Google Datenpannen und richtiges Ärgern mit Auskunftsansprüchen

Datenschutz | 16. Mai 2010
BEITRAG TEILEN
LinkedInXINGXFacebookEmailPrint

Wie schreck­lich lang­weilig wären doch diese Welt und juris­tis­che Weblogs ohne die Fir­ma Google. An guten Tagen wirft Google inter­es­sante juris­tis­che Fra­gen ein­fach deshalb auf, weil man dort ständig an der vorder­sten Front der tech­nis­chen und gesellschaftlichen Entwick­lung operiert – und damit natür­lich auch rechtlich immer wieder neue und noch nicht gerichtlich entsch­iedene oder son­st aus­disku­tierte Fra­gen gener­iert.

Und dann, naja, machen auch die guten (nicht iro­nisch gemeint) Leute bei Google ab und an schlicht Fehler. Wie etwa den, bei Gele­gen­heit der ohne­hin rechtlich wie gesellschaftlich schon brisan­ten Abbil­dung des gesamten Lan­des gle­ich noch pri­vate WLANs nicht nur zu erfassen, son­dern aus diesen gle­ich noch Dat­en – Teile von Emails, besucht­en Web­seit­en etc – abzu­greifen und zu spe­ich­ern.

Das ist natür­lich eben­so ille­gal wie däm­lich und dürfte der Rep­u­ta­tion des Unternehmens nach­haltig Schaden zufü­gen. Gle­ichzeit­ig sind die Erk­lärun­gen für diese Panne eher ver­wirrend – da ist davon die Rede, dass ein Verse­hen vor­läge, vielle­icht sei ein exper­i­mentelles Pro­gramm an ein­er Stelle ver­wen­det wor­den, an der man es nicht hätte ver­wen­den sollen. Oder so ähn­lich. Jeden­falls zweifelt man ein wenig an der son­st so unstrit­ti­gen Kom­pe­tenz des Unternehmens.

Sei’s drum: jeden­falls möchte Google die erhobe­nen Dat­en nun­mehr umge­hend löschen und Vorkehrun­gen tre­f­fen, dass solche Pan­nen in Zukun­ft nicht mehr vorkom­men. Das ist rein rechtlich natür­lich sin­nvoll und notwendig. Aber inter­es­sant ist doch für den Betrof­fe­nen in diesem Moment auch, welche Dat­en da eigentlich erfasst wur­den. Wollen Sie das nicht auch wis­sen?

Wenn man Google ein wenig beschäfti­gen und gle­ichzeit­ig Klarheit erlan­gen will, dann sollte man den Vor­fall eigentlich zum Anlass nehmen, ein Auskun­ftsver­lan­gen nach § 34 BDSG bezüglich der eige­nen gespe­icherten Dat­en an das Unternehmen zu richt­en. Die Vorschrift bes­timmt:

(1) Die ver­ant­wortliche Stelle hat dem Betrof­fe­nen auf Ver­lan­gen Auskun­ft zu erteilen über

  1. die zu sein­er Per­son gespe­icherten Dat­en, auch soweit sie sich auf die Herkun­ft dieser Dat­en beziehen,
  2. den Empfänger oder die Kat­e­gorien von Empfängern, an die Dat­en weit­ergegeben wer­den, und
  3. den Zweck der Spe­icherung.

Der Betrof­fene soll die Art der per­so­n­en­be­zo­ge­nen Dat­en, über die Auskun­ft erteilt wer­den soll, näher beze­ich­nen. Wer­den die per­so­n­en­be­zo­ge­nen Dat­en geschäftsmäßig zum Zweck der Über­mit­tlung gespe­ichert, ist Auskun­ft über die Herkun­ft und die Empfänger auch dann zu erteilen, wenn diese Angaben nicht gespe­ichert sind. Die Auskun­ft über die Herkun­ft und die Empfänger kann ver­weigert wer­den, soweit das Inter­esse an der Wahrung des Geschäfts­ge­heimniss­es gegenüber dem Infor­ma­tion­sin­ter­esse des Betrof­fe­nen über­wiegt.

Ich weiß nicht, ob Sie den Auskun­ft­sanspruch im Fall von Google schon ein­mal ver­sucht haben. Meines Eracht­ens wirft er – als Gedanken­ex­per­i­ment durchge­spielt – drei ganz inter­es­sante prak­tis­che Fra­gen auf.

Zum einen müsste Google ja „an sich“ Auskun­ft zu “allen” gespe­icherten per­so­n­en­be­zo­ge­nen Dat­en geben. Das bet­rifft dann ein­er­seits diejeni­gen, die in irgendwelchen wilden Pro­jek­ten – wie eben vor­liegend Streetview – so anbei und unbekan­nt mit erfasst wer­den. Das sollte aber auch den „ganz nor­malen“ Google-Datenbe­stand bein­hal­ten. Streng genom­men hätte man – platt gesagt – einen Anspruch darauf, dass Google den Auskun­ftssuchen­den mal googled und ihm das Ergeb­nis schickt. Muss Google das tun oder kann es den Auskun­ftssuchen­den darauf ver­weisen, er möge doch selb­st seinen Namen in das Google-Such­fen­sterchen ein­tip­pen? Vor allem, nach­dem so ein Datenbe­stand auch mal recht groß wer­den kann, stellen Sie sich nur mal vor, ein Super­mod­ell oder Rock­star stellt den Antrag!? Ich denke, dass Google das nicht darf, son­dern die Auskun­ft geben muss. Nicht zulet­zt deshalb, weil es keine Pflicht für Bun­des­bürg­er gibt, einen Inter­ne­tan­schluss oder über­haupt nur einen PC zu besitzen oder bedi­enen zu kön­nen.

Gar nicht so ein­fach dürfte es weit­er­hin sein, das Auskun­ftsver­lan­gen vernün­ftig zu for­mulieren. An sich kann man ja Auskun­ft zu allen gespe­icherten per­so­n­en­be­zo­ge­nen Dat­en ver­lan­gen. Nun kann man hinge­hen und – in meinem Fall – Auskun­ft zu allen Dat­en zu „Arne Traut­mann“ ver­lan­gen. Ganz zielführend ist das aber nicht. Ger­ade im aktuellen Fall weiß Google aber selb­st ja (hof­fentlich) nicht, dass eine bes­timmte IP oder MAC-Adresse eines erfassten WLAN-Net­zw­erkes zu mir gehört. Also müsste ich, wenn ich sin­nvolle Ergeb­nisse erlan­gen will, Auskun­ft zu allen möglichen mir allein zuge­höri­gen Schlüs­sel­dat­en ver­lan­gen (kön­nen). Das ist aber gar nicht so triv­ial. Wis­sen Sie wirk­lich genau, wie Sie die MAC-Adresse Ihrer Net­zw­erkkarte oder Ihres WLAN-Routers über­haupt her­aus­bekom­men? Oder welche Sie eigentlich brauchen bzw. welche Google erfasst hat? Und selb­st wenn Sie das Prob­lem lösen kön­nen: ver­lan­gen Sie von Google mal Auskun­ft darüber, wie häu­fig Sie auf Streetview zu sehen sind, oder Ihr Auto­kennze­ichen. Oder Auskun­ft zur Steuer­num­mer Ihres Hun­des. Ihnen fall­en bes­timmt noch ein paar mehr kreative per­so­n­en­be­zo­gene Dat­en. Soll­ten Sie hier eine Denkblock­ade haben schauen Sie sich ein­fach einen beliebi­gen guten US-Kri­mi an.

Zulet­zt frage ich mich, ob der Auskun­ft­sanspruch in sein­er jet­zi­gen For­mulieren über­haupt weit genug geht, ob er das Ziel, Trans­parenz für den Betrof­fe­nen zu schaf­fen, auch nur ansatzweise erre­ichen kann. Denn das wirk­lich inter­es­sante und – je nach Stand­punkt – faszinierende oder bedrohliche – an ein­er großen Daten­samm­lung sind ja nicht die reinen gespe­icherten Dat­en, son­dern die Möglichkeit­en der­er Verknüp­fung und Auswer­tung. Dort liegt der Wert. Sin­nvoller­weise darf sich der Auskun­ft­sanspruch also nicht darauf beschränken, Dat­en lis­ten­mäßig aufzulis­ten. Vielmehr muss Google – oder jed­er andere – offen leg­en, wie er welche Dat­en miteinan­der verknüpft. Und zwar so, dass es der Betrof­fene auch ver­ste­ht.

Allein dafür sollte Google mal ein paar gute Leute ein­stellen.

BEITRAG TEILEN
LinkedInXINGXFacebookEmailPrint

Aktuelles

Weitere Beiträge des Autors

Wettbewerbsrecht 16. Februar 2023

BGH zu Affiliate-Marketing: Alles ist schrecklich, aber Amazon haftet trotzdem nicht für seine Partner

Amazon muss nicht für seine Affiliate-Partner haften, entschied der Bundesgerichtshof. Rechtlich ist das Urteil kaum zu beanstanden, aber trotzdem hinterlässt es einen bitteren Nachgeschmack. Eine Einschätzung von Arne Trautmann.  (mehr …)

Crypto 20. Januar 2023

DAO: Die codierte Organisation

Haben Sie schon jemals darüber nachgedacht, was sich hinter dem Begriff „dezentralisierte autonome Organisation“ (DAO) verbirgt und welchen Einfluss die DAO im Alltag hat? Arne Trautmann berichtet aus der Fachwelt.  (mehr …)