„Hütchenspiele“ auf focus.de — Datenschutz im Zeitalter des Internet

Datenschutz | 15. September 2005
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Ein wirk­lich schö­nes Bei­spiel dafür, wie trotz for­mal­ju­ris­tisch wohl kor­rek­ter Hand­ha­bung der Daten­schutz­ge­set­ze deren eigent­li­cher Zweck kon­ter­ka­riert wer­den kann, zeigt sich auf focus.de. In einer Art Hüt­chen­spiel („wo lie­gen mei­ne Daten?“) wird der Nut­zer von Online-Ver­si­che­rungs­ver­glei­chen an einen Dienst­leis­ter im Ver­si­che­rungs- und Geld­an­la­ge-Bereich gelei­tet. Meist dürf­te der Nut­zer das nicht bemer­ken. Mög­lich macht’s das Inter­net, eine undurch­sich­ti­ge Sei­te und die geschick­te Ver­knüp­fung von Eigen- und Fremd­in­hal­ten.

Das Gan­ze funk­tio­niert so:

Es gibt Berufs­grup­pen, mit denen tre­te ich ungern in Kon­takt, und wenn sie mit mir in Kon­takt tre­ten ist das in aller Regel auch unan­ge­nehm. Dazu zäh­len natür­lich Anwäl­te, vor allem aber auch Ver­si­che­rungs­leu­te, ob jetzt Mak­ler, Ver­tre­ter, Ver­mitt­ler, Dienst­leis­ter. Deren Geschäft, der Ver­kauf von Ver­si­che­run­gen, bringt es mit sich, dass man unan­ge­nehm an die eige­ne Sterb­lich­keit erin­nert wird, an die Gefahr von Ver­let­zun­gen, Schä­den und Berufs­un­fä­hig­keit. Außer­dem sind die Ver­kaufs­me­tho­den bekannt pene­trant und wenn’s drauf ankommt, hat man sowie­so die fal­sche Ver­si­che­rung.

So ein Dienst­leis­ter im Ver­si­che­rungs- und Finanz­be­reich ist etwa das Unter­neh­men ino24 AG. Auf deren Web­sei­te kann man, so der Text der Sei­te, ver­schie­de­ne Ver­si­che­rungs­ge­sell­schaf­ten online ver­glei­chen. Aber wenn man das tut, dann ahnt man – und zwar zu Recht, wie die AGB und Daten­schutz­be­stim­mun­gen des Unter­neh­mens zei­gen – dass man dem­nächst wohl viel Post oder Tele­fo­na­te erhält. Das Unter­neh­men ver­mit­telt (Punkt 5.1. der AGB) kei­ne Ver­si­che­run­gen, gibt aber Anfra­gen an die Leis­tungs­trä­ger (Ban­ken, Ver­mitt­ler, Ver­si­che­run­gen etc.) wei­ter. Ins­be­son­de­re muss für den Ver­gleich per­so­nen­be­zo­ge­ne Daten ein­ge­ben: Alter, Beruf, Email. Und da ich mich für den Ver­gleich vie­ler Ver­si­che­run­gen als „pri­vat“ aus­wei­sen muss, wird hier­zu im Rah­men einer Regis­trie­rung auch noch mei­ne Tele­fon­num­mer abge­fragt.

Dane­ben gibt es bekann­te Online­por­ta­le, die beim Inter­net­nut­zer einen gewis­sen Ver­trau­ens­bo­nus genie­ßen. Dazu dürf­te unzwei­fel­haft auch die Sei­te focus.de gehö­ren. Die bie­ten neben Nach­rich­ten jede Men­ge Mehr­wert und Schnick­schnack. Unter ande­rem auch, wer denkt es, Ver­si­che­rungs­ver­glei­che.

Ich bin da ganz offen: Ich gebe mei­ne Daten lie­ber auf der Sei­te Focus-Sei­te ein als beim Ver­si­che­rungs­men­schen. Irgend­wie glau­be ich nicht, dass mich Focus.de hin­ter­her anruft, um mir den Abschluss einer Lebens­ver­si­che­rung nahe­zu­le­gen.

Tut er auch nicht. Wie auch.

Mei­ne Daten lan­den näm­lich nicht beim focus.de, son­dern bei Ino24. In das Focus.de-Layout wird näm­lich schlicht deren Ver­si­che­rungs­ver­gleichs-Tool ein­ge­blen­det. Nur rich­tig sehen kann man das nicht: zwar zeigt der Brow­ser in der Titel­leis­te „ino24“ an, die Sei­te selbst ist aber die focus.de-Finanz-Seite „powered by Focus online“. Die Ver­si­che­rungs­ver­gleich hei­ßen auch „Focus Online-Ver­gleich“.

Zwar sagt mir Focus-online:

Die Daten zu den Ver­glei­chen stam­men von einem exter­nen Anbie­ter. Für die Rich­tig­keit der Anga­ben über­nimmt FOCUS Online daher kei­ne Haf­tung.,

und das glau­be ich auch gern. Natür­lich erhal­ten die ihre Daten von einem Dienst­leis­ter, die wer­den nicht alles selbst recher­chie­ren.

Aber auch mei­ne Daten lan­den bei einem Dienst­leis­ter, und das ist gar nicht so ein­fach zu erken­nen. Gebe ich im Ver­gleich mei­ne gewünsch­ten Daten zum Ver­si­che­rungs­um­fang nebst mei­ner Email ein, dann muss ich auch mei­ne Zustim­mung zu den AGB und dem Daten­schutz­hin­weis erklä­ren. Set­ze ich mein Häk­chen hier­zu nicht erfah­re ich:

Um eine Ver­si­che­rungs­ver­gleich rech­nen zu kön­nen, müs­sen Sie unse­ren AGB und Daten­schutz­hin­wei­sen zustim­men.

Auf wen hät­te Sie das „unse­re AGB und Daten­schutz­hin­wei­se“ bezo­gen, dass da ziem­lich nah am Focus-Money Online-Logo steht? Und was genau wür­den Sie unter „Daten­schutz­hin­wei­se“ ver­mu­ten?

Wenn man sich – was erfah­rungs­ge­mäß die Mehr­heit der User nicht tut – die Mühe macht, die „Hin­wei­se“ zu lesen, zeigt sich:

So sicher sind Trans­ak­tio­nen auf den ino24-Ser­vern: (Her­vor­he­bung: d.A.)

Wie, nicht der Focus-Online? Son­dern ein Ver­mitt­ler? Und:

Der Nut­zer unse­rer Dienst­leis­tun­gen erklärt sich aus­drück­lich damit ein­ver­stan­den, dass sei­ne Daten gespei­chert wer­den und dass sei­ne Anfra­ge an Part­ner (Finanz­dienst­leis­ter, Ban­ken, Ver­si­che­rungs­ge­sell­schaf­ten, Ver­mitt­ler, ver­bun­de­ne Unter­neh­men etc. ) wei­ter­ge­lei­tet wer­den kön­nen und dass die­se ihm per Post, E‑Mail oder Tele­fon kon­kre­te Ange­bo­te und auch zukünf­tig wei­te­re werb­li­che Infor­ma­tio­nen zur Ver­fü­gung stel­len kön­nen. Dar­über hin­aus erklärt sich der Nut­zer damit ein­ver­stan­den, dass ihm die ino24 AG per eMail, per Post oder per Tele­fon über neue Ser­vices, Aktio­nen, Ange­bo­te und wei­te­re inter­es­san­te The­men infor­mie­ren kann. (Her­vor­he­bung: d.A.)

Ich erklä­re mich also (unter dem Stich­wort „Hin­weis“!) damit ein­ver­stan­den, dass ich von einem Dienst­leis­ter, von dem ich zum ers­ten Mal erfah­ren, in dem ich (ner­vi­ge) Java­script-Links ankli­cke, per Post und am Tele­fon alle mög­li­chen Ange­bo­te bekom­me; und genau­so genom­men nicht nur von denen, son­dern von jedem Part­ner, an den man mei­ne Daten wei­ter gibt.

Klas­se gemacht! Da habe ich dem­nächst wohl etwas zu lesen und kann mich nett unter­hal­ten.

Nun, rein for­mal sind die Anfor­de­run­gen des Bun­des­da­ten­schutz­ge­set­zes und des Tel­e­diens­teda­ten­schutz­ge­set­zes wohl gewahrt. Ich habe durch eine „ein­deu­ti­ge und bewuss­te Hand­lung“ elek­tro­nisch mei­ne Ein­wil­li­gung die Spei­che­rung und Wei­ter­ga­be mei­ner Daten erteilt. Ich bin dar­über belehrt wor­den. Das Gan­ze wird (das ist auch eine Anfor­de­rung des TDDSG) wohl auch pro­to­kol­liert. Ver­mut­lich kann ich sogar den Inhalt mei­ner Ein­wil­li­gung irgend­wo abru­fen, ich kann sie auch wider­ru­fen.

An eini­gen Punk­ten mag man sich strei­ten (etwa: wenn ich mein Häk­chen neben den Begriff „Daten­schutz­hin­weis“ set­ze, muss ich dann über­haupt davon aus­ge­hen, eine „Ein­wil­li­gung“ zu erklä­ren?), aber es mag am Ende hal­ten.

Und den­noch ist das alles natür­lich faul.

Sinn des Daten­schut­zes und der Daten­schutz­ge­set­ze ist ja nicht, die Daten­ver­ar­bei­tung unmög­lich zu machen. Sinn der gan­zen Hin­weis- und Ein­wil­li­gungs­pflich­ten ist es aber durch­aus, dem Nut­zer trans­pa­rent zu machen, was da mit sei­nen Daten geschieht. Und die­ser Meta-Anfor­de­rung wird die Gestal­tung auf Focus.de natür­lich nicht gerecht. Ich muss schon ein ziem­lich auf­merk­sa­mer Nut­zer sein, um über­haupt auch nur zu erfah­ren, wer da mei­ne Daten erhält. Ein­fach gemacht wird mir das nicht.

Bei einer so hoch inte­grier­ten Ver­knüp­fung des eige­nen Sei­te­lay­outs mit letzt­lich frem­den Inhal­ten dürf­te der durch­schnitt­li­che Nut­zer mit der genau­en Erfas­sung der Situa­ti­on über­for­dert sein. Das kur­ze Sur­fen in der Mit­tags­pau­se nach einer güns­ti­gen Ver­si­che­rung wird so im Nach­gang womög­lich zum Spieß­ru­ten­lau­fen an Tele­fon und Post­kas­ten.

Legal mag das ja noch sein. Spaß macht es aber nicht.

PS: Vie­len Dank an das Ver­si­che­rungs­blog für den Tip

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