BGH zu Affiliate-Marketing: Alles ist schrecklich, aber Amazon haftet trotzdem nicht für seine Partner

© fabiomax/stock.adobe.com
Wettbewerbsrecht | 16. Februar 2023
BEITRAG TEILEN
LinkedInXINGXFacebookEmailPrint

Ama­zon muss nicht für seine Affil­i­ate-Part­ner haften, entsch­ied der Bun­des­gericht­shof. Rechtlich ist das Urteil kaum zu bean­standen, aber trotz­dem hin­ter­lässt es einen bit­teren Nachgeschmack. Eine Ein­schätzung von Arne Traut­mann. 

Einen inter­es­san­ten Fall zur Frage, ob Verkäufer von Pro­duk­ten im Inter­net für ihre Affil­i­ate-Part­ner haften, hat der Bun­des­gericht­shof (BGH) in seinem Urteil vom 26. Jan­u­ar 2023 (I ZR 27/22) abschlägig entsch­ieden.

 

Worum ging es im Fall?

Der Online-Gigant Ama­zon betreibt ein Part­ner­pro­gramm: Dritte Per­so­n­en, die soge­nan­nten Affil­i­ates, kön­nen auf ihren eige­nen Web­seit­en Links auf Ama­zon-Pro­duk­te set­zen. Gelangt ein Kunde über einen solchen Link auf die Verkauf­s­seite und erwirbt dort ein Pro­dukt, erhält der Affil­i­ate eine Pro­vi­sion.

Das führt zu ein­er Vielzahl von Inter­net­seit­en, die zunächst erst ein­mal den Anschein erweck­en, sie seien ser­iöse Seit­en mit Pro­duk­ttests oder auch Online-Mag­a­zine, die dem Kon­sumenten diverse Pro­duk­te präsen­tieren. Getrieben sind diese Seit­en jedoch nicht vom Inter­esse an Berichter­stat­tung oder Beratung poten­tieller Käufer, son­dern von rein­er Verkauf­s­gi­er. Entsprechend frag­würdig ist dem­nach auch oft der gebotene Inhalt.

So war es auch im konkreten Fall: Die Klägerin, eine Her­stel­lerin von Matratzen, hielt den Inhalt der Affil­i­ate-Seite für irreführend und damit wet­tbe­werb­swidrig. Daher begehrte sie Unter­las­sung – aber nicht vom Betreiber der Affil­i­ate-Seite, son­dern von Ama­zon selb­st. Ihrem Argu­ment zufolge sei Ama­zon für die irreführende Wer­bung ver­ant­wortlich.

Der rechtliche Ansatzpunkt dieser Zuord­nung der Ver­ant­wortlichkeit war dabei § 8 Abs. 2 des Geset­zes gegen den unlauteren Wet­tbe­werb (UWG). Dieser lautet: „Wer­den die Zuwider­hand­lun­gen (gegen das Wet­tbe­werb­srecht, SNP) in einem Unternehmen von einem Mitar­beit­er oder Beauf­tragten began­gen, so sind der Unter­las­sungsanspruch und der Besei­t­i­gungsanspruch auch gegen den Inhab­er des Unternehmens begrün­det.“

 

Was hat der Bun­des­gericht­shof entsch­ieden?

Der Bun­des­gericht­shof gab, wie auch schon die Vorin­stanzen, Ama­zon recht.

Ama­zon stellt dem Affil­i­ate lediglich einen Link bere­it, hat aber darüber hin­aus kaum Ein­fluss darauf, wie genau dieser vom Affil­i­ate ver­wen­det wird. Der BGH wertet dies nicht als „Beauf­tra­gung“ des Affil­i­ates durch Ama­zon, was für die Anwen­dung des oben zitierten Para­graphen Voraus­set­zung wäre. Vielmehr ist der Affil­i­ate frei, wie er sein Geschäft und seine Web­seite struk­turi­ert und gestal­tet.

Ama­zon hat keinen bes­tim­menden oder durch­set­zbaren Ein­fluss auf diese Gestal­tung und gliedert auch nicht ander­weit­ig den Betrieb des Affil­i­ates in die eigene Organ­i­sa­tion ein. Der Affil­i­ate ist also nicht der ver­län­gere Arm Ama­zons!

Stattdessen ist das Affil­i­ate-Pro­gramm in gewiss­er Weise mit ein­er Liefer­kette ver­gle­ich­bar, in der etwa ein Großhändler Waren an einen Einzel­händler verkauft, der diese dann wiederum an die End­kun­den vertreibt. Auch in diesen Gestal­tun­gen liegt aber keine Ver­ant­wortlichkeit des Großhändlers für die Hand­lun­gen des Einzel­händlers vor.

 

Warum fühlt sich das Urteil falsch an?

Das Urteil des BGH ist zwar rechtlich richtig, aber es fühlt sich nicht so an.

Auch wenn sie keine fin­steren Absicht­en hegen, ver­schmutzen sämtliche Affil­i­ate-Pro­gramme der großen Han­del­splat­tfor­men das Inter­net und machen es prak­tisch unbe­nutzbar. Sucht man nach einem Pro­duk­ttest, find­et man auf Google – oder jed­er beliebi­gen anderen Such­mas­chine – prak­tisch nur hyper-SEO-opti­mierte Pseu­do-Test­seit­en, die zwar Objek­tiv­ität vortäuschen, deren Inhalte, Tests und Nutzer­be­w­er­tun­gen aber meist von kom­plett erfun­den sind. Ziel ist eben nicht Beratung, son­dern die Ver­mit­tlung des einen Pro­duk­tes, das am Ende die beste Pro­vi­sion ein­brin­gen wird.

Gegen diese Fake-Test­seit­en vorzuge­hen ist müh­sam und aufwändig; zum einen, weil sie oft im Aus­land sitzen, zum anderen ist meist gar nicht klar, wer die Ver­ant­wortlichen sind, die dahin­ter­steck­en. Außer­dem tauchen solche Web­sites schnell auf und ver­schwinden noch schneller.

Wir hier bei SNP haben die Erfahrung gemacht, dass für jede dieser Seit­en, die man stil­l­legt, drei neue an ander­er Stelle aufzu­tauchen scheinen. Da wäre es wün­schenswert, einen zen­tralen Ansprech­part­ner zu haben, der den Affil­i­ate-Link vergibt — näm­lich im konkreten Fall Ama­zon. Nur fehlt es laut BGH aktuell noch an ein­er rechtlichen Grund­lage. Gefordert wäre hier der Geset­zge­ber, um eine für alle Parteien zufrieden­stel­lende Lösung zu find­en.

 

Der Autor Recht­san­walt Arne Traut­mann ist bei SNP Schlaw­ien Part­ner­schaft mbB in den Bere­ichen IT-Recht, Medi­en­recht und Gewerblich­er Rechtss­chutz tätig. https://bg.linkedin.com/in/arne-trautmann-41370543

BEITRAG TEILEN
LinkedInXINGXFacebookEmailPrint

Aktuelles

Weitere Beiträge des Autors

Crypto 20. Januar 2023

DAO: Die codierte Organisation

Haben Sie schon jemals darüber nachgedacht, was sich hinter dem Begriff „dezentralisierte autonome Organisation“ (DAO) verbirgt und welchen Einfluss die DAO im Alltag hat? Arne Trautmann berichtet aus der Fachwelt.  (mehr …)

IT-Recht 31. Januar 2022

Anonym im Netz: Keine Klarnamenpflicht für langjährige Facebook-Nutzer

User, die schon seit Jahren Mitglied sind, dürfen bei Facebook weiterhin Nicknames nutzen. Das entschied am Donnerstag der BGH. Für wen das gilt, wer von Facebook weiterhin gesperrt werden könnte, und was - vielleicht - die Zukunft bringt, erklärt Arne Trautmann. Oft meint man ja, der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe beschäftigte sich den lieben langen Tag nur mit sehr abstrakten...