BGH zur Kündigung von Subunternehmerverträgen wegen Wegfall des Hauptvertrages

BEITRAG TEILEN
LinkedInXINGXFacebookEmailPrint

Der Bun­des­ge­richts­hof (BGH, Az. III ZR 293/03, Urteil vom 29.07.2004) stellt klar: ver­liert der Unter­neh­mer sei­nen Haupt­auf­trag, ist er grund­sätz­lich auch berech­tigt, die Sub­un­ter­neh­mer­ver­trä­ge außer­or­dent­lich zu kün­di­gen. Dies­be­züg­li­che Bestim­mun­gen eines For­mu­lar­ver­tra­ges (AGB) kön­nen jedoch auch zu weit gehen und des­halb wegen unan­ge­mes­se­ner Benach­tei­li­gung unwirk­sam sein.

Der Hintergrund

Auf­trä­ge im IT Bereich wer­den von Groß­kun­den in aller Regel nicht direkt an Frei­be­ruf­ler ver­ge­ben, son­dern an klei­ne oder mit­tel­gro­ße IT Unter­neh­men. Zur Erfül­lung ihrer Ver­trags­pflich­ten gegen­über dem End­kun­den bedie­nen sich die­se Unter­neh­men – auch aus Kos­ten­grün­den – den Diens­ten eines IT Frei­be­ruf­lers, mit dem ein Sub­un­ter­neh­mer­ver­trag geschlos­sen wird. Die meis­ten IT Frei­be­ruf­ler wer­den des­halb auf­grund sol­cher Sub­un­ter­neh­mer­ver­trä­gen tätig.

Um das Risi­ko eines Auf­trags­ver­lus­tes abzu­fe­dern, ent­hal­ten die meis­ten Frei­be­ruf­ler-Rah­men­ver­trä­ge eine Klau­sel, wonach der Unter­neh­mer den Sub­un­ter­neh­mer­ver­trag frist­los kün­di­gen darf, wenn er sei­ner­seits den Haupt­auf­trag ver­liert. Der Unter­neh­mer will so ver­hin­dern, dass er sei­ne Mit­ar­bei­ter wei­ter­hin bis zum Ablauf der ordent­li­chen Kün­di­gungs­frist bezah­len muss, obwohl er die­se nicht mehr bei sei­nem Kun­den ein­set­zen kann.

Der Fall

Dem jetzt vom BGH ent­schie­de­nen Fall lag ein Sub­un­ter­neh­mer­ver­trag aus dem Bereich Gebäu­de­si­cher­heit (Bear­bei­tung von Not­ru­fen aus Auf­zü­gen) zugrun­de. Der Ver­trag war for­mu­lar­mä­ßig erstellt und zur Ver­wen­dung gegen­über einer Viel­zahl von Sub­un­ter­neh­mern ein­setz­bar. Es han­del­te sich somit um all­ge­mei­ne Geschäfts­be­din­gun­gen des Unter­neh­mers und nicht um einen indi­vi­du­ell aus­ge­han­del­ten Ver­trag. Abwei­chun­gen vom gesetz­li­chen Leit­bild kön­nen in sol­chen ein­sei­tig gestell­ten, all­ge­mei­nen Ver­trags­be­din­gun­gen jedoch nur ein­ge­schränkt erfol­gen. Im vor­lie­gen­den Fall ent­hielt der Ver­trag fol­gen­de Klau­sel:

„Das Recht zur Kün­di­gung aus wich­ti­gem Grund bleibt unbe­rührt. Ein wich­ti­ger Grund liegt ins­be­son­de­re vor, wenn der Haupt­ver­trag endet bzw. sich Ände­run­gen im Umfang der Dienst­leis­tung erge­ben.“

Nach­dem der Haupt­ver­trag hier vom End­kun­den gekün­digt war, kün­dig­te der Unter­neh­mer auch den Sub­un­ter­neh­mer­ver­trag mit sofor­ti­ger Wir­kung. Die Kün­di­gung wur­de dabei aus­drück­lich auf die­se Klau­sel des Ver­tra­ges gestützt. Der Sub­un­ter­neh­mer wies die Kün­di­gung zurück. Er ver­lang­te wei­ter­hin eine ver­trag­lich fest­ge­leg­te „Vor­hal­te­pau­scha­le“ (ver­gleich­bar mit einem ver­trag­lich fest­ge­leg­ten Min­dest­um­fang an Wochen­stun­den). Der Sub­un­ter­neh­mer ver­lor jedoch in zwei Instan­zen, denn Amts- und Land­ge­richt hiel­ten die frist­lo­se Kün­di­gung für wirk­sam.

Das Urteil

Die­se Urtei­le der Vor­in­stan­zen hob der BGH auf. Zwar hielt der BGH fest, dass der Sub­un­ter­neh­mer­ver­trag als Dau­er­schuld­ver­hält­nis stets einer Kün­di­gung aus wich­ti­gem Grund nach § 626 bzw. 314 BGB zugäng­lich sei. Dies müs­se nicht aus­drück­lich im Ver­trag fest­ge­hal­ten wer­den. Auch sei es vorn vorn­her­ein klar, dass Stö­run­gen im Ver­hält­nis zwi­schen Unter­neh­mer und End­kun­den sich auf das Ver­hält­nis zwi­schen Unter­neh­mer und Sub­un­ter­neh­mer aus­wir­ken kön­nen. Der Unter­neh­mer hat­te sei­ne Kün­di­gung aber nicht auf die gesetz­li­chen Vor­schrif­ten, son­dern auf eine ver­trag­li­che Klau­sel gestützt und die geht nach Ansicht des BGH zu weit.

Das in Form all­ge­mei­ner Geschäfts­be­din­gung ver­ein­bar­te Son­der­kün­di­gungs­recht benach­tei­li­ge den Sub­un­ter­neh­mer unan­ge­mes­sen und sei des­halb treu­wid­rig. Denn unter den weit gefass­ten Wort­laut der Klau­sel fal­le schlicht­weg jede Been­di­gung des Haupt­ver­tra­ges. Dies bedeu­te, dass die Klau­sel dem Unter­neh­mer eine Hand­ha­be bie­te, sich sogar dann vom Sub­un­ter­neh­mer­ver­trag zu lösen, wenn er selbst die Been­di­gung des Haupt­ver­tra­ges her­bei­ge­führt habe, sei es durch eige­ne Kün­di­gung oder ein­ver­nehm­li­che Auf­he­bung, ohne dass die Gren­ze zur Unzu­mut­bar­keit einer Fort­set­zung des Haupt­ver­tra­ges über­schrit­ten wor­den wäre. Dies stel­le eine ein­sei­ti­ge, den Sub­un­ter­neh­mer unan­ge­mes­sen benach­tei­li­gen­de Ver­la­ge­rung des Risi­kos einer Been­di­gung des Haupt­ver­tra­ges auf den jewei­li­gen Sub­un­ter­neh­mer dar. Der BGH ver­nein­te auch die Mög­lich­keit einer ein­schrän­ken­den Aus­le­gung der Klau­sel („gel­tungs­er­hal­ten­de Reduk­ti­on“), etwa in dem Sinn, dass sie nur sol­che Been­di­gun­gen des Haupt­ver­tra­ges erfas­se, die es dem Unter­neh­mer unzu­mut­bar machen, den Sub­un­ter­neh­mer­ver­trag fort­zu­set­zen. Das Ver­bot der gel­tungs­er­hal­ten­den Reduk­ti­on besagt, dass es nach Wort­laut und Zweck der Vor­schrif­ten über die Gel­tung all­ge­mei­ner Geschäfts­be­din­gun­gen (frü­her AGB-Gesetz, heu­te §§ 305 – 310 BGB) nicht mög­lich ist, nur teil­wei­se gegen das Gesetz ver­sto­ßen­de Klau­seln mit ein­ge­schränk­tem Inhalt auf­recht zu erhal­ten. Dies gilt auch im Rechts­ver­kehr zwi­schen Kauf­leu­ten. Mit ande­ren Wor­ten: wenn eine AGB Klau­sel zu weit geht, fällt sie ins­ge­samt weg und bleibt auch nicht in einem gera­de noch zuläs­si­gen Bereich auf­recht erhal­ten. Das Risi­ko der Ver­wen­dung benach­tei­li­gen­der Klau­seln trägt des­halb immer der Ver­wen­der der Klau­sel. Geht sie zu weit, gilt statt­des­sen das Gesetz, wel­ches wie­der­um nicht nur ein­sei­ti­ge Inter­es­se schützt.

Der BGH lässt in sei­ner Ent­schei­dung aus­drück­lich offen, ob die Kün­di­gung des Unter­neh­mers hier aber aus ande­ren Grün­den gerecht­fer­tigt war. Ob näm­lich eine wirk­sa­me Been­di­gung des Haupt­ver­tra­ges und wei­te­re Umstän­de vor­la­gen, die eine Fort­set­zung des Sub­un­ter­neh­mer­ver­tra­ges für den Unter­neh­mer unzu­mut­bar mach­ten, wur­de von den Vor­in­stan­zen nicht aus­rei­chend berück­sich­tigt. Dies Sache wur­de des­halb zur erneu­ten Ent­schei­dung an das Land­ge­richt zurück ver­wie­sen.

Das Fazit

Die Ent­schei­dung erging hier zwar zulas­ten des Unter­neh­mers. Im Ergeb­nis ist das Urteil jedoch für ande­re Unter­neh­mer durch­aus vor­teil­haft. Denn der BGH hat klar­ge­stellt, dass der Weg­fall des Haupt­ver­tra­ges zumin­dest dann einen wich­ti­gen Grund im Sin­ne des § 626 BGB (Frist­lo­se Kün­di­gung aus wich­ti­gem Grund) dar­stellt, wenn der Weg­fall des Haupt­ver­tra­ges nicht durch eige­ne Kün­di­gung des Unter­neh­mers erfolgt ist. Die Abwäl­zung des Risi­kos eines Auf­trags­ver­lus­tes auf den Sub­un­ter­neh­mer ist des­halb grund­sätz­lich mög­lich, auch ohne geson­der­te ver­trag­li­che Ver­ein­ba­rung. Offen bleibt indes, ob der Weg­fall des Haupt­ver­tra­ges durch Kün­di­gung des End­kun­den auch dann ein wich­ti­ger Grund zur Kün­di­gung des Sub­un­ter­neh­mer­ver­tra­ges ist, wenn die Kün­di­gung des Haupt­ver­tra­ges durch ein schuld­haf­tes Han­deln des Unter­neh­mers pro­vo­ziert wur­de.

Für Frei­be­ruf­ler und ande­re Sub­un­ter­neh­mer ist immer­hin klar: wenn der Unter­neh­mer aus geschäfts­po­li­ti­schen Grün­den eine unbe­rech­tig­te Kün­di­gung des End­kun­den akzep­tiert, kann er die­ses Risi­ko nicht ohne wei­te­res in Form einer frist­lo­sen Kün­di­gung des Sub­un­ter­neh­mer­ver­tra­ges auf den Frei­be­ruf­ler abwäl­zen. Hier hilft ihm auch eine ent­spre­chen­de AGB Klau­sel nicht wei­ter. Der Unter­neh­mer muss min­des­tens dar­le­gen, dass sein Ver­hal­ten (Nicht­vor­ge­hen gegen die Kün­di­gung des Haupt­ver­tra­ges) kauf­män­nisch sinn­voll war und ein Fest­hal­ten am Sub­un­ter­neh­mer­ver­trag für ihn unzu­mut­bar wäre.

BEITRAG TEILEN
LinkedInXINGXFacebookEmailPrint

Über den autor

Aktuelles

Weitere Beiträge des Autors

Selbstanzeige und Nachversteuerung

Dieses Thema hat mit den sonst hier oft behandelten Themen des Geistigen Eigentums und des Datenschutzes nur insoweit zu tun, als es sich in die Öffentlichkeit drängte, als ein Mitarbeiter einer Liechtensteiner Bank eine CD mit Kundendaten an den deutschen Fiskus verkaufte. Wie man heute weiß, war zumindest der Ankauf der Daten und die Verwendung in Steuerstrafverfahren rechtlich zulässig –...

BGH zu Offenbarungspflichten von Anwälten

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat zur Frage der Verpflichtung des Rechtsanwalts, auf Mandatsbeziehungen zum Gegner der von ihm vertretenen Partei hinzuweisen, ein Grundsatzurteil erlassen (Urteil v. 08.11.2007 - Az. IX ZR 5/06). Danach gilt (wie bisher), dass die Wahrnehmung anwaltlicher Aufgaben den unabhängigen, verschwiegenen und nur den Interessen des eigenen Mandanten verpflichteten Rechtsanwalt voraussetzt. Der BGH hat entschieden, dass Umstände, die...