“.ag” als Internetdomain für Nicht-Aktiengesellschaften?

Onlinerecht | 20. Juli 2004
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Eine inter­es­san­te Facet­te des Domain­rechts — wenn auch kei­ne wirk­lich neue oder über­ra­schen­de — beleuch­tet ein Urteil (via aufrecht.de) des Han­sea­ti­schen Ober­lan­des­ge­richts, das ja für inter­es­san­te (in jedem Sin­ne) Ent­schei­dun­gen bekannt ist (hier: Urteil vom 16 Juni 2004, AZ 5 U 162/03). Die im Ver­fah­ren Beklag­te, ein Unter­neh­men, das Lot­to-Tipp­ge­mein­schaf­ten unter der Bezeich­nung “Tipp-Abga­ben­ge­mein­schaft” orga­ni­siert, hat­te sich im Inter­net unter der Domain “tipp.ag” prä­sen­tiert. Die Klä­ge­rin, eine staat­li­che Inter­net-Lot­to-Annah­me­stel­le, woll­te errei­chen, dass die Beklag­te “tipp.ag” nicht mehr als geschäft­li­che Bezeich­nung — und damit eben auch nicht als Domain — ver­wen­den darf. Mit die­sem Antrag hat­te sie Erfolg.

Die Domain­endung “.ag” ist die Coun­try-Code-TLD von Anti­gua. Nach deut­schem Ver­ständ­nis ist “AG” aber eben auch die Abkür­zung für “Akti­en­ge­sell­schaft”. Das Han­sea­ti­sche OLG sah nun in der Ver­wen­dung der TLD “.ag” eine Täu­schung der Kun­den und Inter­es­sen­ten der Beklag­ten über deren Unter­neh­mens­form — denn die­se war gera­de kei­ne Akti­en­ge­sell­schaft. So eine Täu­schung ist nach § 3 UWG (alter Fas­sung) unzu­läs­sig.

Mit dem (in der Tat fein­sin­ni­gen) Argu­ment, “AG” kön­ne eine Viel­zahl von Bedeu­tun­gen haben und man selbst sei ja eben eine “Abga­ben­ge­mein­schaft” wur­de die Beklag­te nicht gehört. Das Gericht stellt dabei auf den Kon­text ab, aus dem sich die kon­kre­te Bedeu­tung von “AG” erschließt: “Tritt dem Ver­kehr in einem juris­ti­schen Kon­text der Begriff ‘AG Ham­burg-Blan­ken­see’ ent­ge­gen, hat er kei­ne Ver­an­las­sung, an eine Arbeits­ge­mein­schaft, eine Akti­en­ge­sell­schaft oder gar an die Abkür­zung für Sil­ber zu den­ken. Er wird nahe lie­gend die Abkür­zung für ‘Amts­ge­richt’ ver­mu­ten.” Im kon­kre­ten Fall las­se der Kon­text den Ver­kehr eben eine “Akti­en­ge­sell­schaft” ver­mu­ten.

Die irre­füh­ren­de Anga­be war im Fall auch wett­be­werb­lich rele­vant. Der Inter­es­sent und poten­ti­el­le Lot­to­spie­ler sieht ja zunächst nur die Inter­net­sei­te der Beklag­ten, er kennt das dahin­ter ste­hen­de Unter­neh­men nicht. Er wird bei einer AG im Zwei­fel eine viel höhe­re Serio­si­tät ver­mu­ten, als etwa bei einer GmbH oder GbR.

Wirk­lich über­ra­schen kommt — ent­ge­gen man­cher Kom­men­ta­re — die­ses Urteil nicht. Es wer­den auch kei­nes­wegs alle Grund­sät­ze des Domain­rechts auf den Kopf gestellt; im übri­gen behan­delt das Urteil umfas­send nicht nur Fra­gen eben des Domain­rechts, son­dern ganz all­ge­mein des Rechts der geschäft­li­chen Bezeich­nun­gen. Und die­se dür­fen eben nicht irre füh­ren, weder off- noch online. Kon­se­quen­ter­wei­se hat das OLG die Revi­si­on nicht zuge­las­sen, es ver­mag kei­ne Abkehr von Alt­be­kann­tem erken­nen.

Gefun­den bei der Hand­ak­te.

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