K(l)eine Exegese zur Berufsverschwiegenheit in Prüfklauseln

Vertragsrecht | 28. Juni 2006
BEITRAG TEILEN
LinkedInXINGXFacebookEmailPrint

Immer wie­der stol­pert man bei der Prü­fung von Ver­trä­gen über ganz bestimm­te, häu­fig wie­der­keh­ren­de Klau­seln. Die ent­wi­ckeln sich schnell zu „alten Bekann­ten“, man denkt bald gar nicht mehr wirk­lich nach, wenn man ein sol­ches Exem­plar erspäht. Man macht ein­fach ein Häk­chen an den Rand des Tex­tes.

Dabei lohnt es sich durch­aus, ab und an auch bei sol­chen Stan­dards auf die Klei­nig­kei­ten zu ach­ten, auch wenn es manch­mal ein wenig über­kan­di­delt wir­ken mag. Neh­men wir doch ein­mal als Bei­spiel eine gera­de­zu klas­si­sche Prüf- und Ein­sicht­klau­sel, wie sie etwa ein Lizenz­neh­mer einem Lizenz­ge­ber gewährt. Hin­ter­grund ist die Prü­fung der Abrech­nung einer Stück­li­zenz, etwa beim Ver­viel­fäl­ti­gung und Ver­trieb einer Soft­ware oder Her­stel­lung und Ver­trieb eines paten­tier­ten Gegen­stands. Da will sich der Lizenz­ge­ber ver­ständ­li­cher­wei­se gegen­über dem Lizenz­neh­mer ein Kon­troll­recht vor­be­hal­ten.

Das kann dann so aus­se­hen:

Der Lizenz­neh­mer gewährt dem Lizenz­ge­ber das Recht, durch einen zur Berufs­ver­schwie­gen­heit ver­pflich­te­ten Drit­ten bis zu zwei­mal jähr­lich Ein­sicht in die die­sen Ver­trag und die Ver­wen­dung und den Ver­kauf des Lizenz­ge­gen­stan­des betref­fen­den Geschäfts­bü­cher und ‑unter­la­gen des Lizenz­neh­mers zu neh­men. Die dabei ent­ste­hen­den Kos­ten wer­den vom Lizenz­neh­mer getra­gen, wenn eine Abwei­chung zuguns­ten des Lizenz­neh­mers von mehr als fünf Pro­zent (5%) der ins­ge­samt geschul­de­ten Beträ­ge fest­ge­stellt wird, ansons­ten vom Lizenz­ge­ber.

Zuge­las­sen zur Prü­fung sind hier also jeg­li­che zur Berufs­ver­schwie­gen­heit ver­pflich­te­te Per­so­nen. Nach dem Sinn der Rege­lung sind das in aller Regel Wirt­schafts­prü­fer, ab und an auch Steu­er­be­ra­ter oder Rechts­an­wäl­te.

Ähn­li­che Rege­lun­gen fin­den sich gern auch in Gesell­schafts­ver­trä­gen:

Die Gesell­schaf­ter kön­nen sich durch Per­so­nen, die zur Berufs­ver­schwie­gen­heit ver­pflich­tet sind, ver­tre­ten las­sen.

Auch hier stellt man dem Sinn nach natür­lich ganz klas­sisch auf die rechts- und wirt­schafts­be­ra­ten­den Beru­fe ab. Bloß sagt das die Klau­sel letzt­lich so scharf eigent­lich nicht. Denn sie nennt eben die „Berufs­ver­schwie­gen­heit“ als Anknüp­fungs­punkt.

Zur Berufs­ver­schwie­gen­heit ver­pflich­tet sind aber – jeden­falls nach § 203 StGB – unter ande­ren auch Ärz­te und Tier­ärz­te, Ehe­be­ra­ter, Ange­hö­ri­gen eines Unter­neh­mens der Kran­ken- oder Lebens­ver­si­che­rung sowie Sozi­al­ar­bei­ter. Bei Geist­li­chen ken­ne ich mich nicht aus, § 53 StPO und § 139 StGB geben ja nur ein Schwei­ge­recht, kei­ne Schwei­ge­pflicht, aber im Zwei­fel sind berufs­recht­li­che Rege­lun­gen dort ohne­hin, nun, über­ge­setz­lich abge­si­chert.

Man darf davon aus­ge­hen, dass im Nor­mal­fall Lizenz­ge­ber eher ungern Ehe­be­ra­tern oder Apo­the­kern – auch wenn die­se Beru­fe hoch ehren­haft sind – Ein­sicht in ihre Bücher gestat­ten; Gesell­schaf­ter wer­den in aller Regel mit einem Kran­ken­ver­si­che­rer als Ver­tre­ter eines Mit­ge­sell­schaf­ters wenig glück­lich. Auch wenn man im Zwei­fel mit einer am Sinn der Klau­sel ori­en­tier­ten Aus­le­gung des Ver­tra­ges zum Ziel der Begren­zung des erfass­ten Per­so­nen­krei­ses kommt kann es, mei­ne ich, doch nicht scha­den, sol­che Klau­seln viel­leicht doch ein wenig kla­rer zu fas­sen. Etwa:

Der Lizenz­ge­ber ist berech­tigt, die Abrech­nung ein­mal jähr­lich durch einen zur Berufs­ver­schwie­gen­heit ver­pflich­te­ten Berufs­trä­ger der rechts- wirt­schafts- und/oder steu­er­be­ra­ten­den Beru­fe in Form der Ein­sicht­nah­me in die Bücher des Lizenz­neh­mers prü­fen zu las­sen.

BEITRAG TEILEN
LinkedInXINGXFacebookEmailPrint

Aktuelles

Weitere Beiträge des Autors

Wettbewerbsrecht 16. Februar 2023

BGH zu Affiliate-Marketing: Alles ist schrecklich, aber Amazon haftet trotzdem nicht für seine Partner

Amazon muss nicht für seine Affiliate-Partner haften, entschied der Bundesgerichtshof. Rechtlich ist das Urteil kaum zu beanstanden, aber trotzdem hinterlässt es einen bitteren Nachgeschmack. Eine Einschätzung von Arne Trautmann.  (mehr …)

Crypto 20. Januar 2023

DAO: Die codierte Organisation

Haben Sie schon jemals darüber nachgedacht, was sich hinter dem Begriff „dezentralisierte autonome Organisation“ (DAO) verbirgt und welchen Einfluss die DAO im Alltag hat? Arne Trautmann berichtet aus der Fachwelt.  (mehr …)