Betriebsschließungsversicherung im Lockdown: BGH lässt Gastwirt leer ausgehen

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Versicherungsrecht | 28. Januar 2022
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Viele Restau­rants, Hotels und andere Unternehmen mussten während der Coro­na-Lock­downs auf behördliche Anord­nung schließen. Der BGH hat nun den Ver­sicherungss­chutz aus ein­er Betrieb­ss­chließungsver­sicherung verneint, weil Covid-19 nicht in den Ver­sicherungs­be­din­gun­gen aufge­führt ist. Die Grund­satzentschei­dung hat Bedeu­tung für viele Betriebe.

Ob bzw. nach welchen Ver­sicherungs­be­din­gun­gen Gas­tronomen, die ihre Betriebe wegen Coro­na schließen mussten, Ansprüche aus Betrieb­ss­chließungsver­sicherun­gen haben, wurde seit dem ersten Lock­down in Wis­senschaft und Recht­sprechung höchst kon­tro­vers beurteilt.

Nun ist das erste höch­strichter­liche Urteil da: Der für das Ver­sicherungsrecht zuständi­ge IV. Zivilse­n­at des Bun­des­gericht­shofs (BGH) hat am 27. Jan­u­ar entsch­ieden, dass eine behördliche Betrieb­ss­chließung zur Eindäm­mung des Coro­na-Virus kein Ver­sicherungs­fall in der Betrieb­ss­chließungsver­sicherung ist, wenn die Ver­sicherungs­be­din­gun­gen bes­timmte meldepflichtige Krankheit­en und Krankheit­ser­reger abschließend auflis­ten und die Covid-19-Krankheit bzw. das Coro­na-Virus hier­bei nicht genan­nt wer­den (BGH, Urt. v. 26.01.2022, Az. IV ZR 144/21). Damit schafft er Klarheit für eine Vielzahl ver­gle­ich­bar­er Fälle, doch es kommt weit­er­hin auf die For­mulierung der Klausel in den Ver­sicherungs­be­din­gun­gen an.

Ursache für die Schließung muss nicht im Betrieb selbst liegen

In dem entsch­iede­nen Fall klagte der Betreiber eines Restau­rants in Travemünde auf Fest­stel­lung, dass ihm wegen der Schließung im Lock­down Entschädi­gung aus sein­er Ver­sicherung zuste­he. Er hat­te seinen Restau­rant­be­trieb auf­grund der am 18. März 2022 in Kraft getrete­nen Verord­nung der Schleswig-Hol­steinis­chen Lan­desregierung eingestellt und bot lediglich noch einen Liefer­di­enst außer Haus an.

In den Klauseln seines Ver­sicherungsver­trags ist als Voraus­set­zung für den Ver­sicherungss­chutz bes­timmt, dass die zuständi­ge Behörde auf­grund des Infek­tion­ss­chutzge­set­zes (IfSG) beim Auftreten meldepflichtiger Krankheit­en oder Krankheit­ser­reger den ver­sicherten Betrieb schließt, um zu ver­hin­dern, dass sich meldepflichtige Krankheit­en oder Krankheit­ser­reger beim Men­schen ver­bre­it­en. Die Klausel enthält zudem unter dem Punkt „Meldepflichtige Krankheit­en und Krankheit­ser­reger im Sinne dieser Zusatzbe­din­gun­gen sind die fol­gen­den, im Infek­tion­ss­chutzge­setz in den §§ 6 und 7 namentlich genan­nten Krankheit­en und Krankheit­ser­reger“ eine Auflis­tung, die einzelne Krankheit­en und Krankheit­ser­reger benen­nt. Covid-19 bzw. Coro­na sind dort nicht aufge­führt.

Zwar hat der BGH klargestellt, dass der Ver­sicherungs­fall nicht bere­its daran scheit­ere, dass die Betrieb­ss­chließung nicht erfol­gte, weil ger­ade in dem betrof­fe­nen Restau­rant ein Virus aufge­treten wäre. Eine solche intrin­sis­che Ursache hat­te u.a. das Ober­lan­des­gericht Schleswig-Hol­stein als Vorin­stanz noch für nötig gehal­ten. Der BGH stellt dage­gen klar: Ver­sicherungss­chutz kann auch bei Schließun­gen im Rah­men von Lock­downs auf Grund­lage von All­ge­mein­ver­fü­gun­gen beste­hen, wenn also die Ursachen nicht aus dem Betrieb selb­st kom­men.

 Abgeschlossene Liste versicherter Krankheiten enthält Corona nicht

Der BGH kommt allerd­ings zu dem Ergeb­nis, dass der in den Bedin­gun­gen enthal­tende Kat­a­log von Krankheit­en und Krankheit­ser­regern abschließend sei. Ver­sicherungss­chutz beste­he daher auss­chließlich für Betrieb­ss­chließun­gen wegen der dort expliz­it genan­nten Krankheit­en und Erreger.

Dies folge aus der Ausle­gung der Ver­sicherungs­be­din­gun­gen aus der Sicht eines durch­schnit­tlichen Ver­sicherungsnehmers. Der könne zum einen auf­grund des Wort­lauts erken­nen, dass die Ver­sicherungs­be­din­gun­gen eine eigen­ständi­ge Def­i­n­i­tion meldepflichtiger Krankheit­en oder Krankheit­ser­reger vornehmen.  Diese Def­i­n­i­tion müsse trotz des Ver­weis­es der Klausel auf die Vorschriften im IfSG, in die das Coro­na-Virus mit­tler­weile aufgenom­men wurde, nicht mit dem Kat­a­log von Krankheit­en im IfSG übere­in­stim­men.

Zum anderen erk­lärt der BGH die Aufzäh­lung der Krankheit­en und Erreger, die Covid-19 eben nicht enthält, für abschließend. Auch hier­an ändere der Ver­weis auf die im IfSG genan­nten Krankheit­en und Krankheit­ser­reger nichts, so der Sen­at. Er sei, durch die Brille des Durch­schnittsver­sicherten gese­hen, als bloße Klarstel­lung zu ver­ste­hen, dass sich der Ver­sicher­er bei der Erstel­lung der Auflis­tung inhaltlich an den Regelun­gen des IfSG ori­en­tiert habe.

Für die Inter­pre­ta­tion, dass die Auflis­tung von Krankheit­en und Erregern, wegen denen eine Betrieb­ss­chließung den Ver­sicherungs­fall aus­löst, abschließend ist, spreche auch der Sinn und Zweck der Klausel. So sei zwar ein­er­seits das Inter­esse des Ver­sicherungsnehmers an einem möglichst lück­en­losen Ver­sicherungss­chutz zu beacht­en. Gle­ich­wohl könne der aber ander­er­seits nicht annehmen, dass der Ver­sicher­er auch für nicht in dem Kat­a­log genan­nte Krankheit­en und Krankheit­ser­reger ein­treten will. Denn schließlich kön­nten auch noch Jahre nach Abschluss der Ver­sicherung neuar­tige Erreger auftreten, wie es ger­ade durch die Coro­na-Pan­demie deut­lich gewor­den ist. Hier­durch würde sich ein für den Ver­sicher­er nicht kalkulier­bares Risiko ergeben.

Aufs Kleingedruckte kommt es an

Schließlich stellt der BGH auch keine Ver­stöße der Klausel im Rah­men der AGB-rechtlichen Inhalt­skon­trolle gemäß § 307 Abs. 1 und 2 Bürg­er­lich­es Geset­zbuch (BGB) fest. So seien die Klauseln zum einen trans­par­ent genug: Dem durch­schnit­tlichen Ver­sicherungsnehmer werde nicht der unrichtige Ein­druck sug­geriert, dass der Ver­sicherungss­chutz für Betrieb­ss­chließun­gen eins zu eins deck­ungs­gle­ich mit den auf Basis des IfSG möglichen Betrieb­ss­chließun­gen sei. Zudem benachteilige die Klausel den Ver­sicherungsnehmer auch nicht unangemessen.

Zwar kommt es auch nach der Entschei­dung des BGH immer auf den genauen Inhalt der in den jew­eili­gen Ver­sicherungsver­trag ein­be­zo­ge­nen Ver­sicherungs­be­din­gun­gen an. Die Bedin­gun­gen, über die der BGH nun entsch­ieden hat, sind am Markt allerd­ings weit ver­bre­it­et. Auch für viele andere betrof­fene Betriebe, die im Lock­down schließen musste, ste­ht mit dem Urteil daher fest, dass ihre Betrieb­ss­chließungsver­sicherung keine Entschädi­gung zahlen muss. Keine Auswirkung dürfte die BGH-Entschei­dung lediglich für Betriebe haben, deren Ver­sicherungs­be­din­gun­gen keinen abschließen­den Kat­a­log mit namentlich genan­nten Krankheit­en bzw. Krankheit­ser­regern enthal­ten. Wie so oft gilt auch hier: Aufs Kleinge­druck­te kommt es an.

Der Autor Markus Kim­pel ist Fachan­walt für Ver­sicherungsrecht bei SNP Schlaw­ien Part­ner­schaft mbB in Düs­sel­dorf und hat langjährige Erfahrung in der Beratung und Vertre­tung von Ver­sicherungsnehmern und Ver­sicherung­sun­ternehmen. https://de.linkedin.com/in/markus-kimpel-19968b173

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