BGH zu Affiliate-Marketing: Alles ist schrecklich, aber Amazon haftet trotzdem nicht für seine Partner

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Wettbewerbsrecht | 16. Februar 2023
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Ama­zon muss nicht für sei­ne Affi­lia­te-Part­ner haf­ten, ent­schied der Bun­des­ge­richts­hof. Recht­lich ist das Urteil kaum zu bean­stan­den, aber trotz­dem hin­ter­lässt es einen bit­te­ren Nach­ge­schmack. Eine Ein­schät­zung von Arne Traut­mann. 

Einen inter­es­san­ten Fall zur Fra­ge, ob Ver­käu­fer von Pro­duk­ten im Inter­net für ihre Affi­lia­te-Part­ner haf­ten, hat der Bun­des­ge­richts­hof (BGH) in sei­nem Urteil vom 26. Janu­ar 2023 (I ZR 27/22) abschlä­gig ent­schie­den.

 

Worum ging es im Fall?

Der Online-Gigant Ama­zon betreibt ein Part­ner­pro­gramm: Drit­te Per­so­nen, die soge­nann­ten Affi­lia­tes, kön­nen auf ihren eige­nen Web­sei­ten Links auf Ama­zon-Pro­duk­te set­zen. Gelangt ein Kun­de über einen sol­chen Link auf die Ver­kaufs­sei­te und erwirbt dort ein Pro­dukt, erhält der Affi­lia­te eine Pro­vi­si­on.

Das führt zu einer Viel­zahl von Inter­net­sei­ten, die zunächst erst ein­mal den Anschein erwe­cken, sie sei­en seriö­se Sei­ten mit Pro­dukt­tests oder auch Online-Maga­zi­ne, die dem Kon­su­men­ten diver­se Pro­duk­te prä­sen­tie­ren. Getrie­ben sind die­se Sei­ten jedoch nicht vom Inter­es­se an Bericht­erstat­tung oder Bera­tung poten­ti­el­ler Käu­fer, son­dern von rei­ner Ver­kaufs­gier. Ent­spre­chend frag­wür­dig ist dem­nach auch oft der gebo­te­ne Inhalt.

So war es auch im kon­kre­ten Fall: Die Klä­ge­rin, eine Her­stel­le­rin von Matrat­zen, hielt den Inhalt der Affi­lia­te-Sei­te für irre­füh­rend und damit wett­be­werbs­wid­rig. Daher begehr­te sie Unter­las­sung – aber nicht vom Betrei­ber der Affi­lia­te-Sei­te, son­dern von Ama­zon selbst. Ihrem Argu­ment zufol­ge sei Ama­zon für die irre­füh­ren­de Wer­bung ver­ant­wort­lich.

Der recht­li­che Ansatz­punkt die­ser Zuord­nung der Ver­ant­wort­lich­keit war dabei § 8 Abs. 2 des Geset­zes gegen den unlau­te­ren Wett­be­werb (UWG). Die­ser lau­tet: „Wer­den die Zuwi­der­hand­lun­gen (gegen das Wett­be­werbs­recht, SNP) in einem Unter­neh­men von einem Mit­ar­bei­ter oder Beauf­trag­ten began­gen, so sind der Unter­las­sungs­an­spruch und der Besei­ti­gungs­an­spruch auch gegen den Inha­ber des Unter­neh­mens begrün­det.“

 

Was hat der Bun­des­ge­richts­hof ent­schie­den?

Der Bun­des­ge­richts­hof gab, wie auch schon die Vor­in­stan­zen, Ama­zon recht.

Ama­zon stellt dem Affi­lia­te ledig­lich einen Link bereit, hat aber dar­über hin­aus kaum Ein­fluss dar­auf, wie genau die­ser vom Affi­lia­te ver­wen­det wird. Der BGH wer­tet dies nicht als „Beauf­tra­gung“ des Affi­lia­tes durch Ama­zon, was für die Anwen­dung des oben zitier­ten Para­gra­phen Vor­aus­set­zung wäre. Viel­mehr ist der Affi­lia­te frei, wie er sein Geschäft und sei­ne Web­sei­te struk­tu­riert und gestal­tet.

Ama­zon hat kei­nen bestim­men­den oder durch­setz­ba­ren Ein­fluss auf die­se Gestal­tung und glie­dert auch nicht ander­wei­tig den Betrieb des Affi­lia­tes in die eige­ne Orga­ni­sa­ti­on ein. Der Affi­lia­te ist also nicht der ver­län­ge­re Arm Ama­zons!

Statt­des­sen ist das Affi­lia­te-Pro­gramm in gewis­ser Wei­se mit einer Lie­fer­ket­te ver­gleich­bar, in der etwa ein Groß­händ­ler Waren an einen Ein­zel­händ­ler ver­kauft, der die­se dann wie­der­um an die End­kun­den ver­treibt. Auch in die­sen Gestal­tun­gen liegt aber kei­ne Ver­ant­wort­lich­keit des Groß­händ­lers für die Hand­lun­gen des Ein­zel­händ­lers vor.

 

War­um fühlt sich das Urteil falsch an?

Das Urteil des BGH ist zwar recht­lich rich­tig, aber es fühlt sich nicht so an.

Auch wenn sie kei­ne fins­te­ren Absich­ten hegen, ver­schmut­zen sämt­li­che Affi­lia­te-Pro­gram­me der gro­ßen Han­dels­platt­for­men das Inter­net und machen es prak­tisch unbe­nutz­bar. Sucht man nach einem Pro­dukt­test, fin­det man auf Goog­le – oder jeder belie­bi­gen ande­ren Such­ma­schi­ne – prak­tisch nur hyper-SEO-opti­mier­te Pseu­do-Test­sei­ten, die zwar Objek­ti­vi­tät vor­täu­schen, deren Inhal­te, Tests und Nut­zer­be­wer­tun­gen aber meist von kom­plett erfun­den sind. Ziel ist eben nicht Bera­tung, son­dern die Ver­mitt­lung des einen Pro­duk­tes, das am Ende die bes­te Pro­vi­si­on ein­brin­gen wird.

Gegen die­se Fake-Test­sei­ten vor­zu­ge­hen ist müh­sam und auf­wän­dig; zum einen, weil sie oft im Aus­land sit­zen, zum ande­ren ist meist gar nicht klar, wer die Ver­ant­wort­li­chen sind, die dahin­ter­ste­cken. Außer­dem tau­chen sol­che Web­sites schnell auf und ver­schwin­den noch schnel­ler.

Wir hier bei SNP haben die Erfah­rung gemacht, dass für jede die­ser Sei­ten, die man still­legt, drei neue an ande­rer Stel­le auf­zu­tau­chen schei­nen. Da wäre es wün­schens­wert, einen zen­tra­len Ansprech­part­ner zu haben, der den Affi­lia­te-Link ver­gibt — näm­lich im kon­kre­ten Fall Ama­zon. Nur fehlt es laut BGH aktu­ell noch an einer recht­li­chen Grund­la­ge. Gefor­dert wäre hier der Gesetz­ge­ber, um eine für alle Par­tei­en zufrie­den­stel­len­de Lösung zu fin­den.

 

Der Autor Rechts­an­walt Arne Traut­mann ist bei SNP Schla­wi­en Part­ner­schaft mbB in den Berei­chen IT-Recht, Medi­en­recht und Gewerb­li­cher Rechts­schutz tätig. https://bg.linkedin.com/in/arne-trautmann-41370543

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