Eine auf den ersten Blick wenig aufregende, im Detail aber höchst spannende und lehrreiche Entscheidung zum IT- und Urheberrecht hat der BGH mit Urteil vom 3.3.2005, AZ I ZR 111/02 gefällt und kürzlich veröffentlicht.
In der Sache geht es – grob vereinfacht – um folgendes:
Die Parteien des Falls streiten um Nutzungsrechte an einer Software für die Modebranche: „Fash 2000“. Diese war ursprünglich von einem Programmierer A erstellt worden, der sie einem Systemhaus überließ, später entwickelten B, C und D die Software für das Systemhaus weiter. Das Systemhaus wurde bald insolvent. Der Insolvenzverwalter wollte die Software gut vermarkten, um daraus Erlöse für die Insolvenzmasse zu erzielen. Er trat daher an einen Investor, die jetzige Klägerin heran. Die kaufte „Fash 2000“ vom Insolvenzverwalter. Später gründeten B und C eine eigene Gesellschaft, die Beklagte, den D stellten sie als Mitarbeiter an.
Die Beklagte (mit den Programmierern, die das Programm weiter entwickelt hatten) wickelte weiterhin Verträge über „Fash 2000“ ab. Die Klägerin verlangte Unterlassung des Vertriebs der Software, Auskunft, Feststellung der Verpflichtung zum Schadenersatz und machte einige weitere Nebenansprüche geltend: sie hätte schließlich die alleinigen Rechte an dem Programm. Die Beklagte trat dem entgegen. Sie führte insbesondere aus, ihr Geschäftsführer B habe seine Zustimmung zum Erwerb dieser Software durch die Klägerin nicht erteilt. Da er aber an der Weiterentwicklung von „Fash 2000“ beteiligt gewesen sei, wäre dies notwendig. Die Klägerin hätte also gar keine Rechte.
Der BGH beschäftigt sich in diesem Zusammenhang vor allem mit drei interessanten Punkten:
1. Er äußert sich zur urheberrechtlichen Schutzfähigkeit von Software. Diese ist – jedenfalls bei einem relativ komplexen, über Jahre hinweg weiterentwickelten Programmen – in der Regel gegeben. Wenn also, und so sieht es das Gericht, eine „tatsächliche Vermutung“ für die hinreichende Individualität der Programmierung und damit Schutzfähigkeit spricht, dann hat dies Einfluss auf die Darlegungs- und Beweislast im IT-Prozess. Es ist dann nämlich Sache desjenigen, der sich auf die mangelnde Schutzfähigkeit der Software beruft, dies darzulegen und zu beweisen. Und das unabhängig davon, ob er nach den „normalen“ Beweislastregeln hierzu verpflichtet wäre.
2. Das Gericht führt zur Auslegung urheberrechtlicher Verträge aus. Fraglich im Fall war die Stellung einer an der Programmierung der Software beteiligten Person, des B. Dieser war bei der Weiterentwicklung des Programms kein Arbeitnehmer des später insolventen Systemhauses, so dass die Vermutung des § 69b UrhG (was ein Arbeitnehmer in Ausübung seiner Tätigkeit schafft, steht i.d.R. dem Arbeitgeber zu) nicht einschlägig war. Vielmehr war er freier Mitarbeiter des Systemhauses mit festem, monatlich zu zahlendem Entgelt. Eine ausdrückliche Regelung über die Übertragung von Rechten gab es nicht.
Das Gericht der ersten Instanz ging daher davon aus, dass dieser Programmierer seine Rechte nicht umfassend auf das Systemhaus übertragen hatte. Dann hätte aber auch die Klägerin von diesem Systemhaus keine Rechte erwerben können, denn die urheberrechtliche Rechtekette ist nur so stark wie ihr schwächstes Glied.
Der BGH ließ nun – völlig zu Recht – die Kirche im Dorf:
Unter diesen Umständen (Dienstvertrag mit monatlicher Fixzahlung, d.A.) liegt die Annahme fern, daß die urheberrechtlichen Befugnisse vollständig bei Ri. verbleiben sollten. Dies hätte zur Folge gehabt, daß MSR die Arbeit an dem Programm durch eine monatliche Vergütung bezahlt hätte, ohne in der Lage zu sein, das fertige Programm bestimmungsgemäß zu vermarkten. (…). Der Grundsatz, daß Verträge nach beiden Seiten interessengerecht auszulegen sind, steht einer solchen Auslegung entgegen.
3. Der BGH macht sich zuletzt im Rahmen der Frage, welche Rechte die Beklagte auf jeden Fall erworben hat, Gedanken darum, wann in Bezug auf eine Software Miturheberschaft vorliegt (§ 8 UrhG) und wann lediglich eine abhängige Bearbeitung (§ 3 UrhG) vorliegt. Denn an der Beklagten beteiligt sind ja die drei Programmierer, die “Fash 2000” weiter entwickelten, nicht aber der ursprüngliche Programmierer. Die Frage war also, ob — in jedem Fall — die Klägerin wenigstes dessen ursprünglichen Rechte erworben hat. Der BGH:
Voraussetzung für eine Miturheberschaft ist eine einheitliche Schöpfung, die einen entsprechenden natürlichen Handlungswillen der beteiligten Urheber voraussetzt (…). Bei zeitlich gestaffelten Beiträgen (…), ist eine Miturheberschaft zwar nicht ausgeschlossen; sie setzt jedoch voraus, daß – wovon im Streitfall in Ermangelung entsprechender Feststellungen nicht ausgegangen werden kann – jeder Beteiligte seinen (schöpferischen) Beitrag in Unterordnung unter die gemeinsame Gesamtidee erbracht hat (…). Fehlt es hieran, weil die späteren Ergänzungen und Verbesserungen vom Handlungswillen des ursprünglichen Programmierers nicht umfaßt sind, ist eine Miturheberschaft aller beteiligten Urheber zu verneinen. In diesem Fall liegen in den späteren Veränderungen abhängige Bearbeitungen (…).
Was ist der Unterschied in der Praxis? Im Fall der Miturheberschaft müssen alle Urheber gemeinsam die Übertragung von Nutzungsrechten vornehmen oder dieser zustimmen. Fehlt auch nur einer, ist die Übertragung eben nicht wirksam. Allerdings darf ein Miturheber seine Zustimmung nicht wider Treu und Glauben verweigern, § 8 Abs. 2 Satz 2 UrhG.
Im Fall der abhängigen Bearbeitung dagegen kann der ursprüngliche Urheber ganz allein Rechte an dem ursprünglichen (unbearbeiteten) Werk einräumen. Die Bearbeitung (etwa eine Weitereinwicklung, ein Update oder eine Verbesserung) ist davon zwar nicht erfasst – hierzu muss der Bearbeiter gefragt werden – aber in aller Regel lässt sich ja auch das unbearbeitete Programm schon verwenden.
In der Sache konnte der BGH nicht durchentscheiden, er hält weitere Aufklärung des Falls für erforderlich und hat die Angelegenheit daher an die Vorinstanz zurückverwiesen.
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