Anspruch auf Aufnahme in den Index einer Suchmaschine?

Wettbewerbsrecht | 30. Januar 2006
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Anläss­lich eines kon­kre­ten Falls muss­te ich mir heu­te eini­ge Gedan­ken zu der Fra­ge machen, ob es einen Rechts­an­spruch eines Unter­neh­mens gibt, in den Index einer Such­ma­schi­ne – hier Goog­le – auf­ge­nom­men zu wer­den. Noch ein wenig genau­er: wie­der auf­ge­nom­men zu wer­den, nach­dem man vor­her aus der Daten­bank ent­fernt wur­de. Grün­de für eine sol­che Ent­fer­nung kann es ja vie­le geben: Urhe­ber­rechts­strei­tig­kei­ten, Spamming, tech­ni­sche Pro­ble­me.

Zu die­ser Fra­ge gibt es nach mei­ner über­schlä­gi­gen Durch­sicht der Mei­nun­gen erstaun­lich wenig Ant­wor­ten. Genau genom­men fand ich nach einer (zuge­ge­be­ner­ma­ßen kur­zen) Recher­che zum The­ma genau eine brauch­ba­re Stel­lung­nah­me, einen kur­zen Auf­satz des hoch­ge­schätz­ten Kol­le­gen Dr. Bahr. Da mei­ne Über­le­gun­gen letzt­lich in eine ganz ähn­li­che Rich­tung gehen wie die des Kol­le­gen füge ich zum Zwe­cke der Bil­dung einer herr­schen­den Blog-Mei­nung hier mei­ne Erkennt­nis­se nebst eini­ger Details noch an.

Vertragliche Ansprüche

Typi­scher­wei­se beginnt die Erör­te­rung von Fra­gen wie der hier vor­lie­gen­den mit der Beleuch­tung ver­trag­li­cher Ansprü­che. Schließt ein Web­sei­ten­be­trei­ber mit einer Such­ma­schi­ne einen Ver­trag über die Auf­nah­me sei­ner Sei­ten in den Such­ma­schi­nen­in­dex ab?

Sicher nicht, indem er die Sei­ten ein­fach nur online stellt und dar­auf war­tet, dass die Bots vor­bei­schau­en und frü­her oder spä­ter die gefun­de­nen Infor­ma­tio­nen im Index lis­ten. Denn hier fehlt es an auf­ein­an­der bezo­ge­nen Wil­lens­er­klä­run­gen. Aber auch wenn der Sei­ten­be­trei­ber sei­ne Sei­te von Hand via der „URL hin­zu­fü­gen“ Opti­on bei der Such­ma­schi­ne anmel­det wird kein Ver­trag geschlos­sen. Denn hier wer­den zwar Infor­ma­tio­nen aus­ge­tauscht, aber kei­ne Wil­lens­er­klä­run­gen. Etwa Goog­le macht auf sei­ner „Hin­zu­fü­gen-Sei­te“ deut­lich:

Wir bie­ten Ihnen hier an, Ihre URL anzu­ge­ben. Aller­dings fügen wir unse­rem Index nicht alle URLs hin­zu und kön­nen auch kei­ne Garan­tie über­neh­men oder Vor­aus­sa­gen machen, ob und wann sie erschei­nen.

Ohne Ver­trag kann die (Wieder-)Aufnahme einer Sei­te in den Index jeden­falls nicht mit dem Argu­ment erzwun­gen wer­den, wid­ri­gen­falls läge ein Ver­trags­bruch vor.

Wettbewerbsrechtliche Ansprüche

Die Lösung kann aber das Kar­tell­recht bie­ten in Gestalt des GWB (Gesetz gegen Wett­be­werbs­be­schrän­kun­gen).

Als Vor­fra­ge: Vie­le Such­ma­schi­nen unter­wer­fen die Rechts­be­zie­hun­gen zwi­schen sich und den Nut­zern einem bestimm­ten Recht, in aller Regel nicht dem deut­schen. Goog­le etwa betont:

Die­se All­ge­mei­nen Dienst­leis­tungs­be­din­gun­gen sol­len in Über­ein­stim­mung mit den Geset­zen des Staa­tes Kali­for­ni­en bestimmt und aus­ge­legt wer­den, ohne dabei in Kon­flikt mit Rechts­vor­schrif­ten von Kali­for­ni­en oder Ihrem jewei­li­gen Wohn­ort oder Staat zu gera­ten.

Jeden­falls für die Fra­ge der Anwend­bar­keit des GWB dürf­te dies aber kei­ne Aus­wir­kun­gen haben, denn die­ses bestimmt:

§ 130 GWB
(…)
(2) Die­ses Gesetz fin­det Anwen­dung auf alle Wett­be­werbs­be­schrän­kun­gen, die sich im Gel­tungs­be­reich die­ses Geset­zes aus­wir­ken, auch wenn sie außer­halb des Gel­tungs­be­reichs die­ses Geset­zes ver­an­lasst wer­den.

Die inter­es­san­te Norm des GWB ist § 20 Abs. 1. Die­ser lau­tet:

§ 20 — Dis­kri­mi­nie­rungs­ver­bot, Ver­bot unbil­li­ger Behin­de­rung

(1) Markt­be­herr­schen­de Unter­neh­men, Ver­ei­ni­gun­gen von mit­ein­an­der im Wett­be­werb ste­hen­den Unter­neh­men im Sin­ne der §§ 2, 3 und 28 Abs. 1 und Unter­neh­men, die Prei­se nach § 28 Abs. 2 oder § 30 Abs. 1 Satz 1 bin­den, dür­fen ein ande­res Unter­neh­men in einem Geschäfts­ver­kehr, der gleich­ar­ti­gen Unter­neh­men übli­cher­wei­se zugäng­lich ist, weder unmit­tel­bar noch mit­tel­bar unbil­lig behin­dern oder gegen­über gleich­ar­ti­gen Unter­neh­men ohne sach­lich gerecht­fer­tig­ten Grund unmit­tel­bar oder mit­tel­bar unter­schied­lich behan­deln.

Wer markt­be­herr­schend ist, regelt § 19 Abs. 2 GWB:

(2) Ein Unter­neh­men ist markt­be­herr­schend, soweit es als Anbie­ter oder Nach­fra­ger einer bestimm­ten Art von Waren oder gewerb­li­chen Leis­tun­gen auf dem sach­lich und räum­lich rele­van­ten Markt

(…)

2. eine im Ver­hält­nis zu sei­nen Wett­be­wer­bern über­ra­gen­de Markt­stel­lung hat; hier­bei sind ins­be­son­de­re sein Markt­an­teil, sei­ne Finanz­kraft, sein Zugang zu den Beschaf­fungs- oder Absatz­märk­ten, Ver­flech­tun­gen mit ande­ren Unter­neh­men, recht­li­che oder tat­säch­li­che Schran­ken für den Markt­zu­tritt ande­rer Unter­neh­men, der tat­säch­li­che oder poten­ti­el­le Wett­be­werb durch inner­halb oder außer­halb des Gel­tungs­be­reichs die­ses Geset­zes ansäs­si­ge Unter­neh­men, die Fähig­keit, sein Ange­bot oder sei­ne Nach­fra­ge auf ande­re Waren oder gewerb­li­che Leis­tun­gen umzu­stel­len, sowie die Mög­lich­keit der Markt­ge­gen­sei­te, auf ande­re Unter­neh­men aus­zu­wei­chen, zu berück­sich­ti­gen.

Eine sol­che über­ra­gen­de Markt­stel­lung lässt sich, wie schon die kom­ple­xe For­mu­lie­rung der Vor­schrift zeigt, nicht pau­schal in Markt­an­tei­len aus­drü­cken, viel­mehr wird hier eine wer­ten­de Betrach­tung unter Berück­sich­ti­gung ins­be­son­de­re des Abstands zum nächs­ten Markt­teil­neh­mer vor­ge­nom­men. Danach kommt als Kan­di­dat für eine sol­che Ein­ord­nung – auf dem deut­schen Markt – wohl vor allem Goog­le in Betracht.

Die nächs­te Fra­ge ist, ob die Auf­nah­me einer Inter­net­sei­te „Geschäfts­ver­kehr“ i.S. des § 20 I GWB ist. Mit „Geschäfts­ver­kehr“ ist nicht not­wen­di­ger­wei­se ein Ver­trag gemeint, son­dern viel­mehr jeder pri­vat­recht­lich gere­gel­te Ver­kehr mit Waren oder gewerb­li­chen Leis­tun­gen. Dar­un­ter kann man auch die Tätig­keit einer Such­ma­schi­ne fas­sen.

Wei­ter­hin muss die Indi­zie­rung ande­ren, gleich­ar­ti­gen (im Ver­gleich zum aus­ge­schlos­se­nen) Unter­neh­men übli­cher­wei­se zugäng­lich sein. Das darf man im Ergeb­nis wohl bejah­ten, die Daten­ban­ken der gro­ßen Such­ma­schi­nen sind – im Ziel – auf eine gewis­se Voll­stän­dig­keit aus­ge­rich­tet.

Zuletzt darf es kei­nen sach­li­chen Grund für die unter­schied­li­che Behand­lung geben. Hier ist nun genau zu unter­su­chen, war­um denn eine Sei­te im Goog­le-Index nicht mehr gelis­tet wird, ins­be­son­de­re dürf­te ein Ver­stoß gegen die Goog­le-Richt­li­ni­en oder ein Ver­stoß gegen anwend­ba­re Geset­ze durch­aus ein völ­lig aus­rei­chen­der Grund für den Aus­schluss sein. Wenn ein sol­cher Fall aber nicht gege­ben ist sehe ich § 20 Abs. 1 GWB als ein­schlä­gig an.

Ergebnis

Aus § 20 Abs. 1 GWB kann man m.E. einen Anspruch auf Auf­nah­me in den Index ablei­ten. Aber nur gegen Goog­le als markt­be­herr­schen­des Unter­neh­men und nur, wenn es kei­nen sach­li­chen Grund gibt, war­um Goog­le eine Sei­te aus dem Index her­aus­ge­nom­men hat.

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