BGH zu Nutzungsrechten an Software

IT-Recht | 10. Oktober 2005
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Eine auf den ers­ten Blick wenig auf­re­gen­de, im Detail aber höchst span­nen­de und lehr­rei­che Ent­schei­dung zum IT- und Urhe­ber­recht hat der BGH mit Urteil vom 3.3.2005, AZ I ZR 111/02 gefällt und kürz­lich ver­öf­fent­licht.

In der Sache geht es – grob ver­ein­facht – um fol­gen­des:

Die Par­tei­en des Falls strei­ten um Nut­zungs­rech­te an einer Soft­ware für die Mode­bran­che: „Fash 2000“. Die­se war ursprüng­lich von einem Pro­gram­mie­rer A erstellt wor­den, der sie einem Sys­tem­haus über­ließ, spä­ter ent­wi­ckel­ten B, C und D die Soft­ware für das Sys­tem­haus wei­ter. Das Sys­tem­haus wur­de bald insol­vent. Der Insol­venz­ver­wal­ter woll­te die Soft­ware gut ver­mark­ten, um dar­aus Erlö­se für die Insol­venz­mas­se zu erzie­len. Er trat daher an einen Inves­tor, die jet­zi­ge Klä­ge­rin her­an. Die kauf­te „Fash 2000“ vom Insol­venz­ver­wal­ter. Spä­ter grün­de­ten B und C eine eige­ne Gesell­schaft, die Beklag­te, den D stell­ten sie als Mit­ar­bei­ter an.

Die Beklag­te (mit den Pro­gram­mie­rern, die das Pro­gramm wei­ter ent­wi­ckelt hat­ten) wickel­te wei­ter­hin Ver­trä­ge über „Fash 2000“ ab. Die Klä­ge­rin ver­lang­te Unter­las­sung des Ver­triebs der Soft­ware, Aus­kunft, Fest­stel­lung der Ver­pflich­tung zum Scha­den­er­satz und mach­te eini­ge wei­te­re Neben­an­sprü­che gel­tend: sie hät­te schließ­lich die allei­ni­gen Rech­te an dem Pro­gramm. Die Beklag­te trat dem ent­ge­gen. Sie führ­te ins­be­son­de­re aus, ihr Geschäfts­füh­rer B habe sei­ne Zustim­mung zum Erwerb die­ser Soft­ware durch die Klä­ge­rin nicht erteilt. Da er aber an der Wei­ter­ent­wick­lung von „Fash 2000“ betei­ligt gewe­sen sei, wäre dies not­wen­dig. Die Klä­ge­rin hät­te also gar kei­ne Rech­te.

Der BGH beschäf­tigt sich in die­sem Zusam­men­hang vor allem mit drei inter­es­san­ten Punk­ten:

1. Er äußert sich zur urhe­ber­recht­li­chen Schutz­fä­hig­keit von Soft­ware. Die­se ist – jeden­falls bei einem rela­tiv kom­ple­xen, über Jah­re hin­weg wei­ter­ent­wi­ckel­ten Pro­gram­men – in der Regel gege­ben. Wenn also, und so sieht es das Gericht, eine „tat­säch­li­che Ver­mu­tung“ für die hin­rei­chen­de Indi­vi­dua­li­tät der Pro­gram­mie­rung und damit Schutz­fä­hig­keit spricht, dann hat dies Ein­fluss auf die Dar­le­gungs- und Beweis­last im IT-Pro­zess. Es ist dann näm­lich Sache des­je­ni­gen, der sich auf die man­geln­de Schutz­fä­hig­keit der Soft­ware beruft, dies dar­zu­le­gen und zu bewei­sen. Und das unab­hän­gig davon, ob er nach den „nor­ma­len“ Beweis­last­re­geln hier­zu ver­pflich­tet wäre.

2. Das Gericht führt zur Aus­le­gung urhe­ber­recht­li­cher Ver­trä­ge aus. Frag­lich im Fall war die Stel­lung einer an der Pro­gram­mie­rung der Soft­ware betei­lig­ten Per­son, des B. Die­ser war bei der Wei­ter­ent­wick­lung des Pro­gramms kein Arbeit­neh­mer des spä­ter insol­ven­ten Sys­tem­hau­ses, so dass die Ver­mu­tung des § 69b UrhG (was ein Arbeit­neh­mer in Aus­übung sei­ner Tätig­keit schafft, steht i.d.R. dem Arbeit­ge­ber zu) nicht ein­schlä­gig war. Viel­mehr war er frei­er Mit­ar­bei­ter des Sys­tem­hau­ses mit fes­tem, monat­lich zu zah­len­dem Ent­gelt. Eine aus­drück­li­che Rege­lung über die Über­tra­gung von Rech­ten gab es nicht.

Das Gericht der ers­ten Instanz ging daher davon aus, dass die­ser Pro­gram­mie­rer sei­ne Rech­te nicht umfas­send auf das Sys­tem­haus über­tra­gen hat­te. Dann hät­te aber auch die Klä­ge­rin von die­sem Sys­tem­haus kei­ne Rech­te erwer­ben kön­nen, denn die urhe­ber­recht­li­che Recht­eket­te ist nur so stark wie ihr schwächs­tes Glied.

Der BGH ließ nun – völ­lig zu Recht – die Kir­che im Dorf:

Unter die­sen Umstän­den (Dienst­ver­trag mit monat­li­cher Fix­zah­lung, d.A.) liegt die Annah­me fern, daß die urhe­ber­recht­li­chen Befug­nis­se voll­stän­dig bei Ri. ver­blei­ben soll­ten. Dies hät­te zur Fol­ge gehabt, daß MSR die Arbeit an dem Pro­gramm durch eine monat­li­che Ver­gü­tung bezahlt hät­te, ohne in der Lage zu sein, das fer­ti­ge Pro­gramm bestim­mungs­ge­mäß zu ver­mark­ten. (…). Der Grund­satz, daß Ver­trä­ge nach bei­den Sei­ten inter­es­sen­ge­recht aus­zu­le­gen sind, steht einer sol­chen Aus­le­gung ent­ge­gen.

3. Der BGH macht sich zuletzt im Rah­men der Fra­ge, wel­che Rech­te die Beklag­te auf jeden Fall erwor­ben hat, Gedan­ken dar­um, wann in Bezug auf eine Soft­ware Mit­ur­he­ber­schaft vor­liegt (§ 8 UrhG) und wann ledig­lich eine abhän­gi­ge Bear­bei­tung (§ 3 UrhG) vor­liegt. Denn an der Beklag­ten betei­ligt sind ja die drei Pro­gram­mie­rer, die “Fash 2000” wei­ter ent­wi­ckel­ten, nicht aber der ursprüng­li­che Pro­gram­mie­rer. Die Fra­ge war also, ob — in jedem Fall — die Klä­ge­rin wenigs­tes des­sen ursprüng­li­chen Rech­te erwor­ben hat. Der BGH:

Vor­aus­set­zung für eine Mit­ur­he­ber­schaft ist eine ein­heit­li­che Schöp­fung, die einen ent­spre­chen­den natür­li­chen Hand­lungs­wil­len der betei­lig­ten Urhe­ber vor­aus­setzt (…). Bei zeit­lich gestaf­fel­ten Bei­trä­gen (…), ist eine Mit­ur­he­ber­schaft zwar nicht aus­ge­schlos­sen; sie setzt jedoch vor­aus, daß – wovon im Streit­fall in Erman­ge­lung ent­spre­chen­der Fest­stel­lun­gen nicht aus­ge­gan­gen wer­den kann – jeder Betei­lig­te sei­nen (schöp­fe­ri­schen) Bei­trag in Unter­ord­nung unter die gemein­sa­me Gesamt­idee erbracht hat (…). Fehlt es hier­an, weil die spä­te­ren Ergän­zun­gen und Ver­bes­se­run­gen vom Hand­lungs­wil­len des ursprüng­li­chen Pro­gram­mie­rers nicht umfaßt sind, ist eine Mit­ur­he­ber­schaft aller betei­lig­ten Urhe­ber zu ver­nei­nen. In die­sem Fall lie­gen in den spä­te­ren Ver­än­de­run­gen abhän­gi­ge Bear­bei­tun­gen (…).

Was ist der Unter­schied in der Pra­xis? Im Fall der Mit­ur­he­ber­schaft müs­sen alle Urhe­ber gemein­sam die Über­tra­gung von Nut­zungs­rech­ten vor­neh­men oder die­ser zustim­men. Fehlt auch nur einer, ist die Über­tra­gung eben nicht wirk­sam. Aller­dings darf ein Mit­ur­he­ber sei­ne Zustim­mung nicht wider Treu und Glau­ben ver­wei­gern, § 8 Abs. 2 Satz 2 UrhG.

Im Fall der abhän­gi­gen Bear­bei­tung dage­gen kann der ursprüng­li­che Urhe­ber ganz allein Rech­te an dem ursprüng­li­chen (unbe­ar­bei­te­ten) Werk ein­räu­men. Die Bear­bei­tung (etwa eine Wei­ter­ein­wick­lung, ein Update oder eine Ver­bes­se­rung) ist davon zwar nicht erfasst – hier­zu muss der Bear­bei­ter gefragt wer­den – aber in aller Regel lässt sich ja auch das unbe­ar­bei­te­te Pro­gramm schon ver­wen­den.

In der Sache konn­te der BGH nicht durch­ent­schei­den, er hält wei­te­re Auf­klä­rung des Falls für erfor­der­lich und hat die Ange­le­gen­heit daher an die Vor­in­stanz zurück­ver­wie­sen.

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