Der öffentlich-rechtliche Rundfunk, insbesondere in seiner Ausprägung als TV, erfreut sich in Deutschland ganz besonderer Beliebtheit. Nicht nur überraschen ARD und ZDF uns regelmäßig mit glänzender Unterhaltung, gut recherchiertem und hervorragend aufbereitetem Infotainment sowie tendenzfreien Politmagazinen, sondern auch der Geschäftsbetrieb der Sendeanstalten selbst ist von Humor und Bürgernähe geprägt. Das Fernsehen zeigt Zivilcourage und ist sich nicht zu schade, für das Gute, Wahre und Schöne aufzustehen, die Stimme zu erheben und die Mächte der Desinformation und Falschheit zu bekämpfen.
Etwa akademie.de.
Bei adademie.de handelt es sich um eine Unternehmung, die im Internet Kurse, Informationen, Tipps und Ratgeber zu allen möglichen Themen anbietet. Das nicht erst seit Gestern, gut gemacht und sehr professionell. Wie es der Fokus der Seite so mit sich bringt, äußert man sich dort zu einer Vielzahl von Themen. Unter anderem auch zu Rundfunkgebühren für PCs und ob nicht auf viele betrieblich genutzte Geräte gar keine Gebühr bezahlt werden muss. Akademie.de selbst fasst das Thema wie folgt zusammen:
Seit März 2007 wird auf akademie.de erläutert, dass die GEZ nur dann gesetzliche Rundfunkgebühren für nicht nur privat genutzte “neuartige Rundfunkempfangsgeräte” (PC-Gebühren) einziehen darf, wenn sich kein einziges herkömmliches Radio oder Fernsehgerät auf dem Grundstück befindet. Weil dort aber fast immer ein normales Radio oder Fernsehgerät vorhanden sei, müsse man in der Praxis kaum befürchten, dass eine PC-Rundfunkgebühr fällig wird. Beispielsweise seien auf einem Gewerbegrundstück mit 65 Betrieben schon durch das Radio im Hausmeisterraum automatisch alle PCs und Handys der Betriebe auf dem Grundstück von Rundfunkgebühren befreit. Nach Gesetz seien dann bei der GEZ auch keine “neuartigen Rundfunkgeräte” anzumelden.
Diese Ausführungen wurden nach Presseberichten als “Vermutung” und “Rechtsauffassung” bezeichnet.
Ob die Rechtslage so ist, wie akademie.de sie versteht, darüber mag man streiten. Die GEZ und die Rundfunkanstalten sehen es anders. Das steht Ihnen frei und sie dürfen das natürlich auch sagen. Als Rundfunk hat man da ja durchaus Möglichkeiten. Seltsam freilich mutet es an, akademie.de die Äußerung ihrer Rechtsmeinung verbieten zu wollen. Genau das ist aber vermittels einer Abmahnung der GEZ-Inkassostelle Köln geschehen, die nun Anlasse zu Verhandlungen zwischen akademie.de und dem SWR gibt, der von den weiteren Rundfunkanstalten offenbar entsprechend bevollmächtigt wurde.
Die zentrale Frage ist im vorliegenden Fall, ob akademie.de eine Tatsachenbehauptung aufstellte oder eine Meinung äußerte. Denn Tatsachen können wahr oder falsch sein, und falsche Tatsachen darf man in der Regel nicht verbreiten. Meinungen dagegen kann man teilen oder auch nicht. Solange sie aber nicht in Schmähkritik oder Verbalinjurien abgleiten, sondern der Auseinandersetzung in der Sache dienen, darf man sie äußern. Das gilt übrigens auch dann, wenn die Meinung nicht ausdrücklich als solche gekennzeichnet ist. Vielmehr müssen die Gerichte in äußerungsrechtlichen Streitigkeiten viel Mühe daraufhin verwenden, herauszufinden, was denn nun vorliegt: Tatsachenbehauptung oder Meinungsäußerung. Und wenn sie dabei irren, dann verletzt das die Grundrecht des Betroffenen aus Artikel 5 III GG. Und der ist ja, das wissen wir, ein geradezu konstitutives Element der freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Einfach gesagt: richtig wichtig.
Nun ist es meines Erachtens schwer denkbar, dass je eine Äußerung über die richtige Auslegung von Recht als Tatsachenbehauptung zu werten ist. Sie wird wohl immer eine Meinungen darstellen. Eine Tatsache ist es, wie der BGH entschieden hat. Eine Meinung ist, wie ich glaube, dass eine Vorschrift auszulegen ist. Vielleicht weicht der BGH von meiner Ansicht ab. Das mag verdrießen, ist aber kein Grund zur Abmahnung.
Bei juristischen Themen kann man eigentlich immer verschiedener Ansicht sein. Die Juristerei hat kein festes Set von Axiomen, aus denen sich alle Erkenntnisse mechanisch ableiten lassen. Gesetzestexte verallgemeinern und abstrahieren, müssen auf konkrete Fälle angewandt werden. Wertungen, technische und gesellschaftliche Verhältnisse oder einfach die Überzeugung aller billig und gerecht Denkenden ändern sich. Und nicht zuletzt kann man zu vielen Punkten einfach verschiedener Meinung sein und trefflich darüber streiten. Es gibt kein Richtig oder Falsch, sondern bestenfalls ein „Machen die Gerichte mit“ oder eben „kommt nicht durch“. Was nun genau die Gerichte so entscheiden, das ändert sich — Gott sei Dank — ab und an. Hin und wieder sind Hamburg und München auch nicht einer Meinung und gar nicht so selten überrascht auch der BGH mit glatten Kehrtwendungen. Kurz: die Diskussion juristischer Themen ohne Denk‑, Rede- und Schreibverbote ist unvermeidlich.
Sie ist auch notwendig. Ohne Diskussion gibt es auch keinen juristischen Erkenntnisprozess. Und — auch wenn es nicht alle glauben — selbst unter Juristen gilt das Argument „Das haben wir schon immer so gemacht“ jedenfalls dann nicht mehr, wenn sich die Gründe, warum das schon immer so geschehen ist, geändert haben oder einfach als unsinnig herausstellen.
Zuletzt ist es auch ganz offensichtlich klar, dass man unterschiedlicher Rechtsmeinung sein darf. Juristen leben davon, ich auch. Rechtsstreite haben es erfahrungsgemäß oft an sich, dass die Parteien und deren Vertreter verschiedene Ansichten über das Recht haben. Diese Fragen klärt man dann in einem geordneten Verfahren vor Gericht. In diesem Prozess werden jede Menge Schriftsätze ausgetauscht, die nur so vor unterschiedlichen Rechtsansichten strotzen. In vielen Fällen wird auch auf der Richterbank der Fall kontrovers diskutiert und eifrig in der mündlichen Verhandlung mit den Parteien erörtert. Das endet dann meist so, dass zwar immer noch alle Ihre Meinung haben, aber so oder so erst einmal Rechtsfrieden herrscht. So ist das eben.
Das Bedrückende am vorliegenden Fall ist aber gar nicht, dass hier gestritten wird. Persönlich finde ich es auch nicht wirklich schlimm, dass dieser Streit letztlich wohl mit Gebührengeldern finanziert wird. Denn letztlich ist ja egal, ob damit Rechtsstreite finanziert werden oder Wasserköpfe in den Anstalten. Furchtbar finde ich vielmehr, dass hier akademie.de der Mund verboten werden soll, obwohl doch der Rundfunk — auch der öffentlich-rechtliche — selbst so sehr auf das Recht zur freien Meinungsäußerung angewiesen ist.
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