Patent (auch) auf menschliche Zellen?

Patentrecht | 6. April 2004
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Bere­its am 26.11.2003 hat das Europäis­che Paten­tamt in München das Patent EP 1121015 betr­e­f­fend eines Ver­fahrens zur Tiefküh­lung von Bio-Mate­ri­alen erteilt, ins­beson­dere – das eröffnet der Text des Patents – Sper­mien, Eizellen und Blas­tozyten. Das Beson­dere an dem paten­tieren tech­nis­chen Ver­fahren ist, dass die betrof­fe­nen Mate­ri­alien sehr schnell und scho­nend einge­froren wer­den kön­nen, so dass deren Lebens­fähigkeit erhal­ten bleibt. Das Patent umfasst auch biol­o­gis­che Mate­ri­alien men­schlich­er Natur, denn die Patentschrift bezieht sich ganz aus­drück­lich auch auf solche Zellen: „The bio­log­i­cal spec­i­men of the present inven­tion can be any sort of viable bio­log­i­cal spec­i­men which is a liv­ing cell … Such pre­ferred cells can be from any desired mam­malian source, includ­ing but not lim­it­ed to: humans, non-human pri­mates …“.

Die Paten­terteilung hat Proteste und Diskus­sio­nen vielfältig­ster Art und ins­beson­dere auch den Ruf nach Geset­zesän­derun­gen aus­gelöst; vielfach wurde berichtet, von dem gewährten Schutzrecht wür­den auch men­schliche Zellen erfasst. Da es sich bei EP 1121015 um ein soge­nan­ntes Ver­fahrenspatent han­delt, ist tat­säch­lich nicht allein die paten­tiere tech­nis­che Vor­rich­tung geschützt, das Recht schließt vielmehr auch die direkt hergestell­ten Erzeug­nisse ein. Ob dadurch auch mit dem Ver­fahren bloß behan­delte Zellen, etwa men­schliche Eizellen, unter das Patent fall­en, ist zumin­d­est zweifel­haft: diese waren schon vorher in der Natur vorhan­den, sie wur­den wed­er mit Hil­fe der paten­tierten Erfind­ung hergestellt, noch aus ihrer natür­liche Umge­bung isoliert. Soweit das Patent in den Ansprüchen Nr. 16 und 17 tat­säch­lich biol­o­gis­ches Mate­r­i­al beansprucht, dürfte es schon aus den genan­nten Grün­den zu weit gehen und entsprechend angreif­bar sein.

Das erteilte Patent wirft aber auch in ander­er Hin­sicht inter­es­sante Fra­gen auf. So wird gefordert, dass Patente auf Lebe­we­sen generell nicht erteilt wer­den sollen. Das aber ist bere­its gel­tendes Recht, nach deutschem Recht etwa § 2 Nr. 2 PatG für Pflanzen und Tiere (als solche!); Patente, die gegen die guten Sit­ten ver­stoßen kön­nen generell nicht erteilt wer­den, § 2 Nr. 1 PatG; ana­log sieht dies Art 53 EPÜ für das Europäis­che Patent vor („inven­tions the pub­li­ca­tion or exploita­tion of which would be con­trary to … moral­i­ty“). Das meint ins­beson­dere Erfind­un­gen, die das Klo­nen von Men­schen etc. betr­e­f­fen.

Das rechtliche Instru­men­tar­i­um, um Patente, die ethisch frag­würdig sind, nicht erteilen zu müssen, ist damit in aus­re­ichen­dem Maße vorhan­den. Richtig ist, dass Gen­er­alk­lauseln wie der Begriff der „guten Sit­ten“ ein­er wer­tenden Aus­fül­lung bedür­fen, wie dies ja in weit­en Teilen durch die Richtilin­ie 98/44/EG über den rechtlichen Schutz biotech­nol­o­gis­ch­er Erfind­un­gen auch bere­its erfol­gt ist.

Die weit­ere Aus­fül­lung der Gen­er­alk­lauseln aber muss durch eine poli­tis­che und gesellschaftliche Diskus­sion ohne Scheuk­lap­pen gefun­den wer­den. Daran aber fehlt es nahezu kom­plett, vielmehr wer­den derzeit – falls über­haupt – unver­rück­bare Posi­tio­nen ohne jede Kom­pro­miss­möglichkeit aus­ge­tauscht. Dann tut man den Paten­tämtern aber Unrecht, wenn man auf sie allein die kom­plette Ver­ant­wor­tung für eine schlecht geführte oder gar ver­miedene ethis­che Posi­tion­ierung der Gesellschaft ablädt. Solange hier kein klar­er Kon­sens gefun­den ist müssen Patente wie das hier in Rede ste­hende m.E. ohne Zweifel erteilt wer­den, wenn die üblichen Voraus­set­zun­gen der Paten­tier­barkeit ein­er Erfind­ung gegeben sind.

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