­ter erscheint und stär­ker an tat­säch­li­che Markt­ge­ge­ben­hei­ten anknüpft. Das Urteil aus West­fa­len ent­fal­tet kei­ne bun­des­wei­te Bin­dungs­wir­kung, hat aber eine durch­aus erheb­li­che Signal­wir­kung: Es zeigt, dass Finanz­ge­rich­te bereit sind, Markt­an­pas­sungs­ab­schlä­ge zu akzep­tie­ren, wenn die­se durch ein schlüs­si­ges Gut­ach­ten belegt wer­den. Steu­er­pflich­ti­ge haben so eine rea­le Mög­lich­keit, für Mit­ei­gen­tums­an­tei­le einen nied­ri­ge­ren Wert gel­tend zu machen.

Auch wenn eine ein­heit­li­che höchst­rich­ter­li­che Linie noch fehlt, macht die Rück­nah­me der Revi­si­on die­se Recht­spre­chung vor­läu­fig zur maß­geb­li­chen Ori­en­tie­rung für die Pra­xis. Erb­schaft­steu­er­pflich­ti­ge kön­nen sich im Streit­fall auf die­se Linie stüt­zen, sofern sie ein qua­li­fi­zier­tes Gut­ach­ten vor­le­gen kön­nen, das die feh­len­de Markt­gän­gig­keit und beschränk­te Ver­wert­bar­keit des Mit­ei­gen­tums­an­teils empi­risch und sach­ver­stän­dig belegt. Die Tür zur Aner­ken­nung indi­vi­du­el­ler Wert­min­de­run­gen bei Mit­ei­gen­tums­an­tei­len ist damit fak­tisch geöff­net — jeden­falls bis auf Wei­te­res.

Inso­weit eröff­net die­ses Urteil gege­be­nen­falls auch Gestal­tungs­mög­lich­kei­ten bei der Über­tra­gung von Immo­bi­li­en­ver­mö­gen. Sei es im Rah­men der vor­ge­la­ger­ten Bil­dung von Mit­ei­gen­tum oder der Über­tra­gung von Antei­len an grund­be­sit­zen­den ver­mö­gens­ver­wal­ten­den Gesell­schaf­ten.

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