Für einiges Aufsehen vor allem in der Blogosphäre sorgt derzeit das Urteil des Hanseatischen OLG (vom 31.5.2007, AZ 3 W 110/07) in der Sache eines (nun vormaligen) Blogs, das den Namen eines bekannten deutschen Unternehmens in der Kombination XYZblog.de führte; die genauen Parteien des Rechtsstreites sind derzeit leider nicht offiziell bekannt. Das Gericht hat den Betreibers der Publikation verboten, die Domain XYZblog.de zu benutzen. Die Entscheidung kann auf der MIR in anonymisierter Form eingesehen (PDF) werden.
Recht gern kritisieren wir auf den Law-Blog Hamburger Entscheidungen. Die vorliegende allerdings scheint mir, auch wenn man sie nicht gut finden mag, jedenfalls richtig zu sein.
Das Gericht argumentiert mit dem Namensrecht aus § 12 BGB. Die Vorschrift verbietet es insbesondere, unbefugt den Namen eines anderen zu gebrauchen. Tut man es dennoch, kann auf Beseitigung und bei Widerholungsgefahr Unterlassung der Beeinträchtigung geklagt werden. So geschah es auch vorliegend, wenn auch nicht im Wege einer Klage sondern einer einstweiligen Verfügung.
Natürlich wirft der Fall im Detail ein paar Fragen auf.
Zunächst darf man fragen, wieso das Gericht den Fall über das Namensrecht lösen möchte und nicht das — in seinem Anwendungsbereich vorrangige — Markenrecht anwendet. Denn die Antragstellering im Verfahren hat offenbar ihre Kurzbezeichnung auch als Marke registriert, jedenfalls hätte sie, falls dem nicht so sein sollte, sicher ein Recht an einer geschäftlichen Bezeichnung erworben. Das Gericht geht dabei davon aus, dass die Benutzung des Zeichens der Antragstellerin mangels Handelns im geschäftlichen Verkehr außerhalb des Markenrechts / Rechts der geschäftlichen Bezeichnung erfolgte und daher das Namensrecht einschlägig sei. Das scheint mir spätestens nach der BGH Entscheidung shell.de, auf die noch zurückzukommen sein wird, rechtlich gesichertes Terrain zu sein.
Ist man beim Namensrecht angelangt darf man fragen, inwieweit dieses Recht eigentlich auch Untenehmen zusteht. Die Frage mag müßig erscheinen, denn auch juristische Personen oder auch Einzelunternehmen (eben in Gestalt der Firma) führen Namen. Allerdings ist das Namensrecht ein Ausfluss des Persönlichkeitsrechts und das steht juristischen Personen nur im Rahmen ihres Funktionsbereiches zu. Der Punkt wird in einer (informativen und lesenswerten) Urteilskritik im SPON diskutiert, ich persönlich sehe ihn eher unproblematisch: Funktionsbereich und typische Aktivität eines Unternehmens ist eben auch Unternehmenskommunikation im Internet. Und zwar selbstverständlich auch unter Verwendung des eigenen Namens.
Ein weiterer spannender — eigentlich der zentrale — Punkt des Urteils ist, ob denn in der Verwendung der Domain XYZblog.de wirklich ein Gebrauch des (Kurz-)Namens XYZ liegt oder ob der Zusatz „blog“ hier nicht etwas ändert. Ich meine hier mit dem Gericht, dass Namensgebrauch wohl vorliegt.
Der Zusatz „Blog“ ist nicht geeignet, irgendeine Unterscheidung zum Namen der Antragstellerin herzustellen, denn er ist rein beschreibend. Das sieht der sehr geschätzte Kollege Dingeldey anders und sicher kann man darüber streiten. Ich möchte es aber ähnlich bewerten: Im Allgemeinen ist da, wo Blog draufsteht, auch Blog drin. Jedenfalls die angesprochenen Verkehrskreise — die nämlich, die Blogs lesen — wissen, was gemeint ist.
Fazit: wer „XYZblog“ liest, der wird davon ausgehen, dass es sich eben um ein Blog der Fa. XYZ handeln wird. Ich jedenfalls hätte diese Vermutung angestellt. Und genau das ist eben die sogenannte Zuordnungsverwirrung, die § 12 BGB vermeiden möchte.
Nun kann man anbringen, dass jedenfalls nach einem kurzen Blick auf die Seite sofort klargeworden wäre, dass es sich eben nicht um eine Unternehmenspublikation handelt, sondern ganz im Gegenteil um ein Watchblog, das sich kritisch mit dem Tun des Unternehmens auseinandersetzt. Das Argument wird im SPON auch durchaus strapaziert. Ich meine aber, dass es nicht zum Ziel führt. Der BGH jedenfalls hat sich im Fall shell.de (der auch sonst für den vorliegenden Fall recht instruktiv ist) zu der Frage recht klar geäußert und ausgeführt:
Ein solcher Gebrauch (als Domain, AT) des fremden Namens führt im allgemeinen zu einer Zuordnungsverwirrung, und zwar auch dann, wenn der Internet-Nutzer beim Betrachten der geöffneten Homepage alsbald bemerkt, dass er nicht auf der Internet-Seite des Namensträgers gelandet ist.
Diese Auffassung teile ich. Denn schon die Domain stellt ja die Zuordnungsverwirrung, nicht erst (bzw. gerade nicht) die dahinter erreichbare Seite.
Auch der Fall der AWD-aussteiger — ebenfalls vom Hanseatischen OLG entschieden — besagt nichts anderes. Denn aus der Domain awd-aussteiger selbst lässt sich bereits ersehen, dass die dahinter liegende Seite nicht vom AWD betrieben wird, sondern von Menschen, die diesem Untenehmen eher kritisch gegenüberstehen.
Bedenkenswert ist natürlich das Argument, dass die durch das Grundgesetz geschützte Meinungsfreiheit eine Auseinandersetzung — und war auch kritisch, pointiert und schonungslos — mit Unternehmen ermöglicht. Gerade das ist aber nach den Grundsätzen des AWD-aussteiger-Urteils ja möglich. Die Domain muss nur selbst „aussprechen“, dass sie nicht vom Unternehmen selbst stammt. Dann darf und soll Kritik sogar unter der Nennung fremder Namen und Kennzeichen erfolgen, so das Hanseatischen OLG in besagtem AWD-aussteiger Urteil:
Um so eine Benutzung der Klagemarke (setzen Sie hier bitte „Namen i.S.d. § 12 BGB ein, AT) ginge es im vorliegenden Fall, wenn man — wie ausgeführt — ihre kennzeichenmäßige Benutzung in der Domain der Antragsgegner bejahte. Das als solches nicht zu beanstandende Thema der Website der Antragsgegnerin macht es zwingend erforderlich, in der Domain die Firmenabkürzung (und damit die Klagemarke) mit aufzuführen. Eine praktikable Ausweichmöglichkeit ohne Nennung der Klagemarke ist nicht erkennbar, wenn man einem solchen Forum überhaupt eine Chance auf Resonanz einräumen will.
Kritik bleibt also möglich, und eben auch gerade unter Nennung (nicht: „Gebraucht“ im Sinne des § 12 BGB) fremder Namen. Das ist die gute Nachricht.
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