Blogs und Blogger werden mehr und mehr zu einer art von Medienmacht. Manche Blogger haben einiges an Reichweite, sind in der Blogosphäre und darüber hinaus etabliert, werden gehört. Blogs können, wenn ihre Themen von etablierten Medien aufgegriffen werden, Menschen und Karrieren zerstören, über einen Fall in den USA berichtet Blogs. Meinungsmacht hat aber vor allem die Masse der Blogs, die sich gegenseitig verlinken und so als Verstärker von Themen und Trends agieren. Es stellt sich daher die Frage, was Blogs eigentlich sagen und meinen dürfen und welchen Regeln sie unterliegen.
Anhand eines konkreten (und m.E. für den Blogger klar unproblematischen!) Falls, nämlich des Jamba-Artikels des Spreeblick-Blogs, dürfte das Thema erstmals einer breiteren deutschen Öffentlichkeit bewusst geworden sein. Das PR-Blog in Gestalt von Klaus Eck hat den Anlass genutzt und uns zu diesem Thema interviewt.
Klaus Eck: Können Blogger einfach gefahrlos jedes Unternehmen kritisieren?
Arne Trautmann: Zunächst ist hier zu unterscheiden, wie diese Kritik aussieht. Sind es Werturteile („gefällt mir nicht“) oder Tatsachenbehauptungen („die betrügen Künden“). Bei Werturteilen gibt es ja kein „richtig“ oder „falsch“, sondern nur ein „sehe ich auch so“ oder eben nicht. Werturteile dürfen daher – auch scharf formuliert – abgegeben werden, solange die Grenze zur Beleidigung nicht überschritten wird. Sinn des Werturteils muss aber die Auseinandersetzung in der Sache bleiben, es darf nicht in ein platte Herabsetzung und Diffamierung abgleiten.
Anders bei Tatsachenbehauptungen. Hier stellt sich als erstes die Frage, ob die Aussage als solches wahr oder falsch ist. Über wahre Tatsachen dürfen Blogger eigentlich immer Behauptungen aufstellen. Hier kann den Bloggern kaum etwas passieren, vorausgesetzt sie schreiben über Personen aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft.
Klaus Eck: Wie verhält es sich mit der Kritik gegenüber anderen Bloggern?
Arne Trautmann: Durchaus anders sieht es aus, wenn ein Blogger etwas über Privatpersonen schreibt. Auch hier darf grundsätzlich die Wahrheit gesagt werden. Es besteht aber schnell die Gefahr, dass die Wahrheit instrumentalisiert wird, um jemanden bewusst zu schaden. Das müssen sich Privatpersonen, bei denen Details ihres Privatlebens eben keinen „Nachrichtenwert“ haben, nicht unbedingt gefallen lassen. Auch eine wahre Behauptung kann daher – gerade wenn sie private Angelegenheiten betrifft – unzulässig in das Persönlichkeitsrecht des Einzelnen eingreifen.
Klaus Eck: Wie steht es nun bei unwahren Tatsachenbehauptungen?
Ist eine Tatsachenaussage zu Personen oder Unternehmen unwahr, sieht die Sachlage völlig anders aus. Dann greifen verschiedene zivilrechtliche und strafrechtliche Bestimmungen: Dazu zählen im Strafrecht üble Nachrede und Verleumdung oder im Zivilrecht der Tatbestand der Kreditgefährdung und die Verletzung der allgemeinen Persönlichkeitsrechte und andere Vorschriften.
Klaus Eck: Es gibt immer wieder die Diskussion in der Blogosphere, ob Blogger wie Journalisten behandelt werden können. Wie wirkt sich das auf ihre Rechte beim Bloggen aus?
Arne Trautmann: Erheblich. Die Pressefreiheit ist schließlich ein im Grundgesetz verankerter „Joker“, der die Auslegung des einfachen Rechts beeinflusst und bei Abwägungen, die viele gesetzlichen Vorschriften vornehmen, eine Rolle spielt. Es gibt daher spezielle Spielregeln für die Presse, die als vierte Macht im Staat nicht gefährdet werden soll. Im Grunde darf man bei der Presse – und allgemein bei der Meinungsäußerung und ‑bildung – grundsätzlich keine objektive Wahrheit erwarten. Ihrer Funktion zu berichten, zu informieren und Missstände aufzudecken, könnte die Presse nicht nachkommen, wenn ständig ein juristisches Damoklesschwert über ihr schweben würde. Gefordert von der Presse wird daher nur, dass sie ihrer presseüblichen Sorgfaltspflicht bei der Recherche nachkommt. Ist das de Fall, ist es unerheblich, ob sich im Nachhinein eine Nachricht als „objektiv“ falsch herausstellt.
Bei rein privaten Homepages und Blogs wird zwar mit guten Gründen darüber diskutiert, ob diese dem Pressrecht unterfallen oder eher Individualkommuniaktion darstellen. Sicherlich aber erfüllen eine ganze Reihe der deutschen Weblogs dem Pressebegriff und damit den Mediendienstestaatsvertrag. Es gibt dazu noch wenig Entscheidungen, dürfte aber immer dann der Fall sein, wenn die Blogger Nachrichten aufgreifen, verbreiten und kommentieren, die von öffentlicher Relevanz sind. Im Jamba-Artikel des Spreeblicks gilt das sicherlich auch. Somit gelten im Fall solcher Blogs die presserechtlichen Bestimmungen: etwa eine Impressumspflicht und ggf. eine Gegendarstellungspflicht sowie eine Trennung von Redaktions- und Anzeigenteil.
Klaus Eck: Welche Vorteile hat der Pressetatus für Blogger?
Arne Trautmann: Sie können sich auf presserechtliche Privilegien berufen, die etwa darin bestehen, dass sie keine objektiven Wahrheiten verbreiten müssen. Die oben skizzierte Wahrung der presseüblichen Sorgfalt reicht aus. Die ist häufig schon dann gewahrt, wenn sich der Blogger auf eine unwidersprochene Pressemeldung einer anerkannten Quelle berufen kann – solche Quellen sind freilich die meisten Blogs nicht. Insgesamt ermöglicht das den Bloggern größere Freiräume bei der Berichterstattung.
Klaus Eck: Über welche juristischen Möglichkeiten verfügen Unternehmen, die von Bloggern angegriffen werden?
Arne Trautmann: Für den Spreeblick-Fall bedeutet der presserechtliche Status, dass Jamba eine Gegendarstellung durchsetzen könnte. Dabei ist es völlig unwichtig, ob die Behauptung wahr oder unwahr ist. Es ist letztlich nur ein Anhörungsanspruch, der jedem zusteht, damit beide Parteien zu Gehör kommen. Wenn die Behauptung jedoch unwahr ist, hätte Jamba sogar die Möglichkeit, die komplette Löschung der entsprechenden Artikel zu verlangen. Für die Zukunft dürfte der Blogger seine Behauptungen nicht wiederholen.
Außerdem wäre es im Fall der Unwahrheit auch denkbar, dass Jamba eine Schadenersatzforderung stellt.
Eine Abmahnung mit der Aufforderung zur Beseitigung der Texte und einer künftigen Unterlassung kann ein Unternehmen jederzeit stellen. Ob sie sich juristisch durchsetzen lässt, hängt davon ab, wie sorgfältig ein Blogger zuvor recherchiert hat, siehe oben.
Klaus Eck: Wie können Blogger darauf reagieren?
Arne Trautmann: Auf eine unberechtigte Abmahnung müssen Blogger eigentlich überhaupt nicht reagieren. Sinnvoll ist es jedoch, zumindest in einem Antwortschreiben darauf einzugehen, warum die Abmahnung unberechtigt ist.
Klaus Eck: Welche Konsequenzen könnte das schlimmstenfalls haben?
Arne Trautmann: Wenn man die Erklärung nicht abgibt, kann das Unternehmen eine einstweilige Verfügung erwirken. Sobald eine Verfügung vorliegt, ist es egal, ob die Behauptungen zu Recht oder zu Unrecht aufgestellt wurden. Wer dagegen verstößt, riskiert ein Ordnungsgeld bis zu 250.000 Euro oder sogar eine Ordnungshaft bis zu sechs Monaten.
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