Alte Wertpapiere in neuen Token

Crypto | 10. Oktober 2018
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Juris­ten haben, wie andere Men­schen auch, mit dem tech­nis­chen Fortschritt zu kämpfen. Beru­flich: wenn ein neuer Fall auf den Schreibtisch kommt, müssen sie irgend­wie damit umge­hen. Und wenn dieser neue Fall Dinge bet­rifft, die tech­nis­ches “Neu­land” sind, dann fra­gen sie sich: ist das auch rechtlich neu, oder haben wir da schon ein Regelungs­gerüst, das wir auf diesen Fall anwen­den kön­nen (“ver­gle­ich­sweise alter Wein in ziem­lich neuen Schläuchen”). Da Juris­ten, jeden­falls die Zivil­rechtler, es gewohnt sind, mit Par­a­dig­men zu arbeit­en, die Kaiser Jus­tin­ian bei der Nieder­schrift des Cor­pus Iuris Civilis (6. Jh) schon für altehrwürdig hielt, wet­tet man bess­er auf den Bestand.

Es geht natür­lich um Cryp­to-Token und deren Aus­gabe in Ini­tial Coin Offer­ings (ICO’s).

Gefühlt wer­den derzeit an jed­er Straße­necke solche Token aus­gegeben. Gründe sind natür­lich ein­er­seits, dass sie sehr nüt­zlich sein kön­nen. Sie nehmen Rei­bung aus vie­len Transak­tio­nen, kön­nen Pro­jek­t­fi­nanzierun­gen erle­ichtern und ver­sprechen die schnelle, effiziente und automa­tisierte Durch­führung von Verträ­gen durch Smart Con­tracts. Vor allem aber ist das The­ma hip. Ver­mut­lich zu hip, um in der gegen­wär­ti­gen Art nach­haltig zu sein. Don’t believe the hype.

Dem Hype nicht blind zu fol­gen, Anze­ichen von Mark­tüber­hitzung ernst zu nehmen, Betrug zu ver­hin­dern: das ist natür­lich auch die Auf­gabe von Auf­sichts­be­hör­den. In Deutsch­land bet­rifft das etwa die BaFin, in der Schweiz – wo sich ja das Cryp­to­val­ley Zug befind­et – die Fin­ma, und in der EU die ESMA.

Diese haben sich daher über die Frage Gedanken gemacht, was Token eigentlich sind und wie man diese, ihre Aus­gabe, Ver­wen­dung und den Han­del damit auf­sicht­srechtlich bew­ertet. Und sie sind richtiger­weise zu dem Schluss gekom­men: es kommt drauf an. Man darf sich näm­lich von der Beze­ich­nung “Token” nicht ver­wirren lassen, das ist nur ein Sam­mel­be­griff für eine Tech­nolo­gie. Die Auf­sichts­be­hör­den arbeit­en aber tech­nolo­gien­eu­tral. Es inter­essiert nicht, was ein Token tech­nisch ist, son­dern war er in der Real­ität tut.

Wenn man da genau hin­sieht, erken­nt man drei Kat­e­gorien von Token:

  • Util­i­ty Token / Nutzungs-Token (auch” App Token”, “User Token”). Diese geben dem Nutzer Zugang zu bes­timmten Dien­sten oder Nutzun­gen ger­ade gegenüber dem Her­aus­ge­ber der Token. Typ­is­cher­weise kann man etwa durch den Token Zugang zu Plat­tfor­men und Pro­gram­men erlan­gen. Daher haben diese Token die Funk­tion eines Gutscheins.
  • Pay­ment Token / Zahlungs-Token (auch “Coins”). Das sind gewis­ser­maßen “reine” Cryp­towährun­gen. Sie wer­den her­aus­gegeben, ohne von vorn­here­in mit Nutzun­gen oder Dien­stleis­tun­gen ver­bun­den zu sein. Erst durch Akzep­tanz am Markt kön­nen sie eine echte Funk­tion als Zahlungsmit­tel erlan­gen: mit Bit­coin kann man bekan­nter­maßen Piz­za kaufen, wenn auch zu hor­ren­den Transak­tion­skosten. Sie stellen eine Rech­nung­sein­heit dar.
  • Asset Token / Anlage-Token (auch “Equi­ty Token” oder “Invest­ment Token”). Diese verkör­pern Ver­mö­genswerte wie etwa Unternehmen­san­teile, oder Ansprüche auf Gewinn­beteili­gun­gen, Zin­szahlun­gen u.Ä. Sie sind daher Wert­pa­pieren ver­gle­ich­bar. In gewiss­er Weise sind das die span­nend­sten Token, da sich hier die Möglichkeit­en der Tech­nolo­gie (direk­te Über­tra­gung von Ver­mö­genswerten, Auss­chal­tung von Mit­telmän­nern, Smart Con­tracts) am besten zeigen.

Auftreten kön­nen natür­lich auch Mis­chfor­men: ein Util­i­ty Token kön­nte an ein­er elek­tro­n­is­chen Börse gehan­delt zum Asset Token wer­den, oder Dritte kön­nten den Util­i­ty Token eben­falls als Zahlungsmit­tel akzep­tieren und ihm so die Gestalt eines Pay­ment Tokens geben. Solche Mis­chfor­men kön­nen dur­chaus auch von vorn­here­in beab­sichtigt sein.

An diese Einord­nung knüpfen natür­lich unter­schiedliche Rechts­fol­gen an. Viele Dinge sind hier noch nicht abschließend gek­lärt und natür­lich gibt es hierzu auch vielfältige geset­zge­berische Tätigkeit. Vor­erst darf man aber grob Fol­gen­des fes­thal­ten:

  • Eher unprob­lema­tisch ist der Util­i­ty Token. Wed­er seine Aus­gabe noch Ver­wen­dung ist speziell reg­uliert. Einge­hal­ten wer­den müssen natür­lich den­noch alle anwend­baren Geset­ze: auch mit Gutscheinen ist etwa Betrug ver­boten und sind Dat­en zu schützen. Aber diese Dinge sind natür­lich keine Beson­der­heit der dig­i­tal­en Welt.
  • Erstaunlicher­weise weit­ge­hend unreg­uliert ist auch die reine Aus­gabe von Pay­ment Token. In ihrer Ver­wen­dung wird allerd­ings das Geld­wäschege­setz (GwG) als reg­u­la­torisch­er Rah­men inter­es­sant. Erlaub­nispflicht­en nach dem Kred­itwe­sen­ge­setz (KWG) und dem Zahlungs­di­en­steauf­sichts­ge­setz (ZAG) wer­den aber regelmäßig vor­liegen, wenn Pay­ment Token in staatlich­es Geld getauscht oder gewerblich gehan­delt wer­den.
  • Sehr anspruchsvoll kann die Recht­slage bei Asset Token wer­den. Hier wer­den meist die kom­plex­en und umfan­gre­ichen Vorschriften zur Kap­i­tal­mark­treg­ulierung anwend­bar sein. Das reicht von Prospek­tpflicht­en über Erlaub­nispflicht­en bis hin zu ver­schiede­nen anspruchsvollen Ver­hal­tenspflicht­en. Span­nend wird zudem sein, wie sich die geplante EU-Regelung zum Crowd­fund­ing (die einen optionalen Recht­srah­men neben den nationalen Regeln schaf­fen will) auf einige Gestal­tun­gen von ICOs auswirken wird.

Die Rechts­fol­gen eines ICO unter­schei­den sich je nach Einord­nung in eine oder mehrere der drei Kat­e­gorien also drama­tisch. Es ist daher für poten­tielle Emit­ten­ten der Token sehr wichtig, sich zunächst ein­mal darüber klarzuw­er­den, was genau sie eigentlich mit welchen Mit­teln erre­ichen wollen. Für den bera­ten­den Anwalt ist die Her­aus­forderung, Begriffe aus tech­nis­chen Doku­menten, Whitepa­pers und Busi­ness­plä­nen in juris­tisch hand­hab­bare Konzepte zu über­set­zen und ggf. bei abse­hbaren Prob­le­men gestal­tend mit anzu­pack­en.

Ist das nun alles alter Wein in neuen Schläuchen? Ein wenig schon, aber nicht ganz. Juris­ten müssen immer über­legen, mit welchem Besteck sie neue Her­aus­forderun­gen ange­hen. Und dabei wer­den sie meist fündig. Das heißt aber nicht, dass der Regelungsrah­men per­fekt passt: auf dem Gebi­et der Token und ICO’s wird es zweifel­los geset­zge­berische und reg­u­la­torische Tätigkeit geben von der geson­dert zu bericht­en sein wird. Im Großen und Ganzen wer­den aber mit neuen Tech­nolo­gien doch oft wieder Konzepte ver­wirk­licht, die es in der einen oder anderen Weise bere­its gibt. Und das ist ja dur­chaus auch beruhi­gend.

Falls Sie übri­gens nicht so sehr an altem, son­dern neuem Wein inter­essiert sind: es gibt inzwis­chen auch einen Wein-Token.

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