Getrennt essen — gemeinsam zahlen?

Skurriles | 21. Oktober 2006
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Viel­leicht stan­den Sie auch schon mal vor fol­gen­der Situa­ti­on: Sie sit­zen mit sie­ben, acht Freun­den gemein­sam im Restau­rant. Es wird geges­sen, ein paar Wein­chen wer­den getrun­ken, hier und da ein Espres­so, dort ein Aver­na; vor­her gab’s einen Ape­ri­tiv, hin­ter­her Des­serts für die Süß­mäu­ler.

Als sie zah­len wol­len teilt der Kell­ner ihnen mit, dass im Hau­se die Tische nur ins­ge­samt abkas­siert wer­den, eine Auf­tei­lung nach den ein­zel­nen Per­so­nen wäre nicht mög­lich. Das ist ver­drieß­lich: die Men­ge des Kon­su­mier­ten war ver­mut­lich ganz unter­schied­lich: man­che der Gäs­te sind stern­ha­gel­blau, ande­re hat­ten nur ein klei­nes Was­ser; man­che sind dick und rund, die Damen dage­gen auf Diät. Ein­fach nur durch acht tei­len ist also nicht „gerecht“ (was immer das hier hei­ßen mag). Aber im eher ange­hei­ter­ten Zustand, ohne Taschen­rech­ner, ohne Kar­te und so auf die Schnel­le ist das detail­lier­te Aus­rech­nen der zu prel­len­den Zeche der jeweils betei­lig­ten Kon­su­men­ten auch schwie­rig. Aber irgend­wie klappt’s dann ja doch und alles regelt sich.

Nur als Jurist – damit natur­ge­mäß Stö­ren­fried – fragt man sich: dür­fen die das über­haupt, auf gemein­sa­mer Zah­lung bestehen?

Natür­lich ist mir klar, dass ein ernst­haf­tes Inter­es­se des Wirts besteht, eben nicht Spei­sen und Geträn­ke für jeden Gast ein­zeln auf­drö­seln zu müs­sen: das kos­tet Zeit und Mühe. Ande­rer­seits zeigt die Pra­xis, dass es geht. Vie­le Restau­rants bie­ten die­sen Ser­vice, wenn auch viel­leicht wider­stre­bend – wobei der Wider­wil­le in der Regel durch das ver­viel­fach­te Trink­geld für den Kell­ner besänf­tigt wird. Aber was ist mit dem Rest: was wäre denn der recht­li­che Hin­ter­grund des gemein­sa­men Abkas­sie­rens?

Grund­la­ge der Ent­gelt­for­de­rung des abkas­sie­ren­den Eta­blis­se­ments ist der Bewir­tungs­ver­trag. Das ist ein typen­ge­misch­ter Ver­trag mit kauf‑, dienst- und miet­ver­trag­li­chen Ele­men­te, beim genaue­ren Hin­se­hen fin­det sich sicher auch noch mehr. Die genaue Ein­ord­nung kann hier aber dahin­ste­hen: es geht ja um den Pri­mär­an­spruch, die Zeche.

Der Ver­trag als sol­cher wird nicht mit „dem Tisch“ geschlos­sen – soweit ich weiß, haben Tische kei­ne eige­ne Rechts­per­sön­lich­keit. Statt­des­sen muss sich das Restau­rant an die Prot­ago­nis­ten in Form der Gäs­te hal­ten. Die schlie­ßen aber jeder einen geson­der­ten Ver­trag mit dem Restau­rant und schul­den daher auch jeder ein­zeln das jewei­li­ge – kor­rekt vom Restau­rant zu berech­nen­de — Ent­gelt. Eine irgend­wie gear­te­te gesamt­schuld­ne­ri­sche Haf­tung – nach der das Restau­rant sich an einen der Gäs­te hal­ten könn­te, der dann zuse­hen müss­te, wie er sein Geld von den ande­ren zurück­er­hält – ist jeden­falls auf den ers­ten Blick nicht recht ersicht­lich.

Viel­leicht wäre das Ergeb­nis ja irgend­wie durch Ein­be­zie­hung von AGB mög­lich, auch wenn ich es bezwei­fe­le; aber mit ist auch noch kei­ne Knei­pe auf­ge­fal­len, die über­haupt AGB ver­wen­det. Oder ken­nen Sie eine Spei­se­kar­te, auf der steht „alle Geschäf­te erfol­gen auf Grund­la­ge unse­rer an der The­ke aus­hän­gen­den AGB“? Das ein­zi­ge, was regel­mä­ßig an der The­ke hängt, ist der Ver­weis auf das Jugend­schutz­ge­setz.

Als schlau­er Wirt könn­te man frei­lich auf den Gedan­ken kom­men, „den Tisch“ als eine GbR zu sehen, eine Gesell­schaft nach dem bür­ger­li­chen Recht. Alles Mög­li­che kann bekann­ter­ma­ßen eine sol­che GbR sein: die Lot­to-Tipp­ge­mein­schaft, eine Band, die Fahr­ge­mein­schaft. Immer braucht des dazu die Ver­fol­gung eines gemein­sa­men Zwecks. Aber reicht ein gemein­sa­mes Essen dafür wirk­lich schon aus? Mir scheint das als „Zweck“ doch zu flüch­tig, zu unscharf. Recht­spre­chung habe ich auf die Schnel­le nicht gefun­den, ande­re Mei­nun­gen höre ich gern.

Bis auf wei­te­res gehe ich jeden­falls davon aus, dass der Wirt nur dann ver­trags­treu han­delt, wenn er zumin­dest bereit ist, ein­zeln zu kas­sie­ren. Tut er es nicht, sind sie völ­lig im Recht, wenn sie ihm die vor­ste­hen­den Über­le­gun­gen kund­ge­ben und auf Ein­zel­zah­lung bestehen. Wegen des pein­li­chen Auf­tritts mag es frei­lich sein, dass sie bald ohne­hin nur noch allein im Restau­rant sit­zen. Wer will schon stän­dig reni­ten­ten Bes­ser­wis­sern Gesell­schaft leis­ten.

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