Großer Lauschangriff ganz klein

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Das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt hat heu­te ent­schie­den, dass ein erheb­li­cher Teil der Vor­schrif­ten der Straf­pro­zess­ord­nung zur Durch­füh­rung der akus­ti­schen Über­wa­chung von Wohn­raum zu Zwe­cken der Straf­ver­fol­gung („gro­ßer Lausch­an­griff“) nicht mit dem Grund­ge­setz zu ver­ein­ba­ren ist. Begrün­det wird dies im Wesent­li­chen damit, dass die der­zei­ti­ge Aus­ge­stal­tung der Wohn­raum­über­wa­chung das Gebot der Ach­tung und des Schut­zes der Men­schen­wür­de aus Art. 1 I Grund­ge­setz nicht genü­gend beach­tet. Das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt kon­kre­ti­siert in aller Deut­lich­keit die not­wen­di­gen Min­dest­an­for­de­run­gen.

Zunächst kommt eine Über­wa­chung von Woh­nun­gen nur noch zur Auf­klä­rung von beson­ders schwe­ren, näm­lich mit einer Höchst­stra­fe von mehr als fünf Jah­ren Frei­heits­stra­fe ver­se­he­nen, und im Gesetz ein­zeln kata­lo­gi­sier­ten Straf­ta­ten in Betracht. Das bedeu­tet, dass vie­le der Straf­ta­ten, die bis­her zu einem gro­ßen Lausch­an­griff berech­tig­ten, nun nicht mehr genü­gen, etwa der ein­fa­che Betrug.

Selbst wenn eine sol­che Straf­tat vor­liegt ist das Abhö­ren von Gesprä­chen mit engs­ten Fami­li­en­an­ge­hö­ri­gen, engs­ten Ver­trau­ten und etwa Pfar­rern, Ärz­ten und
Straf­ver­tei­di­gern zu unter­las­sen, sofern nicht gera­de Anhalts­punk­te für
deren Tat­be­tei­li­gung bestehen.

Der Ent­schei­dung ist unein­ge­schränkt bei­zu­pflich­ten. Der Kata­log der Straf­ta­ten, die eine Wohn­raum­über­wa­chung bis­her gestat­te­ten, war schlicht zu umfang­reich, um die umfas­sen­den Ein­grif­fe in die Frei­heits­rech­te der Bür­ger zu recht­fer­ti­gen. Dies umso mehr, als sich der Rich­ter­vor­be­halt als weit­ge­hend wir­kungs­los ent­pupp­te: die Anzahl der abge­lehn­ten Anträ­ge auf Wohn­raum­über­wa­chung liegt im Pro­mil­le­be­reich. Kon­se­quen­ter­wei­se hat das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt auch die Anfor­de­run­gen an die rich­ter­li­che Begrün­dung der Anord­nung einer Wohn­raum­über­wa­chung kon­kre­ti­siert.

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