Schon recht umfangreich wurde in den einschlägigen Medien vom Urteil des LG Hamburg in Sachen Universal Boards gegen den Heise Verlag berichtet. In der Sache geht es um Beiträge von Usern im Forum des Heise Verlags, in denen dazu aufgefordert wurde, Server der Universal Boards durch eine Art menschliche DDoS-Attacke in die Knie zu zwingen.
Von diesen Beiträgen hatte der Verlag keine Kenntnis, billigte sie nicht und hatte sie nach Aufforderung auch unverzüglich entfernt. Dennoch hat das LG Hamburg eine einstweilige Verfügung in der Sache erlassen, die es Heise verbietet,
Forenbeiträge zu verbreiten, in denen dazu aufgerufen wird, durch den massenhaften Download eines Programms den Server-Betrieb eines Unternehmens zu stören.
Hat diese restriktive Ansicht des Gerichts Bestand, dann kann das Probleme nicht nur für Foren, sondern auch für Blogs, Gästebücher und andere interaktive Seiten im Internet bedeuten. Denn in der Sache wird hier der Betreiber einer solchen Seite unmittelbar für Äußerungen von Nutzern haftbar gemacht, von denen er im Zweifel nichts weiß und – gerade bei umfangreichen Foren – vielleicht auch gar nichts wissen kann.
Eine seriöse Stellungnahme fällt derzeit schwer, da die Urteilsbegründung noch nicht vorliegt. Auf den ersten Blick jedenfalls scheint mir das Urteil zumindest hart am Rande des Vertretbaren zu liegen – genauso genommen wohl schon auf der „falschen“ Seite dieser feinen Linie.
Grundsätzlich stellt bekanntermaßen das Teledienstegesetz denjenigen, der nur fremde Informationen für seine Nutzer speichert, von der „Verantwortlichkeit“ für die Informationen frei:
§ 11 — Speicherung von Informationen
Diensteanbieter sind für fremde Informationen, die sie für einen Nutzer speichern, nicht verantwortlich, sofern
1. sie keine Kenntnis von der rechtswidrigen Handlung oder der Information haben und ihnen im Falle von Schadensersatzansprüchen auch keine Tatsachen oder Umstände bekannt sind, aus denen die rechtswidrige Handlung oder die Information offensichtlich wird, oder
2. sie unverzüglich tätig geworden sind, um die Information zu entfernen oder den Zugang zu ihr zu sperren, sobald sie diese Kenntnis erlangt haben.
Nun hat der Gesetzgeber bei der Umsetzung der EU-Richtlinie, auf der das TDG beruht, wie so oft schlampig gearbeitet. Denn der Begriff der „Verantwortlichkeit“ am Anfang der Vorschrift ist interpretabel – es gibt ihn so im deutschen Recht eigentlich nicht, das üblicherweise von „Haftung“ spricht. Was also ist gemeint?
„An sich“ sollten da – so meinte der Gesetzgeber – wohl die „Haftung“ auf Schadenersatz, aber auch Ansprüche auf Unterlassung, insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Störerhaftung, ausgeschlossen sein.
Der BGH sah das bereits mit Urteil vom 11.3.2004, AZ I ZR 304/01 anders. Einer der Leitsätze des Urteils lautet:
Das Haftungsprivileg des § 11 Satz 1 TDG, das den Diensteanbieter, der fremde Informationen für einen Nutzer speichert („Hosting“), von einer Verantwortlichkeit freistellt, betrifft nicht den Unterlassungsanspruch.
Zur Begründung führt das Gericht aus:
Wie sich aus dem Gesamtzusammenhang der gesetzlichen Regelung ergibt, findet die Haftungsprivilegierung des § 11 TDG n.F. indessen keine Anwendung auf Unterlassungsansprüche. Dies kommt im Wortlaut des § 11 Satz 1 TDG nur insofern zum Ausdruck, daß dort von der Verantwortlichkeit des Diensteanbieters die Rede ist. Damit ist lediglich die strafrechtliche Verantwortlichkeit und die Schadensersatzhaftung angesprochen. § 11 TDG besagt indessen nichts darüber, ob ein Diensteanbieter nach den allgemeinen deliktsrechtlichen Maßstäben oder als Störer auf Unterlassung in Anspruch genommen werden kann, wenn eine Veröffentlichung in dem von ihm betriebenen Dienst die (Marken-)Rechte eines Dritten verletzt.
Das kann man so lesen, dass, hätte der Gesetzgeber auch den Unterlassungsanspruch ausschließen wollen (was er in der Tat wohl wollte), er das ein wenig deutlich hätte ausdrücken sollen.
Allerdings sieht auch der BGH, dass die Störerhaftung nicht unbotmäßig ausarten darf, wenn man in Deutschland nicht das Internet komplett abschalten will. Also fügt das Gericht ein Korrektiv ein:
Weil die Störerhaftung aber nicht über Gebühr auf Dritte erstreckt werden darf, die nicht selbst die rechtswidrige Beeinträchtigung vorgenommen haben, setzt die Haftung des Störers die Verletzung von Prüfungspflichten voraus. Deren Umfang bestimmt sich danach, ob und inwieweit dem als Störer in Anspruch Genommenen nach den Umständen eine Prüfung zuzumuten ist (…).
Einem Unternehmen, das – wie die Beklagte – im Internet eine Plattform für Fremdversteigerungen betreibt, ist es nicht zuzumuten, jedes Angebot vor Veröffentlichung im Internet auf eine mögliche Rechtsverletzung hin zu untersuchen. Eine solche Obliegenheit würde das gesamte Geschäftsmodell in Frage stellen.
Genau diese feine Überlegung hat das LG Hamburg aber nicht oder jedenfalls nicht bis zu Ende angestellt. Denn nichts anderes gilt im Fall eines Forums mit Tausenden von Posts täglich: es gibt keine zumutbare technische oder organisatorische Möglichkeit, jeden Post auf rechtsverletzte Inhalte zu prüfen. Mit Stichwortfiltern ist das nicht zu machen und die Modertation jedes Posts vor dem Freischalten würde das Forum unbenutzbar machen.
Das LG Hamburg geht daher in seinem Urteil nicht nur über das Teledienstegesetz hinaus, sondern dehnt selbst die ohnehin schon bedenkliche Rechtsprechung des BGH zu diesem Thema noch auf das Äußerst aus. Es gelangt damit zu m.E. nicht hinnehmbaren Ergebnissen.
Heise wird gut beraten sein, gegen das Urteil alle Rechtsmittel auszuschöpfen. Notfalls streitet hier auch das Grundrecht aus Art 5 GG für den Verlag. Es bleibt also spannend.
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