Der Bundestrojaner kommt (noch) nicht

Onlinerecht | 5. Februar 2007
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Heim­li­che Online-Durch­su­chun­gen pri­va­ter Rech­ner durch staat­li­che Ermitt­lungs­be­hör­den sind unzu­läs­sig, wie der Bun­des­ge­richts­hof mit Beschluss vom 31. Janu­ar 2007 — StB 18/06 ent­schie­den hat. In der Sache ging es um den Fern­zu­griff auf Rech­ner Beschul­dig­ter unter Ver­wen­dung einer tro­ja­ner­ähn­li­chen Soft­ware, flap­sig „Bun­destro­ja­ner“ titu­liert. Für die Durch­füh­rung sol­cher Maß­nah­men gibt es aber schlicht kei­ne Rechts­grund­la­ge. In der Pres­se­mit­tei­lung des BGH heißt es dazu:

Die heim­li­che Durch­su­chung der im Com­pu­ter eines Beschul­dig­ten gespei­cher­ten Datei­en mit Hil­fe eines Pro­gramms, das ohne Wis­sen des Betrof­fe­nen auf­ge­spielt wur­de (ver­deck­te Online-Durch­su­chung), ist nach der Straf­pro­zess­ord­nung unzu­läs­sig. Es fehlt an der für einen sol­chen Ein­griff erfor­der­li­chen Ermäch­ti­gungs­grund­la­ge. (…)
Nach der Ent­schei­dung ist die ver­deck­te Online-Durch­su­chung ins­be­son­de­re nicht durch § 102 StPO (Durch­su­chung beim Ver­däch­ti­gen) gedeckt, weil die Durch­su­chung in der Straf­pro­zess­ord­nung als eine offen durch­zu­füh­ren­de Ermitt­lungs­maß­nah­me gere­gelt ist. [… Dies folgt auch] aus einem Ver­gleich mit den Ermitt­lungs­maß­nah­men, die — wie die Über­wa­chung der Tele­kom­mu­ni­ka­ti­on (§§ 100 a, b StPO) oder die Wohn­raum­über­wa­chung (§§ 100 c, d StPO) — ohne Wis­sen des Betrof­fe­nen durch­ge­führt wer­den kön­nen, für die aber deut­lich höhe­re for­mel­le und mate­ri­el­le Anfor­de­run­gen an die Anord­nung und Durch­füh­rung bestehen. […]

Die detail­lier­te Begrün­dung der Ent­schei­dung liegt noch nicht, das War­ten auf die­se bleibt aber span­nend. Denn eine feh­len­de Rechts­grund­la­ge ist eine Sache, ob es eine sol­che Grund­la­ge über­haupt geben darf und wel­che rechts­staat­li­chen Siche­run­gen sie ggf. ent­hal­ten muss, eine ande­re.

Viel­leicht soll­te man sich noch ein­mal kurz vor Augen hal­ten, was da eigent­lich geschieht: der Staat ver­schafft sich heim­lich Zugang zu Rech­nern und schaut, was sich da so an Daten auf die­sen fin­det. Dabei hofft man natür­lich auf Plä­ne für Anschlä­ge, Bom­ben und Atten­ta­te (das heißt: eigent­lich „hofft“ man ja nicht, aber das ist der Sinn der Akti­on). Fin­den wird man aber auch pri­va­te und inti­me Auf­zeich­nun­gen, Noti­zen, Adres­sen. Viel­leicht auch Hin­wei­se auf den Stand der Finan­zen, fami­liä­re Details, sexu­el­le Vor­lie­ben, Strei­tig­kei­ten, Ärger mit den Nach­barn.

Das ist ein weit­rei­chen­der Ein­griff, der Kern­be­reich des Per­sön­lich­keits­rechts und mit eini­ger juris­ti­scher Phan­ta­sie noch eini­ger wei­te­rer auch grund­recht­lich geschütz­ter Rechts­gü­ter des Betrof­fe­nen ist berührt. Eine Online-Durch­su­chung hat min­des­tens die Ein­griffs­qua­li­tät einer Haus­durch­su­chung oder Tele­fon­über­wa­chung. Viel­leicht geht sie sogar wei­ter: es gibt Din­ge, die man nicht ein­mal am Tele­fon sagt, viel­leicht aber durch­aus sei­nem Tage­buch. Es gibt Din­ge, die man viel­leicht nie­man­dem ins Gesicht (oder eben ins Ohr) sagt, viel­leicht aber nie­der­schreibt. Das Tage­buch, die pri­va­te Notiz — auch die elek­tro­ni­sche — ist viel­leicht noch inti­mer als selbst das intims­te Tele­fon­ge­spräch. Und so hal­ten denn auch eini­ge Poli­ti­ker, zuvör­derst Ex-Bun­des­tags­vi­ze­prä­si­dent Burk­hard Hirsch (FDP), die Online-Durch­su­chung für “schlim­mer als den Gro­ßen Lausch­an­griff”. Mei­nes Erach­tens zu Recht.

Man wird sehen, ob und wie es gelingt, eine ver­fas­sungs­mä­ßi­ge Ermäch­ti­gungs­grund­la­ge für den Ein­satz der Online-Durch­su­chung zu schaf­fen. Es bleibt span­nend.

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