Eine interessante Facette des Domainrechts — wenn auch keine wirklich neue oder überraschende — beleuchtet ein Urteil (via aufrecht.de) des Hanseatischen Oberlandesgerichts, das ja für interessante (in jedem Sinne) Entscheidungen bekannt ist (hier: Urteil vom 16 Juni 2004, AZ 5 U 162/03). Die im Verfahren Beklagte, ein Unternehmen, das Lotto-Tippgemeinschaften unter der Bezeichnung “Tipp-Abgabengemeinschaft” organisiert, hatte sich im Internet unter der Domain “tipp.ag” präsentiert. Die Klägerin, eine staatliche Internet-Lotto-Annahmestelle, wollte erreichen, dass die Beklagte “tipp.ag” nicht mehr als geschäftliche Bezeichnung — und damit eben auch nicht als Domain — verwenden darf. Mit diesem Antrag hatte sie Erfolg.
Die Domainendung “.ag” ist die Country-Code-TLD von Antigua. Nach deutschem Verständnis ist “AG” aber eben auch die Abkürzung für “Aktiengesellschaft”. Das Hanseatische OLG sah nun in der Verwendung der TLD “.ag” eine Täuschung der Kunden und Interessenten der Beklagten über deren Unternehmensform — denn diese war gerade keine Aktiengesellschaft. So eine Täuschung ist nach § 3 UWG (alter Fassung) unzulässig.
Mit dem (in der Tat feinsinnigen) Argument, “AG” könne eine Vielzahl von Bedeutungen haben und man selbst sei ja eben eine “Abgabengemeinschaft” wurde die Beklagte nicht gehört. Das Gericht stellt dabei auf den Kontext ab, aus dem sich die konkrete Bedeutung von “AG” erschließt: “Tritt dem Verkehr in einem juristischen Kontext der Begriff ‘AG Hamburg-Blankensee’ entgegen, hat er keine Veranlassung, an eine Arbeitsgemeinschaft, eine Aktiengesellschaft oder gar an die Abkürzung für Silber zu denken. Er wird nahe liegend die Abkürzung für ‘Amtsgericht’ vermuten.” Im konkreten Fall lasse der Kontext den Verkehr eben eine “Aktiengesellschaft” vermuten.
Die irreführende Angabe war im Fall auch wettbewerblich relevant. Der Interessent und potentielle Lottospieler sieht ja zunächst nur die Internetseite der Beklagten, er kennt das dahinter stehende Unternehmen nicht. Er wird bei einer AG im Zweifel eine viel höhere Seriosität vermuten, als etwa bei einer GmbH oder GbR.
Wirklich überraschen kommt — entgegen mancher Kommentare — dieses Urteil nicht. Es werden auch keineswegs alle Grundsätze des Domainrechts auf den Kopf gestellt; im übrigen behandelt das Urteil umfassend nicht nur Fragen eben des Domainrechts, sondern ganz allgemein des Rechts der geschäftlichen Bezeichnungen. Und diese dürfen eben nicht irre führen, weder off- noch online. Konsequenterweise hat das OLG die Revision nicht zugelassen, es vermag keine Abkehr von Altbekanntem erkennen.
Gefunden bei der Handakte.
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