Heimliche Online-Durchsuchungen privater Rechner durch staatliche Ermittlungsbehörden sind unzulässig, wie der Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 31. Januar 2007 — StB 18/06 entschieden hat. In der Sache ging es um den Fernzugriff auf Rechner Beschuldigter unter Verwendung einer trojanerähnlichen Software, flapsig „Bundestrojaner“ tituliert. Für die Durchführung solcher Maßnahmen gibt es aber schlicht keine Rechtsgrundlage. In der Pressemitteilung des BGH heißt es dazu:
Die heimliche Durchsuchung der im Computer eines Beschuldigten gespeicherten Dateien mit Hilfe eines Programms, das ohne Wissen des Betroffenen aufgespielt wurde (verdeckte Online-Durchsuchung), ist nach der Strafprozessordnung unzulässig. Es fehlt an der für einen solchen Eingriff erforderlichen Ermächtigungsgrundlage. (…)
Nach der Entscheidung ist die verdeckte Online-Durchsuchung insbesondere nicht durch § 102 StPO (Durchsuchung beim Verdächtigen) gedeckt, weil die Durchsuchung in der Strafprozessordnung als eine offen durchzuführende Ermittlungsmaßnahme geregelt ist. [… Dies folgt auch] aus einem Vergleich mit den Ermittlungsmaßnahmen, die — wie die Überwachung der Telekommunikation (§§ 100 a, b StPO) oder die Wohnraumüberwachung (§§ 100 c, d StPO) — ohne Wissen des Betroffenen durchgeführt werden können, für die aber deutlich höhere formelle und materielle Anforderungen an die Anordnung und Durchführung bestehen. […]
Die detaillierte Begründung der Entscheidung liegt noch nicht, das Warten auf diese bleibt aber spannend. Denn eine fehlende Rechtsgrundlage ist eine Sache, ob es eine solche Grundlage überhaupt geben darf und welche rechtsstaatlichen Sicherungen sie ggf. enthalten muss, eine andere.
Vielleicht sollte man sich noch einmal kurz vor Augen halten, was da eigentlich geschieht: der Staat verschafft sich heimlich Zugang zu Rechnern und schaut, was sich da so an Daten auf diesen findet. Dabei hofft man natürlich auf Pläne für Anschläge, Bomben und Attentate (das heißt: eigentlich „hofft“ man ja nicht, aber das ist der Sinn der Aktion). Finden wird man aber auch private und intime Aufzeichnungen, Notizen, Adressen. Vielleicht auch Hinweise auf den Stand der Finanzen, familiäre Details, sexuelle Vorlieben, Streitigkeiten, Ärger mit den Nachbarn.
Das ist ein weitreichender Eingriff, der Kernbereich des Persönlichkeitsrechts und mit einiger juristischer Phantasie noch einiger weiterer auch grundrechtlich geschützter Rechtsgüter des Betroffenen ist berührt. Eine Online-Durchsuchung hat mindestens die Eingriffsqualität einer Hausdurchsuchung oder Telefonüberwachung. Vielleicht geht sie sogar weiter: es gibt Dinge, die man nicht einmal am Telefon sagt, vielleicht aber durchaus seinem Tagebuch. Es gibt Dinge, die man vielleicht niemandem ins Gesicht (oder eben ins Ohr) sagt, vielleicht aber niederschreibt. Das Tagebuch, die private Notiz — auch die elektronische — ist vielleicht noch intimer als selbst das intimste Telefongespräch. Und so halten denn auch einige Politiker, zuvörderst Ex-Bundestagsvizepräsident Burkhard Hirsch (FDP), die Online-Durchsuchung für “schlimmer als den Großen Lauschangriff”. Meines Erachtens zu Recht.
Man wird sehen, ob und wie es gelingt, eine verfassungsmäßige Ermächtigungsgrundlage für den Einsatz der Online-Durchsuchung zu schaffen. Es bleibt spannend.
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