Juristen haben, wie andere Menschen auch, mit dem technischen Fortschritt zu kämpfen. Beruflich: wenn ein neuer Fall auf den Schreibtisch kommt, müssen sie irgendwie damit umgehen. Und wenn dieser neue Fall Dinge betrifft, die technisches “Neuland” sind, dann fragen sie sich: ist das auch rechtlich neu, oder haben wir da schon ein Regelungsgerüst, das wir auf diesen Fall anwenden können (“vergleichsweise alter Wein in ziemlich neuen Schläuchen”). Da Juristen, jedenfalls die Zivilrechtler, es gewohnt sind, mit Paradigmen zu arbeiten, die Kaiser Justinian bei der Niederschrift des Corpus Iuris Civilis (6. Jh) schon für altehrwürdig hielt, wettet man besser auf den Bestand.
Es geht natürlich um Crypto-Token und deren Ausgabe in Initial Coin Offerings (ICO’s).
Gefühlt werden derzeit an jeder Straßenecke solche Token ausgegeben. Gründe sind natürlich einerseits, dass sie sehr nützlich sein können. Sie nehmen Reibung aus vielen Transaktionen, können Projektfinanzierungen erleichtern und versprechen die schnelle, effiziente und automatisierte Durchführung von Verträgen durch Smart Contracts. Vor allem aber ist das Thema hip. Vermutlich zu hip, um in der gegenwärtigen Art nachhaltig zu sein. Don’t believe the hype.
Dem Hype nicht blind zu folgen, Anzeichen von Marktüberhitzung ernst zu nehmen, Betrug zu verhindern: das ist natürlich auch die Aufgabe von Aufsichtsbehörden. In Deutschland betrifft das etwa die BaFin, in der Schweiz – wo sich ja das Cryptovalley Zug befindet – die Finma, und in der EU die ESMA.
Diese haben sich daher über die Frage Gedanken gemacht, was Token eigentlich sind und wie man diese, ihre Ausgabe, Verwendung und den Handel damit aufsichtsrechtlich bewertet. Und sie sind richtigerweise zu dem Schluss gekommen: es kommt drauf an. Man darf sich nämlich von der Bezeichnung “Token” nicht verwirren lassen, das ist nur ein Sammelbegriff für eine Technologie. Die Aufsichtsbehörden arbeiten aber technologieneutral. Es interessiert nicht, was ein Token technisch ist, sondern war er in der Realität tut.
Wenn man da genau hinsieht, erkennt man drei Kategorien von Token:
Auftreten können natürlich auch Mischformen: ein Utility Token könnte an einer elektronischen Börse gehandelt zum Asset Token werden, oder Dritte könnten den Utility Token ebenfalls als Zahlungsmittel akzeptieren und ihm so die Gestalt eines Payment Tokens geben. Solche Mischformen können durchaus auch von vornherein beabsichtigt sein.
An diese Einordnung knüpfen natürlich unterschiedliche Rechtsfolgen an. Viele Dinge sind hier noch nicht abschließend geklärt und natürlich gibt es hierzu auch vielfältige gesetzgeberische Tätigkeit. Vorerst darf man aber grob Folgendes festhalten:
Die Rechtsfolgen eines ICO unterscheiden sich je nach Einordnung in eine oder mehrere der drei Kategorien also dramatisch. Es ist daher für potentielle Emittenten der Token sehr wichtig, sich zunächst einmal darüber klarzuwerden, was genau sie eigentlich mit welchen Mitteln erreichen wollen. Für den beratenden Anwalt ist die Herausforderung, Begriffe aus technischen Dokumenten, Whitepapers und Businessplänen in juristisch handhabbare Konzepte zu übersetzen und ggf. bei absehbaren Problemen gestaltend mit anzupacken.
Ist das nun alles alter Wein in neuen Schläuchen? Ein wenig schon, aber nicht ganz. Juristen müssen immer überlegen, mit welchem Besteck sie neue Herausforderungen angehen. Und dabei werden sie meist fündig. Das heißt aber nicht, dass der Regelungsrahmen perfekt passt: auf dem Gebiet der Token und ICO’s wird es zweifellos gesetzgeberische und regulatorische Tätigkeit geben von der gesondert zu berichten sein wird. Im Großen und Ganzen werden aber mit neuen Technologien doch oft wieder Konzepte verwirklicht, die es in der einen oder anderen Weise bereits gibt. Und das ist ja durchaus auch beruhigend.
Falls Sie übrigens nicht so sehr an altem, sondern neuem Wein interessiert sind: es gibt inzwischen auch einen Wein-Token.
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