Anlässlich eines konkreten Falls musste ich mir heute einige Gedanken zu der Frage machen, ob es einen Rechtsanspruch eines Unternehmens gibt, in den Index einer Suchmaschine – hier Google – aufgenommen zu werden. Noch ein wenig genauer: wieder aufgenommen zu werden, nachdem man vorher aus der Datenbank entfernt wurde. Gründe für eine solche Entfernung kann es ja viele geben: Urheberrechtsstreitigkeiten, Spamming, technische Probleme.
Zu dieser Frage gibt es nach meiner überschlägigen Durchsicht der Meinungen erstaunlich wenig Antworten. Genau genommen fand ich nach einer (zugegebenermaßen kurzen) Recherche zum Thema genau eine brauchbare Stellungnahme, einen kurzen Aufsatz des hochgeschätzten Kollegen Dr. Bahr. Da meine Überlegungen letztlich in eine ganz ähnliche Richtung gehen wie die des Kollegen füge ich zum Zwecke der Bildung einer herrschenden Blog-Meinung hier meine Erkenntnisse nebst einiger Details noch an.
Typischerweise beginnt die Erörterung von Fragen wie der hier vorliegenden mit der Beleuchtung vertraglicher Ansprüche. Schließt ein Webseitenbetreiber mit einer Suchmaschine einen Vertrag über die Aufnahme seiner Seiten in den Suchmaschinenindex ab?
Sicher nicht, indem er die Seiten einfach nur online stellt und darauf wartet, dass die Bots vorbeischauen und früher oder später die gefundenen Informationen im Index listen. Denn hier fehlt es an aufeinander bezogenen Willenserklärungen. Aber auch wenn der Seitenbetreiber seine Seite von Hand via der „URL hinzufügen“ Option bei der Suchmaschine anmeldet wird kein Vertrag geschlossen. Denn hier werden zwar Informationen ausgetauscht, aber keine Willenserklärungen. Etwa Google macht auf seiner „Hinzufügen-Seite“ deutlich:
Wir bieten Ihnen hier an, Ihre URL anzugeben. Allerdings fügen wir unserem Index nicht alle URLs hinzu und können auch keine Garantie übernehmen oder Voraussagen machen, ob und wann sie erscheinen.
Ohne Vertrag kann die (Wieder-)Aufnahme einer Seite in den Index jedenfalls nicht mit dem Argument erzwungen werden, widrigenfalls läge ein Vertragsbruch vor.
Die Lösung kann aber das Kartellrecht bieten in Gestalt des GWB (Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen).
Als Vorfrage: Viele Suchmaschinen unterwerfen die Rechtsbeziehungen zwischen sich und den Nutzern einem bestimmten Recht, in aller Regel nicht dem deutschen. Google etwa betont:
Diese Allgemeinen Dienstleistungsbedingungen sollen in Übereinstimmung mit den Gesetzen des Staates Kalifornien bestimmt und ausgelegt werden, ohne dabei in Konflikt mit Rechtsvorschriften von Kalifornien oder Ihrem jeweiligen Wohnort oder Staat zu geraten.
Jedenfalls für die Frage der Anwendbarkeit des GWB dürfte dies aber keine Auswirkungen haben, denn dieses bestimmt:
§ 130 GWB
(…)
(2) Dieses Gesetz findet Anwendung auf alle Wettbewerbsbeschränkungen, die sich im Geltungsbereich dieses Gesetzes auswirken, auch wenn sie außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes veranlasst werden.
Die interessante Norm des GWB ist § 20 Abs. 1. Dieser lautet:
§ 20 — Diskriminierungsverbot, Verbot unbilliger Behinderung
(1) Marktbeherrschende Unternehmen, Vereinigungen von miteinander im Wettbewerb stehenden Unternehmen im Sinne der §§ 2, 3 und 28 Abs. 1 und Unternehmen, die Preise nach § 28 Abs. 2 oder § 30 Abs. 1 Satz 1 binden, dürfen ein anderes Unternehmen in einem Geschäftsverkehr, der gleichartigen Unternehmen üblicherweise zugänglich ist, weder unmittelbar noch mittelbar unbillig behindern oder gegenüber gleichartigen Unternehmen ohne sachlich gerechtfertigten Grund unmittelbar oder mittelbar unterschiedlich behandeln.
Wer marktbeherrschend ist, regelt § 19 Abs. 2 GWB:
(2) Ein Unternehmen ist marktbeherrschend, soweit es als Anbieter oder Nachfrager einer bestimmten Art von Waren oder gewerblichen Leistungen auf dem sachlich und räumlich relevanten Markt
(…)
2. eine im Verhältnis zu seinen Wettbewerbern überragende Marktstellung hat; hierbei sind insbesondere sein Marktanteil, seine Finanzkraft, sein Zugang zu den Beschaffungs- oder Absatzmärkten, Verflechtungen mit anderen Unternehmen, rechtliche oder tatsächliche Schranken für den Marktzutritt anderer Unternehmen, der tatsächliche oder potentielle Wettbewerb durch innerhalb oder außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes ansässige Unternehmen, die Fähigkeit, sein Angebot oder seine Nachfrage auf andere Waren oder gewerbliche Leistungen umzustellen, sowie die Möglichkeit der Marktgegenseite, auf andere Unternehmen auszuweichen, zu berücksichtigen.
Eine solche überragende Marktstellung lässt sich, wie schon die komplexe Formulierung der Vorschrift zeigt, nicht pauschal in Marktanteilen ausdrücken, vielmehr wird hier eine wertende Betrachtung unter Berücksichtigung insbesondere des Abstands zum nächsten Marktteilnehmer vorgenommen. Danach kommt als Kandidat für eine solche Einordnung – auf dem deutschen Markt – wohl vor allem Google in Betracht.
Die nächste Frage ist, ob die Aufnahme einer Internetseite „Geschäftsverkehr“ i.S. des § 20 I GWB ist. Mit „Geschäftsverkehr“ ist nicht notwendigerweise ein Vertrag gemeint, sondern vielmehr jeder privatrechtlich geregelte Verkehr mit Waren oder gewerblichen Leistungen. Darunter kann man auch die Tätigkeit einer Suchmaschine fassen.
Weiterhin muss die Indizierung anderen, gleichartigen (im Vergleich zum ausgeschlossenen) Unternehmen üblicherweise zugänglich sein. Das darf man im Ergebnis wohl bejahten, die Datenbanken der großen Suchmaschinen sind – im Ziel – auf eine gewisse Vollständigkeit ausgerichtet.
Zuletzt darf es keinen sachlichen Grund für die unterschiedliche Behandlung geben. Hier ist nun genau zu untersuchen, warum denn eine Seite im Google-Index nicht mehr gelistet wird, insbesondere dürfte ein Verstoß gegen die Google-Richtlinien oder ein Verstoß gegen anwendbare Gesetze durchaus ein völlig ausreichender Grund für den Ausschluss sein. Wenn ein solcher Fall aber nicht gegeben ist sehe ich § 20 Abs. 1 GWB als einschlägig an.
Aus § 20 Abs. 1 GWB kann man m.E. einen Anspruch auf Aufnahme in den Index ableiten. Aber nur gegen Google als marktbeherrschendes Unternehmen und nur, wenn es keinen sachlichen Grund gibt, warum Google eine Seite aus dem Index herausgenommen hat.
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