DAO: Die codierte Organisation

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Crypto | 20. Januar 2023
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Haben Sie schon jemals dar­über nach­ge­dacht, was sich hin­ter dem Begriff „dezen­tra­li­sier­te auto­no­me Orga­ni­sa­ti­on“ (DAO) ver­birgt und wel­chen Ein­fluss die DAO im All­tag hat? Arne Traut­mann berich­tet aus der Fach­welt. 

Die drei wich­tigs­ten Erfin­dun­gen der Mensch­heit sind mei­ner Mei­nung nach Feu­er, Geld und die Orga­ni­sa­ti­on. Letz­te­re ist die Koor­di­nie­rung der Akti­vi­tä­ten einer Grup­pe von Men­schen auf ein gemein­sa­mes Ziel.

Kei­ne Erfin­dun­gen ist je fer­tig, Fort­schritt und Wei­ter­ent­wick­lung sind unauf­halt­sam: Feu­er beherr­schen wir heu­te so gut, dass wir damit Satel­li­ten ins All schie­ßen kön­nen. Geld wird man sich bald als digi­ta­les Zen­tral­bank­geld (CBDC) vor­stel­len. Und wenn es um Orga­ni­sa­tio­nen geht, ist die DAO das neue hei­ße Ding.

Was ist eine DAO?

Um her­aus­zu­fin­den, was eine DAO ist, könn­te man ein­fach nach­schau­en, wofür die Abkür­zung steht: Decen­tra­li­zed Auto­no­mous Orga­niza­ti­on, also dezen­tra­li­sier­te auto­no­me Orga­ni­sa­ti­on.

Lei­der ist jedes ein­zel­ne Wort in die­sem Namen falsch, irre­füh­rend oder zumin­dest maß­los über­trie­ben. Jeden­falls für die aktu­ell exis­tie­ren­de Gene­ra­ti­on von DAOs (DAO 1.0). Man soll­te den Namen eher als Ide­al sehen, das ange­strebt und viel­leicht eines Tages Wirk­lich­keit wer­den wird.

Schau­en wir uns die ein­zel­nen Kom­po­nen­ten ein­mal an:

Orga­ni­sa­ti­on

Eine DAO ist, oder kann zumin­dest, wie das “O” behaup­tet, eine Form der Orga­ni­sa­ti­on sein. Das juris­ti­sche Den­ken geht nun seit Jahr­hun­der­ten, wenn nicht Jahr­tau­sen­de, dahin: Etwas exis­tiert nur dann, wenn man ihm ein Eti­kett auf­drü­cken kann. DAOs als sol­che sind, zumin­dest in jeder ver­nünf­ti­gen Rechts­ord­nung, kei­ne Sache an sich, son­dern viel­mehr eine Form oder ein Teil einer „auch real“ bestehen­den Orga­ni­sa­ti­ons­form. Dabei kann es sich um eine Per­so­nen­ge­sell­schaft, einen Ver­ein, eine GmbH oder eine belie­bi­ge ande­re Struk­tur han­deln.

Min­des­tens ein US-Bun­des­staat (Wyo­ming, natür­lich) hat DAOs als Rechts­form „per se“ aner­kannt. Schaut man genau­er hin, han­delt es sich jedoch nur um eine LLC (gewis­ser­ma­ßen eine GmbH nach dem Recht von Wyo­ming) mit dem Namens­zu­satz “DAO”: Das ist natür­lich Augen­wi­sche­rei.

Dezen­tra­li­sa­ti­on

Was das „D“ betrifft, ist eine DAO inso­fern dezen­tra­li­siert, als es kei­ne zen­tra­le Ver­wal­tung oder Geschäfts­füh­rung gibt, son­dern die Ent­schei­dungs­fin­dung und der Groß­teil der Umset­zung der Ent­schei­dun­gen durch die Stake­hol­der erfolgt. Man kann sie mit den Aktio­nä­ren einer Akti­en­ge­sell­schaft ver­glei­chen, wo eine ähn­li­che Struk­tur zu fin­den ist. Der Unter­schied zwi­schen den bei­den besteht dar­in, dass in einer DAO viel mehr Auf­ga­ben des Manage­ments auf alle Stake­hol­der ver­teilt wer­den kön­nen, wäh­rend in einer tra­di­tio­nel­le­ren Gesell­schaft ein zen­tra­li­sier­tes Manage­ment die meis­ten all­täg­li­chen Ent­schei­dun­gen top-down tref­fen kann.

Auto­no­mie

Das Wort „auto­nom“ in der Abkür­zung ist am irre­füh­rends­ten: Die DAO tut nichts auto­nom; und, was am wich­tigs­ten ist: sie besitzt sich nicht selbst, auch wenn das immer wie­der behaup­tet wird. Im Gegen­teil: Sie bie­tet einen wun­der­ba­ren Mecha­nis­mus für das Tref­fen und Aus­füh­ren von Ent­schei­dun­gen, die von den Teil­neh­mern getrof­fen wer­den. Die Ent­schei­dun­gen wer­den online getrof­fen, oft unter Ver­wen­dung von Token, und fäl­schungs­si­cher auf einer Block­chain (eine ver­teil­te Daten­bank) oder einem ähn­li­chen Led­ger gespei­chert (tech­nisch gese­hen muss eine DAO “nur” Code aus­füh­ren, es geht auch ohne Block­chain und Token).

Was das “A” wirk­lich meint, ist, dass theo­re­tisch kei­ne Umset­zung getrof­fe­ner Ent­schei­dun­gen erfor­der­lich ist. Das liegt dar­an, dass bei einer DAO die Pro­zes­se in selbst­aus­füh­ren­den Smart Con­tracts, also Com­pu­ter­pro­gram­men, die selbst­stän­dig bestimm­te Aktio­nen vor­neh­men, wenn defi­nier­ter Ereig­nis­se ein­tre­ten, imple­men­tiert sein soll­ten. In gewis­ser Wei­se „ist“ die Ent­schei­dung bereits die Aus­füh­rung oder stößt sie zumin­dest unmit­tel­bar an.

 

Eine passende Definition

Eine gän­gi­ge Defi­ni­ti­on einer DAO ist „eine Orga­ni­sa­ti­on, die nach Regeln geführt wird, die in aus­führ­ba­ren Code vor­lie­gen“ (Cho­han, The Decen­tra­li­zed Auto­no­mous Orga­niza­ti­on and Gover­nan­ce Issues, 2017, 2022). In Anbe­tracht der oben dis­ku­tier­ten Punk­te wür­de ich vor­schla­gen, dies sub­til anzu­pas­sen: Eine DAO ist eine Orga­ni­sa­ti­on, deren Ent­schei­dungs­fin­dungs- und Aus­füh­rungs­pro­zess durch Regeln erfolgt, die in aus­führ­ba­ren Code vor­lie­gen.

Wie kann man über eine DAO denken?

Ist eine DAO also nur eine Face­book-Grup­pe mit einer Abstim­mungs­funk­ti­on, die auf der Block­chain läuft? Oder ist sie ein Ding, das sich nicht nur selbst ver­wal­tet, son­dern auch selbst besitzt? Die Wahr­heit liegt, wie immer, in der Mit­te.

Die bes­te Art, sich die aktu­ell exis­tie­ren­de Gene­ra­ti­on von DAOs (DAO 1.0) vor­zu­stel­len, ist wahr­schein­lich, sie als eine digi­ta­le Art der Ent­schei­dungs­fin­dung mit (teil­wei­se) auto­ma­ti­sier­ter Aus­füh­rung zu sehen. Dies alles geschieht im Rah­men einer eher kon­ven­tio­nel­len Orga­ni­sa­ti­ons­struk­tur. Eine DAO ist, salopp gesagt, kein Ding an sich, son­dern ein Werk­zeug: Eine digi­ta­le Erwei­te­rung eines Ver­eins, einer Part­ner­schaft oder einer ande­ren Form der Orga­ni­sa­ti­on.

Das mag zunächst nicht nach viel klin­gen, ist es aber. Hier­für gibt es zwei Grün­de:

Der ers­te Grund ist, dass die digi­ta­le Natur und die Umset­zung in Soft­ware die Ent­schei­dungs­fin­dung in einer DAO theo­re­tisch schnel­ler, ein­fa­cher und damit gra­nu­la­rer und flüs­si­ger machen, als dies in her­kömm­li­chen Struk­tu­ren der Fall ist. Die soll­te eine brei­te­re Betei­li­gung an dem Pro­zess ermög­li­chen. Theo­re­tisch könn­te man das natür­lich auch mit einer digi­ta­len Aktio­närs­ver­samm­lung in einer tra­di­tio­nel­len Gesell­schaft errei­chen. Aber in einer DAO soll­te es der Stan­dard sein.

Das bringt uns zum zwei­ten Grund: DAOs haben eine Kul­tur der Betei­li­gung. Die Stake­hol­der füh­len sich ermäch­tigt, Vor­schlä­ge ein­zu­brin­gen, da sie die Hoff­nung haben dür­fen, dass die­se Vor­schlä­ge auch gehört wer­den. Wenn ein­mal ver­sucht hat, einen Tages­ord­nungs­punkt im Rah­men der Haupt­ver­samm­lung einer AG ein­zu­brin­gen, dann wis­sen Sie: Das ist viel Wert. Das Ziel ist, eine demo­kra­ti­sche­re Orga­ni­sa­ti­on zu schaf­fen.

Was folgt daraus?

Ich per­sön­lich glau­be, dass die DAO die der­zeit span­nends­te Idee im Bereich Cryp­to und Smart Con­tracts ist. Es spricht natür­lich nichts dage­gen, alter­na­ti­ve Geld­sys­te­me zu schaf­fen. Aber alle bis­he­ri­gen Ver­su­che, sie zu imple­men­tie­ren, schei­nen zu Effi­zi­enz­ver­lus­ten zu füh­ren (die Block­chain ist ein schreck­li­ches Werk­zeug für Trans­ak­tio­nen) oder Dieb­stahl und Betrug zu för­dern.  Die dezen­tra­le Spei­che­rung und Über­tra­gung von Daten ist wun­der­bar, aber der­zeit schei­nen gän­gi­ge Cloud-Sys­te­me wie Azu­re und AWS schlicht prak­ti­scher zu sein.

DAOs hin­ge­gen erle­di­gen Din­ge und bewe­gen Res­sour­cen. Die der­zeit exis­tie­ren­den DAOs 1.0 sind in vie­ler­lei Hin­sicht Expe­ri­men­te und Test­fäl­le, aus denen, so hof­fe ich, eine tat­säch­lich nütz­li­che DAO 2.0 her­vor­ge­hen wird.

Der Autor Rechts­an­walt Arne Traut­mann ist bei SNP Schla­wi­en Part­ner­schaft mbB in den Berei­chen IT-Recht, Medi­en­recht und Gewerb­li­cher Rechts­schutz tätig. https://bg.linkedin.com/in/arne-trautmann-41370543

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