Google Datenpannen und richtiges Ärgern mit Auskunftsansprüchen

Datenschutz | 16. Mai 2010
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Wie schreck­lich lang­wei­lig wären doch die­se Welt und juris­ti­sche Web­logs ohne die Fir­ma Goog­le. An guten Tagen wirft Goog­le inter­es­san­te juris­ti­sche Fra­gen ein­fach des­halb auf, weil man dort stän­dig an der vor­ders­ten Front der tech­ni­schen und gesell­schaft­li­chen Ent­wick­lung ope­riert – und damit natür­lich auch recht­lich immer wie­der neue und noch nicht gericht­lich ent­schie­de­ne oder sonst aus­dis­ku­tier­te Fra­gen gene­riert.

Und dann, naja, machen auch die guten (nicht iro­nisch gemeint) Leu­te bei Goog­le ab und an schlicht Feh­ler. Wie etwa den, bei Gele­gen­heit der ohne­hin recht­lich wie gesell­schaft­lich schon bri­san­ten Abbil­dung des gesam­ten Lan­des gleich noch pri­va­te WLANs nicht nur zu erfas­sen, son­dern aus die­sen gleich noch Daten – Tei­le von Emails, besuch­ten Web­sei­ten etc – abzu­grei­fen und zu spei­chern.

Das ist natür­lich eben­so ille­gal wie däm­lich und dürf­te der Repu­ta­ti­on des Unter­neh­mens nach­hal­tig Scha­den zufü­gen. Gleich­zei­tig sind die Erklä­run­gen für die­se Pan­ne eher ver­wir­rend – da ist davon die Rede, dass ein Ver­se­hen vor­lä­ge, viel­leicht sei ein expe­ri­men­tel­les Pro­gramm an einer Stel­le ver­wen­det wor­den, an der man es nicht hät­te ver­wen­den sol­len. Oder so ähn­lich. Jeden­falls zwei­felt man ein wenig an der sonst so unstrit­ti­gen Kom­pe­tenz des Unter­neh­mens.

Sei’s drum: jeden­falls möch­te Goog­le die erho­be­nen Daten nun­mehr umge­hend löschen und Vor­keh­run­gen tref­fen, dass sol­che Pan­nen in Zukunft nicht mehr vor­kom­men. Das ist rein recht­lich natür­lich sinn­voll und not­wen­dig. Aber inter­es­sant ist doch für den Betrof­fe­nen in die­sem Moment auch, wel­che Daten da eigent­lich erfasst wur­den. Wol­len Sie das nicht auch wis­sen?

Wenn man Goog­le ein wenig beschäf­ti­gen und gleich­zei­tig Klar­heit erlan­gen will, dann soll­te man den Vor­fall eigent­lich zum Anlass neh­men, ein Aus­kunfts­ver­lan­gen nach § 34 BDSG bezüg­lich der eige­nen gespei­cher­ten Daten an das Unter­neh­men zu rich­ten. Die Vor­schrift bestimmt:

(1) Die ver­ant­wort­li­che Stel­le hat dem Betrof­fe­nen auf Ver­lan­gen Aus­kunft zu ertei­len über

  1. die zu sei­ner Per­son gespei­cher­ten Daten, auch soweit sie sich auf die Her­kunft die­ser Daten bezie­hen,
  2. den Emp­fän­ger oder die Kate­go­rien von Emp­fän­gern, an die Daten wei­ter­ge­ge­ben wer­den, und
  3. den Zweck der Spei­che­rung.

Der Betrof­fe­ne soll die Art der per­so­nen­be­zo­ge­nen Daten, über die Aus­kunft erteilt wer­den soll, näher bezeich­nen. Wer­den die per­so­nen­be­zo­ge­nen Daten geschäfts­mä­ßig zum Zweck der Über­mitt­lung gespei­chert, ist Aus­kunft über die Her­kunft und die Emp­fän­ger auch dann zu ertei­len, wenn die­se Anga­ben nicht gespei­chert sind. Die Aus­kunft über die Her­kunft und die Emp­fän­ger kann ver­wei­gert wer­den, soweit das Inter­es­se an der Wah­rung des Geschäfts­ge­heim­nis­ses gegen­über dem Infor­ma­ti­ons­in­ter­es­se des Betrof­fe­nen über­wiegt.

Ich weiß nicht, ob Sie den Aus­kunfts­an­spruch im Fall von Goog­le schon ein­mal ver­sucht haben. Mei­nes Erach­tens wirft er – als Gedan­ken­ex­pe­ri­ment durch­ge­spielt – drei ganz inter­es­san­te prak­ti­sche Fra­gen auf.

Zum einen müss­te Goog­le ja „an sich“ Aus­kunft zu “allen” gespei­cher­ten per­so­nen­be­zo­ge­nen Daten geben. Das betrifft dann einer­seits die­je­ni­gen, die in irgend­wel­chen wil­den Pro­jek­ten – wie eben vor­lie­gend Street­view – so anbei und unbe­kannt mit erfasst wer­den. Das soll­te aber auch den „ganz nor­ma­len“ Goog­le-Daten­be­stand beinhal­ten. Streng genom­men hät­te man – platt gesagt – einen Anspruch dar­auf, dass Goog­le den Aus­kunfts­su­chen­den mal goo­g­led und ihm das Ergeb­nis schickt. Muss Goog­le das tun oder kann es den Aus­kunfts­su­chen­den dar­auf ver­wei­sen, er möge doch selbst sei­nen Namen in das Goog­le-Such­fens­ter­chen ein­tip­pen? Vor allem, nach­dem so ein Daten­be­stand auch mal recht groß wer­den kann, stel­len Sie sich nur mal vor, ein Super­mo­dell oder Rock­star stellt den Antrag!? Ich den­ke, dass Goog­le das nicht darf, son­dern die Aus­kunft geben muss. Nicht zuletzt des­halb, weil es kei­ne Pflicht für Bun­des­bür­ger gibt, einen Inter­net­an­schluss oder über­haupt nur einen PC zu besit­zen oder bedie­nen zu kön­nen.

Gar nicht so ein­fach dürf­te es wei­ter­hin sein, das Aus­kunfts­ver­lan­gen ver­nünf­tig zu for­mu­lie­ren. An sich kann man ja Aus­kunft zu allen gespei­cher­ten per­so­nen­be­zo­ge­nen Daten ver­lan­gen. Nun kann man hin­ge­hen und – in mei­nem Fall – Aus­kunft zu allen Daten zu „Arne Traut­mann“ ver­lan­gen. Ganz ziel­füh­rend ist das aber nicht. Gera­de im aktu­el­len Fall weiß Goog­le aber selbst ja (hof­fent­lich) nicht, dass eine bestimm­te IP oder MAC-Adres­se eines erfass­ten WLAN-Netz­wer­kes zu mir gehört. Also müss­te ich, wenn ich sinn­vol­le Ergeb­nis­se erlan­gen will, Aus­kunft zu allen mög­li­chen mir allein zuge­hö­ri­gen Schlüs­sel­da­ten ver­lan­gen (kön­nen). Das ist aber gar nicht so tri­vi­al. Wis­sen Sie wirk­lich genau, wie Sie die MAC-Adres­se Ihrer Netz­werk­kar­te oder Ihres WLAN-Rou­ters über­haupt her­aus­be­kom­men? Oder wel­che Sie eigent­lich brau­chen bzw. wel­che Goog­le erfasst hat? Und selbst wenn Sie das Pro­blem lösen kön­nen: ver­lan­gen Sie von Goog­le mal Aus­kunft dar­über, wie häu­fig Sie auf Street­view zu sehen sind, oder Ihr Auto­kenn­zei­chen. Oder Aus­kunft zur Steu­er­num­mer Ihres Hun­des. Ihnen fal­len bestimmt noch ein paar mehr krea­ti­ve per­so­nen­be­zo­ge­ne Daten. Soll­ten Sie hier eine Denk­blo­cka­de haben schau­en Sie sich ein­fach einen belie­bi­gen guten US-Kri­mi an.

Zuletzt fra­ge ich mich, ob der Aus­kunfts­an­spruch in sei­ner jet­zi­gen For­mu­lie­ren über­haupt weit genug geht, ob er das Ziel, Trans­pa­renz für den Betrof­fe­nen zu schaf­fen, auch nur ansatz­wei­se errei­chen kann. Denn das wirk­lich inter­es­san­te und – je nach Stand­punkt – fas­zi­nie­ren­de oder bedroh­li­che – an einer gro­ßen Daten­samm­lung sind ja nicht die rei­nen gespei­cher­ten Daten, son­dern die Mög­lich­kei­ten derer Ver­knüp­fung und Aus­wer­tung. Dort liegt der Wert. Sinn­vol­ler­wei­se darf sich der Aus­kunfts­an­spruch also nicht dar­auf beschrän­ken, Daten lis­ten­mä­ßig auf­zu­lis­ten. Viel­mehr muss Goog­le – oder jeder ande­re – offen legen, wie er wel­che Daten mit­ein­an­der ver­knüpft. Und zwar so, dass es der Betrof­fe­ne auch ver­steht.

Allein dafür soll­te Goog­le mal ein paar gute Leu­te ein­stel­len.

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