Wie schrecklich langweilig wären doch diese Welt und juristische Weblogs ohne die Firma Google. An guten Tagen wirft Google interessante juristische Fragen einfach deshalb auf, weil man dort ständig an der vordersten Front der technischen und gesellschaftlichen Entwicklung operiert – und damit natürlich auch rechtlich immer wieder neue und noch nicht gerichtlich entschiedene oder sonst ausdiskutierte Fragen generiert.
Und dann, naja, machen auch die guten (nicht ironisch gemeint) Leute bei Google ab und an schlicht Fehler. Wie etwa den, bei Gelegenheit der ohnehin rechtlich wie gesellschaftlich schon brisanten Abbildung des gesamten Landes gleich noch private WLANs nicht nur zu erfassen, sondern aus diesen gleich noch Daten – Teile von Emails, besuchten Webseiten etc – abzugreifen und zu speichern.
Das ist natürlich ebenso illegal wie dämlich und dürfte der Reputation des Unternehmens nachhaltig Schaden zufügen. Gleichzeitig sind die Erklärungen für diese Panne eher verwirrend – da ist davon die Rede, dass ein Versehen vorläge, vielleicht sei ein experimentelles Programm an einer Stelle verwendet worden, an der man es nicht hätte verwenden sollen. Oder so ähnlich. Jedenfalls zweifelt man ein wenig an der sonst so unstrittigen Kompetenz des Unternehmens.
Sei’s drum: jedenfalls möchte Google die erhobenen Daten nunmehr umgehend löschen und Vorkehrungen treffen, dass solche Pannen in Zukunft nicht mehr vorkommen. Das ist rein rechtlich natürlich sinnvoll und notwendig. Aber interessant ist doch für den Betroffenen in diesem Moment auch, welche Daten da eigentlich erfasst wurden. Wollen Sie das nicht auch wissen?
Wenn man Google ein wenig beschäftigen und gleichzeitig Klarheit erlangen will, dann sollte man den Vorfall eigentlich zum Anlass nehmen, ein Auskunftsverlangen nach § 34 BDSG bezüglich der eigenen gespeicherten Daten an das Unternehmen zu richten. Die Vorschrift bestimmt:
(1) Die verantwortliche Stelle hat dem Betroffenen auf Verlangen Auskunft zu erteilen über
- die zu seiner Person gespeicherten Daten, auch soweit sie sich auf die Herkunft dieser Daten beziehen,
- den Empfänger oder die Kategorien von Empfängern, an die Daten weitergegeben werden, und
- den Zweck der Speicherung.
Der Betroffene soll die Art der personenbezogenen Daten, über die Auskunft erteilt werden soll, näher bezeichnen. Werden die personenbezogenen Daten geschäftsmäßig zum Zweck der Übermittlung gespeichert, ist Auskunft über die Herkunft und die Empfänger auch dann zu erteilen, wenn diese Angaben nicht gespeichert sind. Die Auskunft über die Herkunft und die Empfänger kann verweigert werden, soweit das Interesse an der Wahrung des Geschäftsgeheimnisses gegenüber dem Informationsinteresse des Betroffenen überwiegt.
Ich weiß nicht, ob Sie den Auskunftsanspruch im Fall von Google schon einmal versucht haben. Meines Erachtens wirft er – als Gedankenexperiment durchgespielt – drei ganz interessante praktische Fragen auf.
Zum einen müsste Google ja „an sich“ Auskunft zu “allen” gespeicherten personenbezogenen Daten geben. Das betrifft dann einerseits diejenigen, die in irgendwelchen wilden Projekten – wie eben vorliegend Streetview – so anbei und unbekannt mit erfasst werden. Das sollte aber auch den „ganz normalen“ Google-Datenbestand beinhalten. Streng genommen hätte man – platt gesagt – einen Anspruch darauf, dass Google den Auskunftssuchenden mal googled und ihm das Ergebnis schickt. Muss Google das tun oder kann es den Auskunftssuchenden darauf verweisen, er möge doch selbst seinen Namen in das Google-Suchfensterchen eintippen? Vor allem, nachdem so ein Datenbestand auch mal recht groß werden kann, stellen Sie sich nur mal vor, ein Supermodell oder Rockstar stellt den Antrag!? Ich denke, dass Google das nicht darf, sondern die Auskunft geben muss. Nicht zuletzt deshalb, weil es keine Pflicht für Bundesbürger gibt, einen Internetanschluss oder überhaupt nur einen PC zu besitzen oder bedienen zu können.
Gar nicht so einfach dürfte es weiterhin sein, das Auskunftsverlangen vernünftig zu formulieren. An sich kann man ja Auskunft zu allen gespeicherten personenbezogenen Daten verlangen. Nun kann man hingehen und – in meinem Fall – Auskunft zu allen Daten zu „Arne Trautmann“ verlangen. Ganz zielführend ist das aber nicht. Gerade im aktuellen Fall weiß Google aber selbst ja (hoffentlich) nicht, dass eine bestimmte IP oder MAC-Adresse eines erfassten WLAN-Netzwerkes zu mir gehört. Also müsste ich, wenn ich sinnvolle Ergebnisse erlangen will, Auskunft zu allen möglichen mir allein zugehörigen Schlüsseldaten verlangen (können). Das ist aber gar nicht so trivial. Wissen Sie wirklich genau, wie Sie die MAC-Adresse Ihrer Netzwerkkarte oder Ihres WLAN-Routers überhaupt herausbekommen? Oder welche Sie eigentlich brauchen bzw. welche Google erfasst hat? Und selbst wenn Sie das Problem lösen können: verlangen Sie von Google mal Auskunft darüber, wie häufig Sie auf Streetview zu sehen sind, oder Ihr Autokennzeichen. Oder Auskunft zur Steuernummer Ihres Hundes. Ihnen fallen bestimmt noch ein paar mehr kreative personenbezogene Daten. Sollten Sie hier eine Denkblockade haben schauen Sie sich einfach einen beliebigen guten US-Krimi an.
Zuletzt frage ich mich, ob der Auskunftsanspruch in seiner jetzigen Formulieren überhaupt weit genug geht, ob er das Ziel, Transparenz für den Betroffenen zu schaffen, auch nur ansatzweise erreichen kann. Denn das wirklich interessante und – je nach Standpunkt – faszinierende oder bedrohliche – an einer großen Datensammlung sind ja nicht die reinen gespeicherten Daten, sondern die Möglichkeiten derer Verknüpfung und Auswertung. Dort liegt der Wert. Sinnvollerweise darf sich der Auskunftsanspruch also nicht darauf beschränken, Daten listenmäßig aufzulisten. Vielmehr muss Google – oder jeder andere – offen legen, wie er welche Daten miteinander verknüpft. Und zwar so, dass es der Betroffene auch versteht.
Allein dafür sollte Google mal ein paar gute Leute einstellen.
Amazon muss nicht für seine Affiliate-Partner haften, entschied der Bundesgerichtshof. Rechtlich ist das Urteil kaum zu beanstanden, aber trotzdem hinterlässt es einen bitteren Nachgeschmack. Eine Einschätzung von Arne Trautmann. (mehr …)
Haben Sie schon jemals darüber nachgedacht, was sich hinter dem Begriff „dezentralisierte autonome Organisation“ (DAO) verbirgt und welchen Einfluss die DAO im Alltag hat? Arne Trautmann berichtet aus der Fachwelt. (mehr …)