DAO: Die codierte Organisation

© Maksym Yemelyanov/stock.adobe.com
Crypto | 20. Januar 2023
BEITRAG TEILEN
LinkedInXINGXFacebookEmailPrint

Haben Sie schon jemals darüber nachgedacht, was sich hin­ter dem Begriff „dezen­tral­isierte autonome Organ­i­sa­tion“ (DAO) ver­birgt und welchen Ein­fluss die DAO im All­t­ag hat? Arne Traut­mann berichtet aus der Fach­welt. 

Die drei wichtig­sten Erfind­un­gen der Men­schheit sind mein­er Mei­n­ung nach Feuer, Geld und die Organ­i­sa­tion. Let­ztere ist die Koor­dinierung der Aktiv­itäten ein­er Gruppe von Men­schen auf ein gemein­sames Ziel.

Keine Erfind­un­gen ist je fer­tig, Fortschritt und Weit­er­en­twick­lung sind unaufhalt­sam: Feuer beherrschen wir heute so gut, dass wir damit Satel­liten ins All schießen kön­nen. Geld wird man sich bald als dig­i­tales Zen­tral­bankgeld (CBDC) vorstellen. Und wenn es um Organ­i­sa­tio­nen geht, ist die DAO das neue heiße Ding.

Was ist eine DAO?

Um her­auszufind­en, was eine DAO ist, kön­nte man ein­fach nach­schauen, wofür die Abkürzung ste­ht: Decen­tral­ized Autonomous Orga­ni­za­tion, also dezen­tral­isierte autonome Organ­i­sa­tion.

Lei­der ist jedes einzelne Wort in diesem Namen falsch, irreführend oder zumin­d­est maß­los über­trieben. Jeden­falls für die aktuell existierende Gen­er­a­tion von DAOs (DAO 1.0). Man sollte den Namen eher als Ide­al sehen, das angestrebt und vielle­icht eines Tages Wirk­lichkeit wer­den wird.

Schauen wir uns die einzel­nen Kom­po­nen­ten ein­mal an:

Organ­i­sa­tion

Eine DAO ist, oder kann zumin­d­est, wie das “O” behauptet, eine Form der Organ­i­sa­tion sein. Das juris­tis­che Denken geht nun seit Jahrhun­derten, wenn nicht Jahrtausende, dahin: Etwas existiert nur dann, wenn man ihm ein Etikett auf­drück­en kann. DAOs als solche sind, zumin­d­est in jed­er vernün­fti­gen Recht­sor­d­nung, keine Sache an sich, son­dern vielmehr eine Form oder ein Teil ein­er „auch real“ beste­hen­den Organ­i­sa­tions­form. Dabei kann es sich um eine Per­so­n­enge­sellschaft, einen Vere­in, eine GmbH oder eine beliebige andere Struk­tur han­deln.

Min­destens ein US-Bun­desstaat (Wyoming, natür­lich) hat DAOs als Rechts­form „per se“ anerkan­nt. Schaut man genauer hin, han­delt es sich jedoch nur um eine LLC (gewis­ser­maßen eine GmbH nach dem Recht von Wyoming) mit dem Namen­szusatz “DAO”: Das ist natür­lich Augen­wis­cherei.

Dezen­tral­i­sa­tion

Was das „D“ bet­rifft, ist eine DAO insofern dezen­tral­isiert, als es keine zen­trale Ver­wal­tung oder Geschäfts­führung gibt, son­dern die Entschei­dungs­find­ung und der Großteil der Umset­zung der Entschei­dun­gen durch die Stake­hold­er erfol­gt. Man kann sie mit den Aktionären ein­er Aktienge­sellschaft ver­gle­ichen, wo eine ähn­liche Struk­tur zu find­en ist. Der Unter­schied zwis­chen den bei­den beste­ht darin, dass in ein­er DAO viel mehr Auf­gaben des Man­age­ments auf alle Stake­hold­er verteilt wer­den kön­nen, während in ein­er tra­di­tionelleren Gesellschaft ein zen­tral­isiertes Man­age­ment die meis­ten alltäglichen Entschei­dun­gen top-down tre­f­fen kann.

Autonomie

Das Wort „autonom“ in der Abkürzung ist am irreführend­sten: Die DAO tut nichts autonom; und, was am wichtig­sten ist: sie besitzt sich nicht selb­st, auch wenn das immer wieder behauptet wird. Im Gegen­teil: Sie bietet einen wun­der­baren Mech­a­nis­mus für das Tre­f­fen und Aus­führen von Entschei­dun­gen, die von den Teil­nehmern getrof­fen wer­den. Die Entschei­dun­gen wer­den online getrof­fen, oft unter Ver­wen­dung von Token, und fälschungssich­er auf ein­er Blockchain (eine verteilte Daten­bank) oder einem ähn­lichen Ledger gespe­ichert (tech­nisch gese­hen muss eine DAO “nur” Code aus­führen, es geht auch ohne Blockchain und Token).

Was das “A” wirk­lich meint, ist, dass the­o­retisch keine Umset­zung getrof­fen­er Entschei­dun­gen erforder­lich ist. Das liegt daran, dass bei ein­er DAO die Prozesse in selb­staus­führen­den Smart Con­tracts, also Com­put­er­pro­gram­men, die selb­st­ständig bes­timmte Aktio­nen vornehmen, wenn definiert­er Ereignisse ein­treten, imple­men­tiert sein soll­ten. In gewiss­er Weise „ist“ die Entschei­dung bere­its die Aus­führung oder stößt sie zumin­d­est unmit­tel­bar an.

 

Eine passende Definition

Eine gängige Def­i­n­i­tion ein­er DAO ist „eine Organ­i­sa­tion, die nach Regeln geführt wird, die in aus­führbaren Code vor­liegen“ (Chohan, The Decen­tral­ized Autonomous Orga­ni­za­tion and Gov­er­nance Issues, 2017, 2022). In Anbe­tra­cht der oben disku­tierten Punk­te würde ich vorschla­gen, dies sub­til anzu­passen: Eine DAO ist eine Organ­i­sa­tion, deren Entschei­dungs­find­ungs- und Aus­führung­sprozess durch Regeln erfol­gt, die in aus­führbaren Code vor­liegen.

Wie kann man über eine DAO denken?

Ist eine DAO also nur eine Face­book-Gruppe mit ein­er Abstim­mungs­funk­tion, die auf der Blockchain läuft? Oder ist sie ein Ding, das sich nicht nur selb­st ver­wal­tet, son­dern auch selb­st besitzt? Die Wahrheit liegt, wie immer, in der Mitte.

Die beste Art, sich die aktuell existierende Gen­er­a­tion von DAOs (DAO 1.0) vorzustellen, ist wahrschein­lich, sie als eine dig­i­tale Art der Entschei­dungs­find­ung mit (teil­weise) automa­tisiert­er Aus­führung zu sehen. Dies alles geschieht im Rah­men ein­er eher kon­ven­tionellen Organ­i­sa­tion­sstruk­tur. Eine DAO ist, salopp gesagt, kein Ding an sich, son­dern ein Werkzeug: Eine dig­i­tale Erweiterung eines Vere­ins, ein­er Part­ner­schaft oder ein­er anderen Form der Organ­i­sa­tion.

Das mag zunächst nicht nach viel klin­gen, ist es aber. Hier­für gibt es zwei Gründe:

Der erste Grund ist, dass die dig­i­tale Natur und die Umset­zung in Soft­ware die Entschei­dungs­find­ung in ein­er DAO the­o­retisch schneller, ein­fach­er und damit gran­u­lar­er und flüs­siger machen, als dies in herkömm­lichen Struk­turen der Fall ist. Die sollte eine bre­it­ere Beteili­gung an dem Prozess ermöglichen. The­o­retisch kön­nte man das natür­lich auch mit ein­er dig­i­tal­en Aktionärsver­samm­lung in ein­er tra­di­tionellen Gesellschaft erre­ichen. Aber in ein­er DAO sollte es der Stan­dard sein.

Das bringt uns zum zweit­en Grund: DAOs haben eine Kul­tur der Beteili­gung. Die Stake­hold­er fühlen sich ermächtigt, Vorschläge einzubrin­gen, da sie die Hoff­nung haben dür­fen, dass diese Vorschläge auch gehört wer­den. Wenn ein­mal ver­sucht hat, einen Tage­sor­d­nungspunkt im Rah­men der Hauptver­samm­lung ein­er AG einzubrin­gen, dann wis­sen Sie: Das ist viel Wert. Das Ziel ist, eine demokratis­chere Organ­i­sa­tion zu schaf­fen.

Was folgt daraus?

Ich per­sön­lich glaube, dass die DAO die derzeit span­nend­ste Idee im Bere­ich Cryp­to und Smart Con­tracts ist. Es spricht natür­lich nichts dage­gen, alter­na­tive Geldsys­teme zu schaf­fen. Aber alle bish­eri­gen Ver­suche, sie zu imple­men­tieren, scheinen zu Effizien­zver­lus­ten zu führen (die Blockchain ist ein schreck­lich­es Werkzeug für Transak­tio­nen) oder Dieb­stahl und Betrug zu fördern.  Die dezen­trale Spe­icherung und Über­tra­gung von Dat­en ist wun­der­bar, aber derzeit scheinen gängige Cloud-Sys­teme wie Azure und AWS schlicht prak­tis­ch­er zu sein.

DAOs hinge­gen erledi­gen Dinge und bewe­gen Ressourcen. Die derzeit existieren­den DAOs 1.0 sind in viel­er­lei Hin­sicht Exper­i­mente und Test­fälle, aus denen, so hoffe ich, eine tat­säch­lich nüt­zliche DAO 2.0 her­vorge­hen wird.

Der Autor Recht­san­walt Arne Traut­mann ist bei SNP Schlaw­ien Part­ner­schaft mbB in den Bere­ichen IT-Recht, Medi­en­recht und Gewerblich­er Rechtss­chutz tätig. https://bg.linkedin.com/in/arne-trautmann-41370543

BEITRAG TEILEN
LinkedInXINGXFacebookEmailPrint

Aktuelles

Weitere Beiträge des Autors

Wettbewerbsrecht 16. Februar 2023

BGH zu Affiliate-Marketing: Alles ist schrecklich, aber Amazon haftet trotzdem nicht für seine Partner

Amazon muss nicht für seine Affiliate-Partner haften, entschied der Bundesgerichtshof. Rechtlich ist das Urteil kaum zu beanstanden, aber trotzdem hinterlässt es einen bitteren Nachgeschmack. Eine Einschätzung von Arne Trautmann.  (mehr …)

IT-Recht 31. Januar 2022

Anonym im Netz: Keine Klarnamenpflicht für langjährige Facebook-Nutzer

User, die schon seit Jahren Mitglied sind, dürfen bei Facebook weiterhin Nicknames nutzen. Das entschied am Donnerstag der BGH. Für wen das gilt, wer von Facebook weiterhin gesperrt werden könnte, und was - vielleicht - die Zukunft bringt, erklärt Arne Trautmann. Oft meint man ja, der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe beschäftigte sich den lieben langen Tag nur mit sehr abstrakten...