Forenhaftung Revolutions — LG Hamburg zu Störern und eigenen Inhalten

Onlinerecht | 8. Mai 2007
BEITRAG TEILEN
LinkedInXINGXFacebookEmailPrint

Ein dur­chaus bemerkenswertes Urteil zur Frage der Haf­tung für Foren hat uns das ein­schlägig bekan­nte Landgericht Ham­burg beschert, wie der Kol­lege Dr. Bahr berichtet. So, wie die Entschei­dung wohl gele­sen wer­den muss, dürfte sie — so die denn Bestand hat — dem The­ma Foren­haf­tung ganz neuen Auftrieb geben.

In der Sache geht es um eine Klage eines Foren­be­treibers, der vom Gericht Fest­stel­lung begehrt, dass er nicht verpflichtet ist, die Ver­bre­itung bes­timmter Äußerun­gen über einen kom­merziellen Unfall­ret­tungs-Ser­vice zu unter­lassen. Dabei geht es um Äußerun­gen in Form von Foren-Post­ings Drit­ter, eben der Nutzer des Forums, nicht um Aus­sagen, die von ihm selb­st stam­men.

Das Gericht ord­net einiger dieser Äußerun­gen als zuläs­sige Mei­n­ungsäußerun­gen ein und bean­standet diese nicht. Eine Tat­sachen­be­haup­tung (das Unternehmen sei bere­its verk­lagt wor­den) stellte sich aber im Prozess als unwahr oder jeden­falls nicht erweis­lich wahr her­aus. Daraus fol­gert das Gericht:

Unbe­grün­det ist die Klage dage­gen, soweit die Beklagte einen Anspruch darauf gel­tend gemacht hat, dass der Kläger es unter­lassen möge zu ver­bre­it­en “… im Inter­net hab ich grad gele­sen das die Fir­ma auch schon wegen eini­gen din­gen verk­lagt wurde (betrug etc.) …”.

Dies wird auf zwei ganz bemerkenswerte Argu­mente gestützt.

Zum einen wen­det es die Fig­ur der Stör­erhaf­tung in einem selb­st für Ham­burg­er Ver­hält­nisse exzes­siv­en Maß an. Stör­er kann bekan­nter­maßen zunächst jed­er sein, der zur Ver­wirk­lichung ein­er rechtswidri­gen Tat kausal beige­tra­gen hat. Dazu reicht es, dass er das Inter­net­fo­rum betreibt, in dem da ein Äußerungs­de­likt began­gen wurde. Damit das Ganze nun aber nicht ausartet (auch die Eltern des Täters wären son­st Stör­er, denn ohne Zeu­gung gäbe es den Täter gar nicht) wird regelmäßig weit­er­hin gefordert, dass Prüf­pflicht­en ver­let­zt wer­den. Erst wenn das der Fall ist kommt die Stör­erhaf­tung zum Tra­gen. Diesen Punkt aber über­springt das Landgericht non­cha­lant:

Der Kläger muss sich die Ver­bre­itung dieser Äußerung auch zurech­nen lassen, denn sie ist über ein von ihm unter­haltenes Inter­net­fo­rum ver­bre­it­et wor­den.

Der Kläger ist hin­sichtlich der Ver­bre­itung dieser Äußerung Stör­er im Sinne von § 1004 Abs. 1 BGB, denn Stör­er ist jede Per­son, von der eine Störung von Recht­en des Betrof­fe­nen aus­ge­ht. Für die Stör­ereigen­schaft reicht — wie sich auch aus den Nor­men der §§ 186 StGB oder 824 BGB ergibt — das bloße Ver­bre­it­en ein­er unzuläs­si­gen Äußerung aus; dass der Ver­bre­it­er selb­st hin­ter den rechtswidri­gen Inhal­ten ste­ht oder sie gar ver­fasst hat, ist danach nicht erforder­lich.

Desweit­eren stellt das Gericht — ohne erkennbare Not übri­gens, denn Stör­er kann man auch bezüglich fremder Inhalte sein — fest, dass es sich bei den Inhal­ten, die im Forum eingestellt wer­den, für den Foren­be­treiber um eigene Inhalte han­delt:

Auf etwaige Haf­tung­spriv­i­legierun­gen kann sich der Kläger auf­grund der Bes­tim­mung des — hier noch ein­schlägi­gen — § 6 Abs. 1 MDStV nicht berufen, denn es han­delt sich bei der ange­grif­f­e­nen Äußerung um eine eigene Infor­ma­tion, die er zum Abruf bere­i­thält. Eigene Infor­ma­tio­nen im Sinne dieser Vorschrift sind nicht „eigene Behaup­tun­gen” im Sinne der für Wider­ruf oder Richtig­stel­lung entwick­el­ten Grund­sätze, son­dern Infor­ma­tio­nen, für deren Ver­bre­itung der Betreiber ein­er Inter­net­seite seinen eige­nen Inter­ne­tauftritt zur Ver­fü­gung stellt, mag auch nicht er selb­st, son­dern eine dritte Per­son die konkrete Infor­ma­tion eingestellt haben.

Das ist nicht nur eine mutige Behaup­tung, es öffnet über die Recht­sprechung des BGH zur Unter­lassen­shaf­tung hin­aus wohl den Weg auch zu Kla­gen auf Schadenser­satz gegen Foren­be­treiber, denn bei eige­nen Inhal­ten greifen ja auch dies­bezüglich kein­er­lei Priv­i­legierun­gen durch TMG / RStV.

Wie sich das mit der Recht­sprechung (PDF) des BGH im Rolex-Fall oder auch des Hanseatis­chen OLG etwa im Fall Heise verträgt, bleibt mir jeden­falls ein Rät­sel. Dort gin­gen die Gerichte davon aus, dass es sich bei Forenein­trä­gen bzw. Ebay-Auk­tio­nen — das ist ja ver­gle­ich­bar — zunächst um fremde Inhalte han­delt. Auch den Prüf­plicht­en der Stör­er wid­me­ten sich die Gerichte, unsere dama­lige Kri­tik war nur, dass deren Ver­let­zung teil­weise vorschnell bejaht wur­den.

Die Entschei­dung wörtlich genom­men wäre man hier wieder ein­mal an dem Punkt, das Inter­net doch bess­er abzuschal­ten.

BEITRAG TEILEN
LinkedInXINGXFacebookEmailPrint

Aktuelles

Weitere Beiträge des Autors

Wettbewerbsrecht 16. Februar 2023

BGH zu Affiliate-Marketing: Alles ist schrecklich, aber Amazon haftet trotzdem nicht für seine Partner

Amazon muss nicht für seine Affiliate-Partner haften, entschied der Bundesgerichtshof. Rechtlich ist das Urteil kaum zu beanstanden, aber trotzdem hinterlässt es einen bitteren Nachgeschmack. Eine Einschätzung von Arne Trautmann.  (mehr …)

Crypto 20. Januar 2023

DAO: Die codierte Organisation

Haben Sie schon jemals darüber nachgedacht, was sich hinter dem Begriff „dezentralisierte autonome Organisation“ (DAO) verbirgt und welchen Einfluss die DAO im Alltag hat? Arne Trautmann berichtet aus der Fachwelt.  (mehr …)