Heise, Links und Haftung im Forum

Onlinerecht | 6. Dezember 2005
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Schon recht umfang­reich wur­de in den ein­schlä­gi­gen Medi­en vom Urteil des LG Ham­burg in Sachen Uni­ver­sal Boards gegen den Hei­se Ver­lag berich­tet. In der Sache geht es um Bei­trä­ge von Usern im Forum des Hei­se Ver­lags, in denen dazu auf­ge­for­dert wur­de, Ser­ver der Uni­ver­sal Boards durch eine Art mensch­li­che DDoS-Atta­cke in die Knie zu zwin­gen.

Von die­sen Bei­trä­gen hat­te der Ver­lag kei­ne Kennt­nis, bil­lig­te sie nicht und hat­te sie nach Auf­for­de­rung auch unver­züg­lich ent­fernt. Den­noch hat das LG Ham­burg eine einst­wei­li­ge Ver­fü­gung in der Sache erlas­sen, die es Hei­se ver­bie­tet,

Foren­bei­trä­ge zu ver­brei­ten, in denen dazu auf­ge­ru­fen wird, durch den mas­sen­haf­ten Down­load eines Pro­gramms den Ser­ver-Betrieb eines Unter­neh­mens zu stö­ren.

Hat die­se restrik­ti­ve Ansicht des Gerichts Bestand, dann kann das Pro­ble­me nicht nur für Foren, son­dern auch für Blogs, Gäs­te­bü­cher und ande­re inter­ak­ti­ve Sei­ten im Inter­net bedeu­ten. Denn in der Sache wird hier der Betrei­ber einer sol­chen Sei­te unmit­tel­bar für Äuße­run­gen von Nut­zern haft­bar gemacht, von denen er im Zwei­fel nichts weiß und – gera­de bei umfang­rei­chen Foren – viel­leicht auch gar nichts wis­sen kann.

Eine seriö­se Stel­lung­nah­me fällt der­zeit schwer, da die Urteils­be­grün­dung noch nicht vor­liegt. Auf den ers­ten Blick jeden­falls scheint mir das Urteil zumin­dest hart am Ran­de des Ver­tret­ba­ren zu lie­gen – genau­so genom­men wohl schon auf der „fal­schen“ Sei­te die­ser fei­nen Linie.

Grund­sätz­lich stellt bekann­ter­ma­ßen das Tel­e­dien­ste­ge­setz den­je­ni­gen, der nur frem­de Infor­ma­tio­nen für sei­ne Nut­zer spei­chert, von der „Ver­ant­wort­lich­keit“ für die Infor­ma­tio­nen frei:

§ 11 — Spei­che­rung von Infor­ma­tio­nen

Diens­te­an­bie­ter sind für frem­de Infor­ma­tio­nen, die sie für einen Nut­zer spei­chern, nicht ver­ant­wort­lich, sofern

1. sie kei­ne Kennt­nis von der rechts­wid­ri­gen Hand­lung oder der Infor­ma­ti­on haben und ihnen im Fal­le von Scha­dens­er­satz­an­sprü­chen auch kei­ne Tat­sa­chen oder Umstän­de bekannt sind, aus denen die rechts­wid­ri­ge Hand­lung oder die Infor­ma­ti­on offen­sicht­lich wird, oder

2. sie unver­züg­lich tätig gewor­den sind, um die Infor­ma­ti­on zu ent­fer­nen oder den Zugang zu ihr zu sper­ren, sobald sie die­se Kennt­nis erlangt haben.

Nun hat der Gesetz­ge­ber bei der Umset­zung der EU-Richt­li­nie, auf der das TDG beruht, wie so oft schlam­pig gear­bei­tet. Denn der Begriff der „Ver­ant­wort­lich­keit“ am Anfang der Vor­schrift ist inter­pr­e­ta­bel – es gibt ihn so im deut­schen Recht eigent­lich nicht, das übli­cher­wei­se von „Haf­tung“ spricht. Was also ist gemeint?

„An sich“ soll­ten da – so mein­te der Gesetz­ge­ber – wohl die „Haf­tung“ auf Scha­den­er­satz, aber auch Ansprü­che auf Unter­las­sung, ins­be­son­de­re unter dem Gesichts­punkt der Stö­rer­haf­tung, aus­ge­schlos­sen sein.

Der BGH sah das bereits mit Urteil vom 11.3.2004, AZ I ZR 304/01 anders. Einer der Leit­sät­ze des Urteils lau­tet:

Das Haf­tungs­pri­vi­leg des § 11 Satz 1 TDG, das den Diens­te­an­bie­ter, der frem­de Infor­ma­tio­nen für einen Nut­zer spei­chert („Hos­ting“), von einer Ver­ant­wort­lich­keit frei­stellt, betrifft nicht den Unter­las­sungs­an­spruch.

Zur Begrün­dung führt das Gericht aus:

Wie sich aus dem Gesamt­zu­sam­men­hang der gesetz­li­chen Rege­lung ergibt, fin­det die Haf­tungs­pri­vi­le­gie­rung des § 11 TDG n.F. indes­sen kei­ne Anwen­dung auf Unter­las­sungs­an­sprü­che. Dies kommt im Wort­laut des § 11 Satz 1 TDG nur inso­fern zum Aus­druck, daß dort von der Ver­ant­wort­lich­keit des Diens­te­an­bie­ters die Rede ist. Damit ist ledig­lich die straf­recht­li­che Ver­ant­wort­lich­keit und die Scha­dens­er­satz­haf­tung ange­spro­chen. § 11 TDG besagt indes­sen nichts dar­über, ob ein Diens­te­an­bie­ter nach den all­ge­mei­nen delikts­recht­li­chen Maß­stä­ben oder als Stö­rer auf Unter­las­sung in Anspruch genom­men wer­den kann, wenn eine Ver­öf­fent­li­chung in dem von ihm betrie­be­nen Dienst die (Marken-)Rechte eines Drit­ten ver­letzt.

Das kann man so lesen, dass, hät­te der Gesetz­ge­ber auch den Unter­las­sungs­an­spruch aus­schlie­ßen wol­len (was er in der Tat wohl woll­te), er das ein wenig deut­lich hät­te aus­drü­cken sol­len.

Aller­dings sieht auch der BGH, dass die Stö­rer­haf­tung nicht unbot­mä­ßig aus­ar­ten darf, wenn man in Deutsch­land nicht das Inter­net kom­plett abschal­ten will. Also fügt das Gericht ein Kor­rek­tiv ein:

Weil die Stö­rer­haf­tung aber nicht über Gebühr auf Drit­te erstreckt wer­den darf, die nicht selbst die rechts­wid­ri­ge Beein­träch­ti­gung vor­ge­nom­men haben, setzt die Haf­tung des Stö­rers die Ver­let­zung von Prü­fungs­pflich­ten vor­aus. Deren Umfang bestimmt sich danach, ob und inwie­weit dem als Stö­rer in Anspruch Genom­me­nen nach den Umstän­den eine Prü­fung zuzu­mu­ten ist (…).

Einem Unter­neh­men, das – wie die Beklag­te – im Inter­net eine Platt­form für Fremd­ver­stei­ge­run­gen betreibt, ist es nicht zuzu­mu­ten, jedes Ange­bot vor Ver­öf­fent­li­chung im Inter­net auf eine mög­li­che Rechts­ver­let­zung hin zu unter­su­chen. Eine sol­che Oblie­gen­heit wür­de das gesam­te Geschäfts­mo­dell in Fra­ge stel­len.

Genau die­se fei­ne Über­le­gung hat das LG Ham­burg aber nicht oder jeden­falls nicht bis zu Ende ange­stellt. Denn nichts ande­res gilt im Fall eines Forums mit Tau­sen­den von Posts täg­lich: es gibt kei­ne zumut­ba­re tech­ni­sche oder orga­ni­sa­to­ri­sche Mög­lich­keit, jeden Post auf rechts­ver­letz­te Inhal­te zu prü­fen. Mit Stich­wort­fil­tern ist das nicht zu machen und die Moder­ta­ti­on jedes Posts vor dem Frei­schal­ten wür­de das Forum unbe­nutz­bar machen.

Das LG Ham­burg geht daher in sei­nem Urteil nicht nur über das Tel­e­dien­ste­ge­setz hin­aus, son­dern dehnt selbst die ohne­hin schon bedenk­li­che Recht­spre­chung des BGH zu die­sem The­ma noch auf das Äußerst aus. Es gelangt damit zu m.E. nicht hin­nehm­ba­ren Ergeb­nis­sen.

Hei­se wird gut bera­ten sein, gegen das Urteil alle Rechts­mit­tel aus­zu­schöp­fen. Not­falls strei­tet hier auch das Grund­recht aus Art 5 GG für den Ver­lag. Es bleibt also span­nend.

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