Inkongruente Gewinnausschüttungen: Mehr steuerliche Gestaltungsmöglichkeiten für Gesellschafter

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Steuerrecht | 22. November 2024
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Die Finanzver­wal­tung lenkt ein: Sollen Gewinne nicht im Ver­hält­nis der Beteili­gungsquoten von Gesellschaftern aus­geschüt­tet wer­den, reicht ein wirk­samer Gesellschafterbeschluss auch für die steuer­liche Anerken­nung. Das eröffnet neue Möglichkeit­en, die Liq­uid­ität der Gesellschaft zu scho­nen und weniger Kap­i­taler­trag­s­teuer zu zahlen.

 

Es gibt viele Gründe, warum Gesellschafter Gewinne nicht im Ver­hält­nis zu ihrer Beteili­gungsquote vere­in­nah­men möcht­en. Ins­beson­dere bei der gesellschaft­srechtlichen Gestal­tung und Beratung von Fam­i­lienun­ternehmen und Fam­i­lien­mit­gliedern gehören inkon­gru­ente (dis­quo­tale) Gesellschafter­rechte zum Stan­dard­reper­toire. Eine inkon­gru­ente Gewin­nauss­chüt­tung liegt vor, wenn die Gewinne ein­er Gesellschaft nicht im Ver­hält­nis zu den Beteili­gungsquoten der Gesellschafter verteilt wer­den. Die Gesellschafter erhal­ten dann unter­schiedliche Beträge oder Anteile am Gewinn, obwohl ihre Kap­i­ta­lanteile gle­ich groß sind oder abwe­ichen.

Von ein­er ges­pal­te­nen Gewin­nauss­chüt­tung spricht man, wenn ein Gesellschafter eine konkrete Auss­chüt­tung erhal­ten möchte, während andere Gesellschafter ihren Gewin­nan­teil im Unternehmen belassen möcht­en. Steuer­lich waren diese For­men der Gewin­nauss­chüt­tung in der Ver­gan­gen­heit oft prob­lema­tisch, da sie unter bes­timmten Bedin­gun­gen nicht anerkan­nt wur­den.

Jet­zt aber bewegt sich die Finanzver­wal­tung. Anfang Sep­tem­ber wur­den mit einem BMF-Schreiben mehrere BFH-Entschei­dun­gen akzep­tiert, die zu mehr Flex­i­bil­ität bei Gewin­nauss­chüt­tun­gen führen. Diese Flex­i­bil­ität darf auch zu steuer­lichen Opti­mierungszweck­en genutzt wer­den.

 

Bish­er: Finanzbe­hör­den ver­langten Grund­lage in der Satzung

Der Bun­des­fi­nanzhof (BFH) hat schon bish­er inkon­gru­ente Gewin­nverteilun­gen in ständi­ger Recht­sprechung grund­sät­zlich anerkan­nt, wenn sie auf ein­er satzungsmäßi­gen Grund­lage beruhen — entwed­er per Satzungsklausel mit Bes­tim­mung eines anderen Verteilungss­chlüs­sels als das Ver­hält­nis der Gesellschaft­san­teile oder durch eine Öff­nungsklausel, so dass alljährlich eine abwe­ichende Gewin­nverteilung beschlossen wer­den kann (BFH vom 19.08.1999, BSt­Bl II 2011,43).

Die Finanzver­wal­tung erkan­nte mit BMF-Schreiben vom 17.12.2013 (BSt­Bl I 2014, 63) inkon­gru­ente Gewin­nverteilungsabre­den an, wenn sie auf ein­er zivil­rechtlich wirk­samen Grund­lage beruhen. Es bedürfe aber, so die Steuer­be­hör­den, ein­er aus­drück­lichen Satzungs­bes­tim­mung, die den quoten­ab­we­ichen­den Verteilungs­maßstab fes­tlegt. Bei ein­er GmbH sei auch eine Öff­nungsklausel zuläs­sig, nach der jährlich mit Zus­tim­mung der beein­trächtigten Gesellschafter oder ein­stim­mig über eine abwe­ichende Gewin­nverteilung zu entschei­den ist.

Nach Ansicht der Finanzver­wal­tung bedurfte es zudem ein­er Miss­brauch­sprü­fung. Von einem Miss­brauch i.S.v. § 42 AO sei nur dann nicht auszuge­hen, wenn für die vom geset­zlichen Verteilungss­chlüs­sel abwe­ichende Gewin­nverteilung “beachtliche, wirtschaftlich vernün­ftige, außer­s­teuer­liche Gründe” nachgewiesen wer­den. Ein Indiz für eine unangemessene Gestal­tung sollte dem­nach schon liegen, wenn die Gewin­nverteilungsabrede nur kurzeit­ig gilt oder wieder­holt geän­dert wird.

 

BFH 2022: Wirk­samer Gesellschafterbeschluss auch steuer­lich anzuerken­nen

Mit Urteil vom 28.09.2022 (BFH VIII R 25/19) hat der BFH entsch­ieden, dass ein zivil­rechtlich wirk­samer (satzungs­gemäßer) Gesellschafterbeschluss, nach dem die Gewin­nan­teile von Min­der­heits­ge­sellschaftern aus­geschüt­tet wer­den, der auf den Mehrheits­ge­sellschafter gemäß sein­er Beteili­gung ent­fal­l­ende Anteil am Gewinn hinge­gen nicht aus­geschüt­tet, son­dern in eine “per­so­n­en­be­zo­gene Gewin­nrück­lage” eingestellt wird, grund­sät­zlich auch steuer­lich anzuerken­nen ist. Diese ges­pal­tene Gewin­nver­wen­dung ist somit zwar in wirtschaftlich­er Hin­sicht keine dis­quo­tale Gewin­nauss­chüt­tung, wohl aber in zeitlich­er.

Diese Möglichkeit, per­so­n­en­be­zo­gene Rück­la­genkon­ten zu bilden, bietet in der Prax­is zahlre­iche Chan­cen,  den Gewin­nan­teil eines Gesellschafters liq­uid­itätss­cho­nend in der GmbH zu belassen und erst mit geson­dertem Beschluss über eine Gewin­nver­wen­dung in späteren Jahren an den zurück­ge­trete­nen Gesellschafter auszuschüt­ten. Ins­beson­dere muss für den the­sauri­erten Gewin­nan­teil keine Kap­i­taler­trag­s­teuer ein­be­hal­ten und abge­führt wer­den.

In dem vom BFH entsch­iede­nen Fall sahen die Satzungs­bes­tim­mungen zur Gewin­nverteilung vor, dass der auszuschüt­tende Gewinn grund­sät­zlich nach dem Ver­hält­nis der Geschäft­san­teile auf die Gesellschafter zu verteilen war. Allerd­ings kon­nte die Gesellschafter­ver­samm­lung mit ein­fach­er Mehrheit eine abwe­ichende Gewin­nauss­chüt­tung beschließen. Der BFH bestätigte aus­drück­lich auch für ges­pal­tene Gewin­nver­wen­dungs­beschlüsse seine Auf­fas­sung, dass inkon­gru­ente Gewin­nverteilun­gen anzuerken­nen sind, wenn sie auf einem zivil­rechtlich wirk­sam zus­tande gekomme­nen Auss­chüt­tungs­beschluss beruhen. Deutsch­lands höch­ste Finanzrichter stell­ten sich damit gegen die bis dahin von der Finanzver­wal­tung vertretene Ansicht, die eine steuer­liche Anerken­nung daran knüpfte, dass der Gesellschaftsver­trag einen konkreten Verteilungs­maßstab vorse­hen oder zumin­d­est eine Öff­nungsklausel enthal­ten müsste, so dass die Gesellschafter jährlich eine abwe­ichende Gewin­nauss­chüt­tung ein­stim­mig beschließen kön­nten.

Mit  einem weit­eren Urteil vom 28.09.2022 (BFH VIII R 20/20, DStR 2022, 2606) hat der BFH aus­drück­lich ent­ge­gen der Ansicht der Finanzver­wal­tung einen punk­tuell satzungs­durch­brechen­den Beschluss über eine inkon­gru­ente Vor­abauss­chüt­tung, der von der Gesellschafter­ver­samm­lung ein­stim­mig gefasst wor­den ist und von keinem Gesellschafter ange­focht­en wer­den kon­nte, als zivil­rechtlich wirk­samen Auss­chüt­tungs­beschluss steuer­lich anerkan­nt. Eine all­ge­meine steuer­liche Angemessen­heit­skon­trolle zivil­rechtlich wirk­sam beschlossen­er inkon­gru­enter Gewin­nauss­chüt­tun­gen lehnt der BFH aus­drück­lich ab.

Nach diesen neueren Recht­sen­twick­lun­gen ist für die steuer­liche Anerken­nung allein die zivil­rechtliche Wirk­samkeit des Gesellschafterbeschlusses entschei­dend. Insofern sind Gewin­nauss­chüt­tungs­beschlüsse, die nicht auf­grund ein­er Anfech­tung für nichtig erk­lärt und auch von keinem Gesellschafter ange­focht­en wer­den kön­nen, grund­sät­zlich auch ohne aus­drück­liche satzungs­gemäße Grund­lage oder satzungs­gemäße Öff­nungsklausel steuer­lich anzuerken­nende Gewin­nverteilungs­beschlüsse.

 

Finanzver­wal­tung zieht nach: Inkon­gru­ente Gewin­nauss­chüt­tung in der GmbH

Auf der Grund­lage dieser BFH- Urteile hat das BMF im Sep­tem­ber 2024 sein früheres Rund­schreiben zur steuer­lichen Anerken­nung inkon­gru­enter Gewin­nauss­chüt­tun­gen über­ar­beit­et und aktu­al­isiert. Dem­nach sind inkon­gru­ente Gewin­nauss­chüt­tun­gen entsprechend der Recht­sprechung des BFH steuer­rechtlich grund­sät­zlich anzuerken­nen, wenn sie zivil­rechtlich wirk­sam sind. Das ist bei ein­er GmbH vor allem der Fall, wenn

  1. abwe­ichende Regelun­gen zur Gewin­nverteilung bere­its im Gesellschaftsver­trag geregelt sind oder durch Satzungsän­derung mit Zus­tim­mung aller nachteilig betrof­fe­nen Gesellschafter aufgenom­men wer­den, oder
  2. eine Öff­nungsklausel im Gesellschaftsver­trag beste­ht und der Gewin­nver­wen­dungs­beschluss mit den erforder­lichen Zus­tim­mungen der Gesellschafter und ggf. mit der im Gesellschaftsver­trag vorge­se­henen Mehrheit gefasst wird, oder
  3. ein punk­tuell satzungs­durch­brechen­der Beschluss gefasst wird, der von keinem Gesellschafter mehr ange­focht­en wer­den kann, oder
  4. eine ges­pal­tene Gewin­nver­wen­dung zivil­rechtlich wirk­sam beschlossen wird.

Ist eine dieser vier Fal­lkon­stel­la­tio­nen ein­schlägig, ist grund­sät­zlich nicht mehr von Gestal­tungsmiss­brauch nach § 42 AO auszuge­hen.

 

Die neue Flex­i­bil­ität klug nutzen

Diese neue Flex­i­bil­ität kön­nen Unternehmer nutzen. Zu beacht­en ist, dass das BMF-Schreiben nur von Vor­abauss­chüt­tun­gen spricht. Da das Bezug­surteil des BFH vom 28.9.2022 (VIII R 20/20) einen Fall von Vor­abauss­chüt­tun­gen betraf, ist das kon­se­quent. Es ist aber kein Grund erkennbar, warum die Grund­sätze nur für Vor­ab- und nicht auch für andere Gewin­nauss­chüt­tun­gen gel­ten soll­ten.

Allerd­ings soll­ten Beteiligte auch zukün­ftig schenkung­s­teuer­liche Risiken bedenken und durch geeignete Maß­nah­men (wie die Bil­dung von gesellschafts­be­zo­ge­nen Kap­i­tal­rück­lagekon­ten) ver­mei­den. In dem vom BFH entsch­iede­nen Fall waren alle Anteile let­ztlich einem Steuerpflichti­gen (unmit­tel­bar und mit­tel­bar) zuge­ord­net, so dass der BFH sich zu ein­er möglichen Schenkung­s­teuer nicht äußern musste. Auch das neue BMF-Schreiben enthält dazu keine Hin­weise.

Die Finanzver­wal­tung nimmt etwa eine freige­bige Zuwen­dung an, wenn ein Gesellschafter zugun­sten eines anderen Gesellschafters auf einen ent­stande­nen Gewin­nanspruch verzichtet. Im Umkehrschluss sollte dies bedeuten, dass ein dis­quo­taler Gewin­nver­wen­dungs­beschluss, der den Gewin­nanspruch erst entste­hen lässt, keine freige­bige Zuwen­dung ist. Das sollte vor allem dann gel­ten, wenn der Beschluss unter kaufmän­nis­ch­er Abwä­gung von Leis­tung und Gegen­leis­tung zus­tande kommt.

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