Ein spannendes Schlaglicht auf die mäandernden Seitenarme der Diskussion um die Privatkopie, das vermeintliche oder tatsächliche Recht darauf, DRM und die so genannte analoge Lücke wirft ein gestern veröffentlichtes Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main, Entscheidung vom 31.5.2006, Az: 2–06 O 288/06. Leider gibt es noch keinen Volltext (Anmerkung 13.8.2006: der Volltext ist zwischenzeitlich hier auf dem Blog verfügbar), hier wird abzuwarten sein. Über die Eckpunkte des Urteils berichtet aber recht instruktiv, wenn auch ein wenig reißerisch, der Heise-Newsticker.
Allseits bekannt und beliebt ist ja die Napster-Flatrate. Da kann man für rund 15 Euro im Monat soviel Musik hören wie man möchte. Leider aber nicht so lange wie man möchte, sondern eben nur so lange, wie man auch tatsächlich Abonnent ist. Beendet man die vertragliche Beziehung zu Napster, kann man die tollen heruntergeladenen Musikstücke nicht mehr gebrauchen: diese sind durch einen DRM-Mechanismus vor weiterer Verwendung geschützt. Dieses Verfahren bestätigt der Nutzer auch vertraglich.
An eben dieser Stelle hakte die Software „napster DirectCut“ ein: mit diesem Tool (Werbung: „clever – schnell – legal“) war man in der Lage, die die Musikdateien am analogen Teil der im PC befindlichen Soundkarte mitzuschneiden und so Sounddateien ohne DRM-Schutz zu generieren, gern auch MP3 daraus zu encoden und nach Belieben auf den eigenen IPod zu laden. Und dann beliebig lange anzuhören. Verständlicherweise war Napster nicht einmal ansatzweise begeistert und verlangte die Einstellung des Vertriebs der Software.
Mit Recht sagt das LG Frankfurt. Interessant ist vor allem die Begründung. Denn wer vermutet, das Gericht würde seine Entscheidung auf den § 95a UrhG stützen, der die Umgehung „wirksamer technischer Maßnahmen zum Schutz (von) geschützten Werken“ — vulgo: Aushebung von DRM-Mechanismen – verbietet, der irrt. Das Gericht stellt hier fest, dass ein DRM-System keine wirksame technische Maßnahme sei, um gerade analoge Kopien zu verhindern. Hinsichtlich derer wären wirksame Maßnahme auch schwer denkbar: spätestens mit einem Mikrofon könne man das analoge Signal doch wieder auffangen, für Geräte innerhalb des PCs müsse dasselbe gelten. Darüber mag man sich aus technischer Sicht noch streiten – wer einmal versucht hat, mit einem Mikrofon ein Lautsprechersignal abzunehmen, wird die Möglichkeit des direkten Belauschens der Soundkarte sicher vorziehen – aber es ist im Ergebnis wohl richtig.
Damit bestätigt das Gericht letztlich nur die ohnehin herrschende Ansicht, die eben landläufig als „analoge Lücke“ bezeichnet wird. Das Law-Blog hat sich darüber ja auch, wenn auch nur kurz, in einer Präsentation zu “DRM und Recht” schon einmal Gedankten gemacht.
Das Gericht hat aber eine elegante Lösung aus dem Dilemma über das Wettbewerbsrecht gefunden. Denn in der Sache macht die „napster DirectCut“ nichts anderes, als dem Napster-Kunden dabei zu helfen, seinen Vertrag mit Napster nicht einzuhalten: wirklich nützlich wird das Programm ja erst dann, wenn das Napter-Abo endet. In der Sache liegt also eine Verleitung zum Vertragsbruch vor, eine gezielte Behinderung Napsters.
Das Abstellen auf die Zulässigkeit der Privatkopie hilft übrigens nicht weiter: die Beschränkung der Nutzungsdauer der Musikstücke eben auf die Dauer des Abo-Vertrages ist wirksam, das sagen die allgemeinen Regeln des Urheberrechts. Wenn das Recht zur Nutzung eines Musikstückes abgelaufen ist, dann gilt das natürlich auch für dessen Kopie.
Interessanter sind eigentlich Fragen wie: wenn schon meine Soundkarte ganz generell das Mitschneiden des Ausgangs erlaubt – allerdings nicht spezifisch auf Napster bezogen, sondern einfach, weil sie eben so funktioniert – was dann?
Anmerkung: Es ist uns derzeit nicht bekannt, ob die Entscheidung rechtskräftig geworden ist.
Ergänzung: der Volltext liegt hier mittlerweile vor.
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