Forenhaftung Revolutions — LG Hamburg zu Störern und eigenen Inhalten

Onlinerecht | 8. Mai 2007
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Ein durch­aus bemer­kens­wer­tes Urteil zur Fra­ge der Haf­tung für Foren hat uns das ein­schlä­gig bekann­te Land­ge­richt Ham­burg beschert, wie der Kol­le­ge Dr. Bahr berich­tet. So, wie die Ent­schei­dung wohl gele­sen wer­den muss, dürf­te sie — so die denn Bestand hat — dem The­ma Foren­haf­tung ganz neu­en Auf­trieb geben.

In der Sache geht es um eine Kla­ge eines Foren­be­trei­bers, der vom Gericht Fest­stel­lung begehrt, dass er nicht ver­pflich­tet ist, die Ver­brei­tung bestimm­ter Äuße­run­gen über einen kom­mer­zi­el­len Unfall­ret­tungs-Ser­vice zu unter­las­sen. Dabei geht es um Äuße­run­gen in Form von Foren-Pos­tings Drit­ter, eben der Nut­zer des Forums, nicht um Aus­sa­gen, die von ihm selbst stam­men.

Das Gericht ord­net eini­ger die­ser Äuße­run­gen als zuläs­si­ge Mei­nungs­äu­ße­run­gen ein und bean­stan­det die­se nicht. Eine Tat­sa­chen­be­haup­tung (das Unter­neh­men sei bereits ver­klagt wor­den) stell­te sich aber im Pro­zess als unwahr oder jeden­falls nicht erweis­lich wahr her­aus. Dar­aus fol­gert das Gericht:

Unbe­grün­det ist die Kla­ge dage­gen, soweit die Beklag­te einen Anspruch dar­auf gel­tend gemacht hat, dass der Klä­ger es unter­las­sen möge zu ver­brei­ten “… im Inter­net hab ich grad gele­sen das die Fir­ma auch schon wegen eini­gen din­gen ver­klagt wur­de (betrug etc.) …”.

Dies wird auf zwei ganz bemer­kens­wer­te Argu­men­te gestützt.

Zum einen wen­det es die Figur der Stö­rer­haf­tung in einem selbst für Ham­bur­ger Ver­hält­nis­se exzes­si­ven Maß an. Stö­rer kann bekann­ter­ma­ßen zunächst jeder sein, der zur Ver­wirk­li­chung einer rechts­wid­ri­gen Tat kau­sal bei­getra­gen hat. Dazu reicht es, dass er das Inter­net­fo­rum betreibt, in dem da ein Äuße­rungs­de­likt began­gen wur­de. Damit das Gan­ze nun aber nicht aus­ar­tet (auch die Eltern des Täters wären sonst Stö­rer, denn ohne Zeu­gung gäbe es den Täter gar nicht) wird regel­mä­ßig wei­ter­hin gefor­dert, dass Prüf­pflich­ten ver­letzt wer­den. Erst wenn das der Fall ist kommt die Stö­rer­haf­tung zum Tra­gen. Die­sen Punkt aber über­springt das Land­ge­richt non­cha­lant:

Der Klä­ger muss sich die Ver­brei­tung die­ser Äuße­rung auch zurech­nen las­sen, denn sie ist über ein von ihm unter­hal­te­nes Inter­net­fo­rum ver­brei­tet wor­den.

Der Klä­ger ist hin­sicht­lich der Ver­brei­tung die­ser Äuße­rung Stö­rer im Sin­ne von § 1004 Abs. 1 BGB, denn Stö­rer ist jede Per­son, von der eine Stö­rung von Rech­ten des Betrof­fe­nen aus­geht. Für die Stör­er­ei­gen­schaft reicht — wie sich auch aus den Nor­men der §§ 186 StGB oder 824 BGB ergibt — das blo­ße Ver­brei­ten einer unzu­läs­si­gen Äuße­rung aus; dass der Ver­brei­ter selbst hin­ter den rechts­wid­ri­gen Inhal­ten steht oder sie gar ver­fasst hat, ist danach nicht erfor­der­lich.

Des­wei­te­ren stellt das Gericht — ohne erkenn­ba­re Not übri­gens, denn Stö­rer kann man auch bezüg­lich frem­der Inhal­te sein — fest, dass es sich bei den Inhal­ten, die im Forum ein­ge­stellt wer­den, für den Foren­be­trei­ber um eige­ne Inhal­te han­delt:

Auf etwa­ige Haf­tungs­pri­vi­le­gie­run­gen kann sich der Klä­ger auf­grund der Bestim­mung des — hier noch ein­schlä­gi­gen — § 6 Abs. 1 MDStV nicht beru­fen, denn es han­delt sich bei der ange­grif­fe­nen Äuße­rung um eine eige­ne Infor­ma­ti­on, die er zum Abruf bereit­hält. Eige­ne Infor­ma­tio­nen im Sin­ne die­ser Vor­schrift sind nicht „eige­ne Behaup­tun­gen” im Sin­ne der für Wider­ruf oder Rich­tig­stel­lung ent­wi­ckel­ten Grund­sät­ze, son­dern Infor­ma­tio­nen, für deren Ver­brei­tung der Betrei­ber einer Inter­net­sei­te sei­nen eige­nen Inter­net­auf­tritt zur Ver­fü­gung stellt, mag auch nicht er selbst, son­dern eine drit­te Per­son die kon­kre­te Infor­ma­ti­on ein­ge­stellt haben.

Das ist nicht nur eine muti­ge Behaup­tung, es öff­net über die Recht­spre­chung des BGH zur Unter­las­sens­haf­tung hin­aus wohl den Weg auch zu Kla­gen auf Scha­dens­er­satz gegen Foren­be­trei­ber, denn bei eige­nen Inhal­ten grei­fen ja auch dies­be­züg­lich kei­ner­lei Pri­vi­le­gie­run­gen durch TMG / RStV.

Wie sich das mit der Recht­spre­chung (PDF) des BGH im Rolex-Fall oder auch des Han­sea­ti­schen OLG etwa im Fall Hei­se ver­trägt, bleibt mir jeden­falls ein Rät­sel. Dort gin­gen die Gerich­te davon aus, dass es sich bei Foren­ein­trä­gen bzw. Ebay-Auk­tio­nen — das ist ja ver­gleich­bar — zunächst um frem­de Inhal­te han­delt. Auch den Prüf­plich­ten der Stö­rer wid­me­ten sich die Gerich­te, unse­re dama­li­ge Kri­tik war nur, dass deren Ver­let­zung teil­wei­se vor­schnell bejaht wur­den.

Die Ent­schei­dung wört­lich genom­men wäre man hier wie­der ein­mal an dem Punkt, das Inter­net doch bes­ser abzu­schal­ten.

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