„Deutschland braucht einen umfassenden digitalen Aufbruch.“ Seit dem 1. Januar 2023 werden Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen nur noch elektronisch übermittelt. Was das nun für Arbeitgeber bedeutet, erklärt Dr. Christian Ostermaier.
In dem 170 Seiten umfassenden Koalitionsvertrag 2021 zwischen der SPD, den Grünen und der FDP heißt es: „Deutschland braucht einen umfassenden digitalen Aufbruch.“
Ein wichtiger Schritt in Richtung Digitalisierung von Papierprozessen ist getan: Seit dem 1. Januar 2023 erhalten Arbeitgeber die Daten zur Arbeitsunfähigkeit ihrer Beschäftigten von den gesetzlichen Krankenkassen nur noch elektronisch; nachdem das Inkrafttreten der Gesetze bereits zweimal verschoben worden war, ist seitdem für Arbeitgeber die Teilnahme am Meldeverfahren zur elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU) verpflichtend.
Bisher musste der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nach § 5 Abs. 1 Satz 2 EFZG in Papierform vorlegen. Mit dem Inkrafttreten des neuen § 5 EFZG am 1. Januar 2023 entfällt diese Verpflichtung des Arbeitnehmers, jedenfalls bei gesetzlich Versicherten. Die von den gesetzlichen Krankenkassen elektronisch zur Verfügung gestellten Daten ruft der Arbeitgeber ab sofort selbständig ab.
Erkrankt ein Arbeitnehmer, muss er immer noch dem Arbeitgeber seine Arbeitsunfähigkeit und dessen Dauer unverzüglich melden. Der Arbeitnehmer erhält aber von seinem Arzt nur noch einen Ausdruck der Arbeitsunfähigkeitsdaten für sich selbst. Der bisherige Ausdruck für den Arbeitgeber wird durch das Meldeverfahren zur elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ersetzt: Die Arztpraxis übermittelt nach dem Arztbesuch des Arbeitnehmers die Arbeitsunfähigkeitsdaten an die gesetzliche Krankenkasse des Arbeitnehmers. Der Arbeitgeber hat aufgrund der Arbeitsunfähigkeitsmeldung des Arbeitnehmers dann eine Anfrage nach einer eAU an die Krankenkasse über deren Kommunikationsserver zu stellen. Nach Erhalt der Anfrage stellt die Krankenkasse die eAU zum Abruf auf dem Kommunikationsserver bereit. Der Arbeitgeber erhält darauf eine Benachrichtigung über die erfolgte Bereitstellung.
Die eAU enthält dabei folgende Informationen:
Angaben zur Anrechnung auf eine vorherige Erkrankung erfolgen nicht; diese müsste der Arbeitgeber später gesondert erfragen.
Die neue Rechtslage verlangt den Arbeitgebern gewisse technische und organisatorische Maßnahmen ab, um eine Teilnahme am eAU-Verfahren im Unternehmen sicherzustellen.
Für das Abrufen der eAU-Daten des Arbeitnehmers benötigen Arbeitgeber oder ihre Steuerberater ein systemgeprüftes Programm, eine elektronisch geschützte systemgeprüfte Ausfüllhilfe (sv.net) oder ein systemuntersuchtes Zeiterfassungssystem. Dies ist Grundvoraussetzung, um am eAU-Verfahren teilnehmen zu können. Ein Abruf darf dabei nur erfolgen, wenn ein Beschäftigungsverhältnis besteht und die Arbeitsunfähigkeit sowie deren voraussichtliche Dauer dem Arbeitgeber vorab vom Arbeitnehmer mitgeteilt wurden. Bei Mehrfachbeschäftigten kann jeder Arbeitgeber die eAU-Daten abrufen.
In organisatorischer Hinsicht muss der Arbeitgeber vorab bereits klären, wer die eAU-Daten abrufen soll und vor allem Sorge dafür tragen, dass die Arbeitsunfähigkeitsmeldung auch bei diesem eingeht oder an ihn weitergeleitet wird, dies vor allem dann, wenn der Arbeitgeber einen Abrechnungsdienstleister beauftragt hat. Er sollte den Informationsfluss zwischen Vorgesetzten und Entgeltabrechnung optimieren oder neu regeln, um so Fehlern in der Zeiterfassung oder bei Fehlzeiten entgegenzuwirken. Derzeit ist noch unklar, wie schnell die Krankenkassen die eAU-Daten zur Verfügung stellen; wenn Arbeitnehmer nicht gleich auf einen Arztbesuch hinweisen, mag manche eAU auch erst verspätet abgerufen werden.
Arbeitgeber müssen beachten, dass es trotz der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung immer noch Fälle gibt, in denen die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung dem Arbeitgeber in Papierform auszuhändigen ist.
Dies ist bei privat versicherten Arbeitnehmern der Fall. Auch Minijobs in Privathaushalten fallen darunter. Ebenso bleibt es bei Wiedereingliederungen des Arbeitnehmers beim Papierverfahren. Nicht abrufbar bleiben zudem die Bescheinigungen von Ärzten im Ausland.
Bei Erkrankung des Kindes oder bei Reha-Leistungen erfolgt ebenfalls noch keine automatische Weiterleitung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung an die Krankenkasse. Eine Anpassung ist für 2025 geplant.
Für Arbeitgeber ändert sich, dass sie von gesetzlich versicherten Arbeitnehmern keine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung mehr verlangen können. Sie müssen die technische Plattform hierfür bereitstellen, um so eine Arbeitsunfähigkeit überprüfen und sie in den Entgeltabrechnungsprozess einarbeiten zu können.
Nachdem die Arbeitsverträge bei ihren Regelungen zur Arbeitsunfähigkeit noch auf die alte Rechtslage abstellen, sollten Arbeitgeber im Hinblick auf die gesetzliche Änderung die Arbeitsverträge überprüfen und unter Umständen anpassen.
Ein großer Vorteil des eAU-Verfahrens ist die sichere und schnelle Übermittlung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung an den Arbeitgeber und die Krankenkasse. Erstellungs- und Übermittlungskosten reduzieren sich. Das Verfahren sorgt zudem für eine lückenlose Dokumentation bei den Krankenkassen. Die eAU ist bei 77 Millionen Arbeitsunfähigkeiten pro Jahr ein Schritt in die richtige Richtung.
Dr. Christian Ostermaier ist Partner bei SNP Schlawien Partnerschaft mbB. Er berät Unternehmen aller Größen, meist mittelständische Unternehmen, sowie deren Gesellschafter in allen Fragen des Gesellschaftsrechts und des Arbeitsrechts. https://de.linkedin.com/in/ostermaier-christian-898a3027
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
Solicitor (England und Wales)
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