Anspruch auf Aufnahme in den Index einer Suchmaschine?

Wettbewerbsrecht | 30. Januar 2006
BEITRAG TEILEN
LinkedInXINGXFacebookEmailPrint

Anlässlich eines konkreten Falls musste ich mir heute einige Gedanken zu der Frage machen, ob es einen Recht­sanspruch eines Unternehmens gibt, in den Index ein­er Such­mas­chine – hier Google – aufgenom­men zu wer­den. Noch ein wenig genauer: wieder aufgenom­men zu wer­den, nach­dem man vorher aus der Daten­bank ent­fer­nt wurde. Gründe für eine solche Ent­fer­nung kann es ja viele geben: Urhe­ber­rechtsstre­it­igkeit­en, Spam­ming, tech­nis­che Prob­leme.

Zu dieser Frage gibt es nach mein­er über­schlägi­gen Durch­sicht der Mei­n­un­gen erstaunlich wenig Antworten. Genau genom­men fand ich nach ein­er (zugegeben­er­maßen kurzen) Recherche zum The­ma genau eine brauch­bare Stel­lung­nahme, einen kurzen Auf­satz des hochgeschätzten Kol­le­gen Dr. Bahr. Da meine Über­legun­gen let­ztlich in eine ganz ähn­liche Rich­tung gehen wie die des Kol­le­gen füge ich zum Zwecke der Bil­dung ein­er herrschen­den Blog-Mei­n­ung hier meine Erken­nt­nisse neb­st einiger Details noch an.

Vertragliche Ansprüche

Typ­is­cher­weise begin­nt die Erörterung von Fra­gen wie der hier vor­liegen­den mit der Beleuch­tung ver­traglich­er Ansprüche. Schließt ein Web­seit­en­be­treiber mit ein­er Such­mas­chine einen Ver­trag über die Auf­nahme sein­er Seit­en in den Such­maschi­nenin­dex ab?

Sich­er nicht, indem er die Seit­en ein­fach nur online stellt und darauf wartet, dass die Bots vor­beis­chauen und früher oder später die gefun­de­nen Infor­ma­tio­nen im Index lis­ten. Denn hier fehlt es an aufeinan­der bezo­ge­nen Wil­lenserk­lärun­gen. Aber auch wenn der Seit­en­be­treiber seine Seite von Hand via der „URL hinzufü­gen“ Option bei der Such­mas­chine anmeldet wird kein Ver­trag geschlossen. Denn hier wer­den zwar Infor­ma­tio­nen aus­ge­tauscht, aber keine Wil­lenserk­lärun­gen. Etwa Google macht auf sein­er „Hinzufü­gen-Seite“ deut­lich:

Wir bieten Ihnen hier an, Ihre URL anzugeben. Allerd­ings fügen wir unserem Index nicht alle URLs hinzu und kön­nen auch keine Garantie übernehmen oder Voraus­sagen machen, ob und wann sie erscheinen.

Ohne Ver­trag kann die (Wieder-)Aufnahme ein­er Seite in den Index jeden­falls nicht mit dem Argu­ment erzwun­gen wer­den, widri­gen­falls läge ein Ver­trags­bruch vor.

Wettbewerbsrechtliche Ansprüche

Die Lösung kann aber das Kartell­recht bieten in Gestalt des GWB (Gesetz gegen Wet­tbe­werb­s­beschränkun­gen).

Als Vor­frage: Viele Such­maschi­nen unter­w­er­fen die Rechts­beziehun­gen zwis­chen sich und den Nutzern einem bes­timmten Recht, in aller Regel nicht dem deutschen. Google etwa betont:

Diese All­ge­meinen Dien­stleis­tungs­be­din­gun­gen sollen in Übere­in­stim­mung mit den Geset­zen des Staates Kali­fornien bes­timmt und aus­gelegt wer­den, ohne dabei in Kon­flikt mit Rechtsvorschriften von Kali­fornien oder Ihrem jew­eili­gen Wohnort oder Staat zu ger­at­en.

Jeden­falls für die Frage der Anwend­barkeit des GWB dürfte dies aber keine Auswirkun­gen haben, denn dieses bes­timmt:

§ 130 GWB
(…)
(2) Dieses Gesetz find­et Anwen­dung auf alle Wet­tbe­werb­s­beschränkun­gen, die sich im Gel­tungs­bere­ich dieses Geset­zes auswirken, auch wenn sie außer­halb des Gel­tungs­bere­ichs dieses Geset­zes ver­an­lasst wer­den.

Die inter­es­sante Norm des GWB ist § 20 Abs. 1. Dieser lautet:

§ 20 — Diskri­m­inierungsver­bot, Ver­bot unbil­liger Behin­derung

(1) Mark­t­be­herrschende Unternehmen, Vere­ini­gun­gen von miteinan­der im Wet­tbe­werb ste­hen­den Unternehmen im Sinne der §§ 2, 3 und 28 Abs. 1 und Unternehmen, die Preise nach § 28 Abs. 2 oder § 30 Abs. 1 Satz 1 binden, dür­fen ein anderes Unternehmen in einem Geschäftsverkehr, der gle­ichar­ti­gen Unternehmen üblicher­weise zugänglich ist, wed­er unmit­tel­bar noch mit­tel­bar unbil­lig behin­dern oder gegenüber gle­ichar­ti­gen Unternehmen ohne sach­lich gerecht­fer­tigten Grund unmit­tel­bar oder mit­tel­bar unter­schiedlich behan­deln.

Wer mark­t­be­herrschend ist, regelt § 19 Abs. 2 GWB:

(2) Ein Unternehmen ist mark­t­be­herrschend, soweit es als Anbi­eter oder Nach­frager ein­er bes­timmten Art von Waren oder gewerblichen Leis­tun­gen auf dem sach­lich und räum­lich rel­e­van­ten Markt

(…)

2. eine im Ver­hält­nis zu seinen Wet­tbe­wer­bern über­ra­gende Mark­t­stel­lung hat; hier­bei sind ins­beson­dere sein Mark­tan­teil, seine Finanzkraft, sein Zugang zu den Beschaf­fungs- oder Absatzmärk­ten, Ver­flech­tun­gen mit anderen Unternehmen, rechtliche oder tat­säch­liche Schranken für den Mark­tzutritt ander­er Unternehmen, der tat­säch­liche oder poten­tielle Wet­tbe­werb durch inner­halb oder außer­halb des Gel­tungs­bere­ichs dieses Geset­zes ansäs­sige Unternehmen, die Fähigkeit, sein Ange­bot oder seine Nach­frage auf andere Waren oder gewerbliche Leis­tun­gen umzustellen, sowie die Möglichkeit der Mark­t­ge­gen­seite, auf andere Unternehmen auszuwe­ichen, zu berück­sichti­gen.

Eine solche über­ra­gende Mark­t­stel­lung lässt sich, wie schon die kom­plexe For­mulierung der Vorschrift zeigt, nicht pauschal in Mark­tan­teilen aus­drück­en, vielmehr wird hier eine wer­tende Betra­ch­tung unter Berück­sich­ti­gung ins­beson­dere des Abstands zum näch­sten Mark­t­teil­nehmer vorgenom­men. Danach kommt als Kan­di­dat für eine solche Einord­nung – auf dem deutschen Markt – wohl vor allem Google in Betra­cht.

Die näch­ste Frage ist, ob die Auf­nahme ein­er Inter­net­seite „Geschäftsverkehr“ i.S. des § 20 I GWB ist. Mit „Geschäftsverkehr“ ist nicht notwendi­ger­weise ein Ver­trag gemeint, son­dern vielmehr jed­er pri­va­trechtlich geregelte Verkehr mit Waren oder gewerblichen Leis­tun­gen. Darunter kann man auch die Tätigkeit ein­er Such­mas­chine fassen.

Weit­er­hin muss die Indizierung anderen, gle­ichar­ti­gen (im Ver­gle­ich zum aus­geschlosse­nen) Unternehmen üblicher­weise zugänglich sein. Das darf man im Ergeb­nis wohl bejaht­en, die Daten­banken der großen Such­maschi­nen sind – im Ziel – auf eine gewisse Voll­ständigkeit aus­gerichtet.

Zulet­zt darf es keinen sach­lichen Grund für die unter­schiedliche Behand­lung geben. Hier ist nun genau zu unter­suchen, warum denn eine Seite im Google-Index nicht mehr gelis­tet wird, ins­beson­dere dürfte ein Ver­stoß gegen die Google-Richtlin­ien oder ein Ver­stoß gegen anwend­bare Geset­ze dur­chaus ein völ­lig aus­re­ichen­der Grund für den Auss­chluss sein. Wenn ein solch­er Fall aber nicht gegeben ist sehe ich § 20 Abs. 1 GWB als ein­schlägig an.

Ergebnis

Aus § 20 Abs. 1 GWB kann man m.E. einen Anspruch auf Auf­nahme in den Index ableit­en. Aber nur gegen Google als mark­t­be­herrschen­des Unternehmen und nur, wenn es keinen sach­lichen Grund gibt, warum Google eine Seite aus dem Index her­ausgenom­men hat.

BEITRAG TEILEN
LinkedInXINGXFacebookEmailPrint

Aktuelles

Weitere Beiträge des Autors

Wettbewerbsrecht 16. Februar 2023

BGH zu Affiliate-Marketing: Alles ist schrecklich, aber Amazon haftet trotzdem nicht für seine Partner

Amazon muss nicht für seine Affiliate-Partner haften, entschied der Bundesgerichtshof. Rechtlich ist das Urteil kaum zu beanstanden, aber trotzdem hinterlässt es einen bitteren Nachgeschmack. Eine Einschätzung von Arne Trautmann.  (mehr …)

Crypto 20. Januar 2023

DAO: Die codierte Organisation

Haben Sie schon jemals darüber nachgedacht, was sich hinter dem Begriff „dezentralisierte autonome Organisation“ (DAO) verbirgt und welchen Einfluss die DAO im Alltag hat? Arne Trautmann berichtet aus der Fachwelt.  (mehr …)