Die Finanzverwaltung lenkt ein: Sollen Gewinne nicht im Verhältnis der Beteiligungsquoten von Gesellschaftern ausgeschüttet werden, reicht ein wirksamer Gesellschafterbeschluss auch für die steuerliche Anerkennung. Das eröffnet neue Möglichkeiten, die Liquidität der Gesellschaft zu schonen und weniger Kapitalertragsteuer zu zahlen.
Es gibt viele Gründe, warum Gesellschafter Gewinne nicht im Verhältnis zu ihrer Beteiligungsquote vereinnahmen möchten. Insbesondere bei der gesellschaftsrechtlichen Gestaltung und Beratung von Familienunternehmen und Familienmitgliedern gehören inkongruente (disquotale) Gesellschafterrechte zum Standardrepertoire. Eine inkongruente Gewinnausschüttung liegt vor, wenn die Gewinne einer Gesellschaft nicht im Verhältnis zu den Beteiligungsquoten der Gesellschafter verteilt werden. Die Gesellschafter erhalten dann unterschiedliche Beträge oder Anteile am Gewinn, obwohl ihre Kapitalanteile gleich groß sind oder abweichen.
Von einer gespaltenen Gewinnausschüttung spricht man, wenn ein Gesellschafter eine konkrete Ausschüttung erhalten möchte, während andere Gesellschafter ihren Gewinnanteil im Unternehmen belassen möchten. Steuerlich waren diese Formen der Gewinnausschüttung in der Vergangenheit oft problematisch, da sie unter bestimmten Bedingungen nicht anerkannt wurden.
Jetzt aber bewegt sich die Finanzverwaltung. Anfang September wurden mit einem BMF-Schreiben mehrere BFH-Entscheidungen akzeptiert, die zu mehr Flexibilität bei Gewinnausschüttungen führen. Diese Flexibilität darf auch zu steuerlichen Optimierungszwecken genutzt werden.
Bisher: Finanzbehörden verlangten Grundlage in der Satzung
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat schon bisher inkongruente Gewinnverteilungen in ständiger Rechtsprechung grundsätzlich anerkannt, wenn sie auf einer satzungsmäßigen Grundlage beruhen — entweder per Satzungsklausel mit Bestimmung eines anderen Verteilungsschlüssels als das Verhältnis der Gesellschaftsanteile oder durch eine Öffnungsklausel, so dass alljährlich eine abweichende Gewinnverteilung beschlossen werden kann (BFH vom 19.08.1999, BStBl II 2011,43).
Die Finanzverwaltung erkannte mit BMF-Schreiben vom 17.12.2013 (BStBl I 2014, 63) inkongruente Gewinnverteilungsabreden an, wenn sie auf einer zivilrechtlich wirksamen Grundlage beruhen. Es bedürfe aber, so die Steuerbehörden, einer ausdrücklichen Satzungsbestimmung, die den quotenabweichenden Verteilungsmaßstab festlegt. Bei einer GmbH sei auch eine Öffnungsklausel zulässig, nach der jährlich mit Zustimmung der beeinträchtigten Gesellschafter oder einstimmig über eine abweichende Gewinnverteilung zu entscheiden ist.
Nach Ansicht der Finanzverwaltung bedurfte es zudem einer Missbrauchsprüfung. Von einem Missbrauch i.S.v. § 42 AO sei nur dann nicht auszugehen, wenn für die vom gesetzlichen Verteilungsschlüssel abweichende Gewinnverteilung “beachtliche, wirtschaftlich vernünftige, außersteuerliche Gründe” nachgewiesen werden. Ein Indiz für eine unangemessene Gestaltung sollte demnach schon liegen, wenn die Gewinnverteilungsabrede nur kurzeitig gilt oder wiederholt geändert wird.
BFH 2022: Wirksamer Gesellschafterbeschluss auch steuerlich anzuerkennen
Mit Urteil vom 28.09.2022 (BFH VIII R 25/19) hat der BFH entschieden, dass ein zivilrechtlich wirksamer (satzungsgemäßer) Gesellschafterbeschluss, nach dem die Gewinnanteile von Minderheitsgesellschaftern ausgeschüttet werden, der auf den Mehrheitsgesellschafter gemäß seiner Beteiligung entfallende Anteil am Gewinn hingegen nicht ausgeschüttet, sondern in eine “personenbezogene Gewinnrücklage” eingestellt wird, grundsätzlich auch steuerlich anzuerkennen ist. Diese gespaltene Gewinnverwendung ist somit zwar in wirtschaftlicher Hinsicht keine disquotale Gewinnausschüttung, wohl aber in zeitlicher.
Diese Möglichkeit, personenbezogene Rücklagenkonten zu bilden, bietet in der Praxis zahlreiche Chancen, den Gewinnanteil eines Gesellschafters liquiditätsschonend in der GmbH zu belassen und erst mit gesondertem Beschluss über eine Gewinnverwendung in späteren Jahren an den zurückgetretenen Gesellschafter auszuschütten. Insbesondere muss für den thesaurierten Gewinnanteil keine Kapitalertragsteuer einbehalten und abgeführt werden.
In dem vom BFH entschiedenen Fall sahen die Satzungsbestimmungen zur Gewinnverteilung vor, dass der auszuschüttende Gewinn grundsätzlich nach dem Verhältnis der Geschäftsanteile auf die Gesellschafter zu verteilen war. Allerdings konnte die Gesellschafterversammlung mit einfacher Mehrheit eine abweichende Gewinnausschüttung beschließen. Der BFH bestätigte ausdrücklich auch für gespaltene Gewinnverwendungsbeschlüsse seine Auffassung, dass inkongruente Gewinnverteilungen anzuerkennen sind, wenn sie auf einem zivilrechtlich wirksam zustande gekommenen Ausschüttungsbeschluss beruhen. Deutschlands höchste Finanzrichter stellten sich damit gegen die bis dahin von der Finanzverwaltung vertretene Ansicht, die eine steuerliche Anerkennung daran knüpfte, dass der Gesellschaftsvertrag einen konkreten Verteilungsmaßstab vorsehen oder zumindest eine Öffnungsklausel enthalten müsste, so dass die Gesellschafter jährlich eine abweichende Gewinnausschüttung einstimmig beschließen könnten.
Mit einem weiteren Urteil vom 28.09.2022 (BFH VIII R 20/20, DStR 2022, 2606) hat der BFH ausdrücklich entgegen der Ansicht der Finanzverwaltung einen punktuell satzungsdurchbrechenden Beschluss über eine inkongruente Vorabausschüttung, der von der Gesellschafterversammlung einstimmig gefasst worden ist und von keinem Gesellschafter angefochten werden konnte, als zivilrechtlich wirksamen Ausschüttungsbeschluss steuerlich anerkannt. Eine allgemeine steuerliche Angemessenheitskontrolle zivilrechtlich wirksam beschlossener inkongruenter Gewinnausschüttungen lehnt der BFH ausdrücklich ab.
Nach diesen neueren Rechtsentwicklungen ist für die steuerliche Anerkennung allein die zivilrechtliche Wirksamkeit des Gesellschafterbeschlusses entscheidend. Insofern sind Gewinnausschüttungsbeschlüsse, die nicht aufgrund einer Anfechtung für nichtig erklärt und auch von keinem Gesellschafter angefochten werden können, grundsätzlich auch ohne ausdrückliche satzungsgemäße Grundlage oder satzungsgemäße Öffnungsklausel steuerlich anzuerkennende Gewinnverteilungsbeschlüsse.
Finanzverwaltung zieht nach: Inkongruente Gewinnausschüttung in der GmbH
Auf der Grundlage dieser BFH- Urteile hat das BMF im September 2024 sein früheres Rundschreiben zur steuerlichen Anerkennung inkongruenter Gewinnausschüttungen überarbeitet und aktualisiert. Demnach sind inkongruente Gewinnausschüttungen entsprechend der Rechtsprechung des BFH steuerrechtlich grundsätzlich anzuerkennen, wenn sie zivilrechtlich wirksam sind. Das ist bei einer GmbH vor allem der Fall, wenn
Ist eine dieser vier Fallkonstellationen einschlägig, ist grundsätzlich nicht mehr von Gestaltungsmissbrauch nach § 42 AO auszugehen.
Die neue Flexibilität klug nutzen
Diese neue Flexibilität können Unternehmer nutzen. Zu beachten ist, dass das BMF-Schreiben nur von Vorabausschüttungen spricht. Da das Bezugsurteil des BFH vom 28.9.2022 (VIII R 20/20) einen Fall von Vorabausschüttungen betraf, ist das konsequent. Es ist aber kein Grund erkennbar, warum die Grundsätze nur für Vorab- und nicht auch für andere Gewinnausschüttungen gelten sollten.
Allerdings sollten Beteiligte auch zukünftig schenkungsteuerliche Risiken bedenken und durch geeignete Maßnahmen (wie die Bildung von gesellschaftsbezogenen Kapitalrücklagekonten) vermeiden. In dem vom BFH entschiedenen Fall waren alle Anteile letztlich einem Steuerpflichtigen (unmittelbar und mittelbar) zugeordnet, so dass der BFH sich zu einer möglichen Schenkungsteuer nicht äußern musste. Auch das neue BMF-Schreiben enthält dazu keine Hinweise.
Die Finanzverwaltung nimmt etwa eine freigebige Zuwendung an, wenn ein Gesellschafter zugunsten eines anderen Gesellschafters auf einen entstandenen Gewinnanspruch verzichtet. Im Umkehrschluss sollte dies bedeuten, dass ein disquotaler Gewinnverwendungsbeschluss, der den Gewinnanspruch erst entstehen lässt, keine freigebige Zuwendung ist. Das sollte vor allem dann gelten, wenn der Beschluss unter kaufmännischer Abwägung von Leistung und Gegenleistung zustande kommt.
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