Allein ein zerrüttetes Mietverhältnis und selbst eine Strafanzeige gegen die Vermieterin rechtfertigen keine außerordentliche fristlose Kündigung. Der BGH bescheinigte einer Vermieterin, es sei ihr nicht unzumutbar, dass die Mieterin bleibt, obwohl der Konflikt im Mietshaus bereits seit Jahren schwelte.
Mit Urteil vom 29.11.2023 (Az. VIII ZR 211/22) hat der Bundesgerichtshof (BGH) klargestellt, dass allein eine Zerrüttung des Mietverhältnisses keine außerordentlich fristlose Kündigung gemäß § 543 Abs. 1 BGB rechtfertigt, wenn die Mieterin sich nicht tatsächlich nachweisbar pflichtwidrig verhalten hat. Auch eine Strafanzeige gegen die Vermieterin begründet keine fristlose Kündigung, wenn die Mieterin damit eigene berechtigte Interessen wahrnimmt.
Die klagende Vermieterin und die beklagte Mieterin, über deren Rechtsstreit der Bundesgerichtshof (BGH) zu entscheiden hatte, bewohnen dasselbe Haus. Dort kam es schon seit einigen Jahren regelmäßig zu Auseinandersetzungen zwischen den Mietvertragsparteien wegen angeblicher beidseitiger Vertragsverletzungen. Nachdem die Vermieterin behauptet hatte, die Mieterin hätte sich rassistisch gegenüber Ausländern geäußert, erstattete die Mieterin Strafanzeige gegen ihre Vermieterin wegen Verleumdung. Der Vorwurf der rassistischen Äußerungen erwies sich als unwahr.
Dennoch nahm die Vermieterin die Strafanzeige zum Anlass, der Mieterin außerordentlich fristlos, hilfsweise ordentlich zu kündigen. Als Begründung nannte sie die durch die Strafanzeige verursachte unzumutbare Zerrüttung des Mietverhältnisses und Zerstörung des Vertrauensverhältnisses.
Nachdem schon ihre Klage auf Räumung und Herausgabe der Mietsache bereits in den Instanzen (AG Brühl, Urt. 26.10.2021, Az. 24 C 46/21, LG Köln (Urt. v. 08.09.2022, Az. 1 S 22/22) erfolglos war, hatte auch die zugelassene Revision der Vermieterin vor dem BGH keinen Erfolg.
BGH: Keine Kündigung ohne pflichtwidriges Mieterverhalten
Der BGH führt aus, dass es im Wohnraummietrecht für eine fristlose Kündigung grundsätzlich nicht genügt, dass das Mietverhältnisses in dem Sinne zerrüttet ist, dass seine Vertrauensgrundlage zerstört ist. Der andere Vertragsteil müsste sich laut den obersten Zivilrichtern vielmehr zumindest auch pflichtwidrig verhalten haben und dieses pflichtwidrige Verhalten müsse die Ursache für die Zerrüttung des Mietverhältnisses gewesen sein.
Denn gemäß § 543 Abs. 1 BGB liegt eine Zerrüttung des Mietverhältnisses grundsätzlich nur dann vor, wenn dem Kündigenden, hier der Vermieterin, unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung beidseitiger Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses nicht mehr zugemutet werden kann. Denn im Wohnraummietverhältnis genießt die Mieterpartei einen besonderen Schutz.
Da die Auseinandersetzungen zwischen den zerstrittenen Prozessparteien in diesem Fall auf Gegenseitigkeiten beruhten, sind diese laut dem BGH nicht allein der Mieterin zuzuschreiben. Im Gegenteil: Durch die wahrheitswidrigen Rassismusvorwürfe hat die Vermieterin selbst nicht in unerheblichem Maße gegen ihre mietvertraglichen Pflichten verstoßen.
Auch dass Mieterin und Vermieterin sich schon länger stritten, rechtfertigt laut dem BGH keine fristlose Kündigung. Denn die Tatsache, dass ein Konflikt der Mietvertragsparteien lange andauert, kann laut dem BGH allein ebenfalls nicht zu einer die außerordentliche fristlose Kündigung rechtfertigenden Zerrüttung des Vertrauensverhältnisses führen.
Das Urteil des BGH verdeutlicht, dass Vermieter von Wohnraum sich nicht einfach darauf berufen können, dass das Vertrauen zum Mieter beschädigt und das Mietverhältnis zerrüttet sei. Einmal mehr zeigt der BGH sich mieterfreundlich, es braucht ein konkretes pflichtwidriges Verhalten, um sich von einem unliebsamen Mieter zu lösen. Die Spielräume dafür sind mit diesem Urteil noch einmal kleiner geworden.
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Miet- und Wohnungseigentumsrecht
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