Wenn man erbt, verdient der Staat meist mit, die Erbschaftsteuer folgt auf dem Fuße. Ein Miteigentumsanteil an einem Grundstück kann im Rahmen der Erbschaftsteuer niedriger bewertet werden als der rechnerische Bruchteil des Gesamtwerts, entschied das Finanzgericht Münster im Jahr 2022. Es erkannte damals einen im Gutachten ermittelten Marktanpassungsabschlag von 20 % an (FG Münster, Urt. v. 24.11.2022, Az. 3 K 1201/21 F).
Nach Auffassung des Gerichts eröffnet die im Jahr 2021 im Zuge der Grundsteuerreform neu gefasste Norm des § 198 Bewertungsgesetz (BewG) die Möglichkeit, auch bei einem Miteigentumsanteil einen niedrigeren gemeinen Wert nachzuweisen. Nach dieser Entscheidung stellt ein Miteigentumsanteil eine eigene wirtschaftliche Einheit dar. Die frühere Rechtsprechung des BFH, wonach stets der rechnerische Bruchteil maßgeblich war, sei auf die geltende Gesetzeslage nicht ohne Weiteres übertragbar, so die Münsteraner Finanzrichter im Jahr 2022. Sie betonten, dass das Bewertungsgesetz angesichts möglicher Überbewertungen typisierend arbeite, aber § 198 BewG Ausnahmen von dieser Typisierung ausdrücklich zugunsten individueller Beweisführung gestattet.
Das im damaligen Rechtsstreit vorgelegte Gutachten hatte die eingeschränkte Marktgängigkeit und reduzierte wirtschaftliche Verwertbarkeit solcher Anteile methodisch anerkannt berücksichtigt. Solche Anteile ließen sich nicht ohne Weiteres wie Volleigentum veräußern, stellte das Gericht fest.
Revision zurückgenommen
Die Finanzverwaltung legte dagegen Revision zum BFH ein, hat diese aber jetzt zurückgenommen. Damit ist das Urteil aus Münster rechtskräftig, ohne dass der BFH eine Entscheidung getroffen hätte. Man darf aber vermuten, dass die Finanzverwaltung das Rechtsmittel nicht ohne Grund zurückgenommen hat, der BFH dürfte angedeutet haben, der Revision nicht stattzugeben.
Selbstverständlich war das nicht. Anders als das FG Münster hatte das FG München in einer früheren Entscheidung (Urteil vom 25.02.2015, Az. 4 K 3683/12) einen solchen Marktanpassungsabschlag abgelehnt. Das Gericht hatte darauf abgestellt, dass der Wert des Miteigentumsanteils grundsätzlich als rechnerischer Bruchteil des Gesamtverkehrswerts anzusetzen sei, individuelle Abschläge aufgrund mangelnder Marktgängigkeit hielt es für nicht zulässig. Vereinzelt wird auch in der Literatur diese restriktive Sicht vertreten, die bisherige BFH-Rechtsprechung tendierte ebenfalls dazu, auf den rechnerischen Anteil abzustellen.
Klares Signal für einen niedrigeren Wert für Miteigentumsanteile
Die Entscheidung des FG Münster zeigt jedoch einen neuen Weg auf, der praxisrelevanter erscheint und stärker an tatsächliche Marktgegebenheiten anknüpft. Das Urteil aus Westfalen entfaltet keine bundesweite Bindungswirkung, hat aber eine durchaus erhebliche Signalwirkung: Es zeigt, dass Finanzgerichte bereit sind, Marktanpassungsabschläge zu akzeptieren, wenn diese durch ein schlüssiges Gutachten belegt werden. Steuerpflichtige haben so eine reale Möglichkeit, für Miteigentumsanteile einen niedrigeren Wert geltend zu machen.
Auch wenn eine einheitliche höchstrichterliche Linie noch fehlt, macht die Rücknahme der Revision diese Rechtsprechung vorläufig zur maßgeblichen Orientierung für die Praxis. Erbschaftsteuerpflichtige können sich im Streitfall auf diese Linie stützen, sofern sie ein qualifiziertes Gutachten vorlegen können, das die fehlende Marktgängigkeit und beschränkte Verwertbarkeit des Miteigentumsanteils empirisch und sachverständig belegt. Die Tür zur Anerkennung individueller Wertminderungen bei Miteigentumsanteilen ist damit faktisch geöffnet — jedenfalls bis auf Weiteres.
Insoweit eröffnet dieses Urteil gegebenenfalls auch Gestaltungsmöglichkeiten bei der Übertragung von Immobilienvermögen. Sei es im Rahmen der vorgelagerten Bildung von Miteigentum oder der Übertragung von Anteilen an grundbesitzenden vermögensverwaltenden Gesellschaften.
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Die Güterstandsschaukel kann Schenkungsteuer sparen. Doch wer GmbH-Anteile oder Immobilien überträgt, riskiert Einkommensteuer und ggf. auch Grunderwerbsteuer. Der BFH hat klargestellt: Eine rückwirkende Korrektur notarieller Verträge bleibt die absolute Ausnahme. Die sogenannte Güterstandsschaukel ist ein bewährtes Modell, um Vermögensübertragungen zwischen Ehegatten steuerlich zu optimieren. Die Ehepartner wechseln dafür von der Zugewinngemeinschaft in die Gütertrennung und manchmal auch wieder zurück....