Keine Schnäppchen auf Amazon

Vertragsrecht | 12. Januar 2007
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Wenn Sie schon immer ein Note­book im Wert von knapp 2.000 Euro für 18,49 Euro kau­fen woll­ten, dann war ges­tern kurz nach Mit­ter­nacht Amazon.de Ihre Fund­gru­be, wie der Stern berich­tet. Da gab es sol­che Super­schnäpp­chen. Bei dem Preis konn­te man sich auch gleich zwei oder drei Com­pu­ter gön­nen. Viel­leicht ein Gerät fürs Büro, eins fürs Bad und eins für den Bal­kon. Kost’ ja nix. In der Tat bestell­ten auch vie­le poten­ti­el­le Käu­fer flei­ßig.

Nur wird nie­mand in den Genuss der Gerä­te gelan­gen. Denn Ama­zon ver­sand­te an alle Betrof­fe­nen eine Email, in der klar­ge­stellt wur­de, dass es sich um einen bedau­er­li­chen Irr­tum in der Preis­aus­zeich­nung han­de­le, man die Bestel­lung „gestri­chen“ habe und höchst vor­sorg­lich den Kauf­ver­trag wegen eines Irr­tums bei der Preis­aus­zeich­nung anfech­te.

Geht das so ein­fach? Wohl ja.

Ein Ver­trag kommt bekann­ter­ma­ßen durch zwei auf­ein­an­der bezo­ge­ne Wil­lens­er­klä­run­gen zustan­den, ein Ange­bot und eine Annah­me. Das Ange­bot ist dabei aber noch nicht, wie man viel­leicht mei­nen könn­te, schon die Dar­stel­lung eines Gerä­tes auf der Sei­te von Ama­zon. Denn wenn es der Käu­fer in der Hand hät­te, nur durch sei­ne Bestel­lung bereits einen vali­den Ver­trag zustan­de zu brin­gen, dann könn­ten viel­leicht bei einem begehr­ten Gerät mehr Kauf­ver­trä­ge abge­schlos­sen wer­den, als über­haupt erfüllt wer­den kön­nen. Der Ver­käu­fer — Ama­zon — will sich inso­weit also sicher noch nicht bin­den. Die Ama­zon-Inter­net­sei­te ist inso­weit nichts ande­res als die Ent­spre­chung zum Schau­fens­ter des „nor­ma­len“ Ein­zel­händ­lers. Und da gel­ten ähn­li­che Grund­sät­ze: Beim „Ange­bot“ im Schau­fens­ter oder eben auf der Inter­net­sei­te han­delt es sich nur um eine Auf­for­de­rung zum Ange­bot („invi­ta­tio ad offe­ren­dum“) an den Kun­den.

Das Ange­bot ist also erst die Bestel­lung des Kun­den. Erst wenn Ama­zon die­ses Ange­bot annimmt, kommt ein Kauf­ver­trag zustan­de. So steht es übri­gens zu Recht auch in den — neu­er­dings im Ver­gleich zu frü­her gar nicht mehr so schlech­ten — AGB des Unter­neh­mens:

Ihre Bestel­lung stellt ein Ange­bot an uns zum Abschluss eines Kauf­ver­tra­ges dar. Wenn Sie eine Bestel­lung bei Amazon.de auf­ge­ben, schi­cken wir Ihnen eine E‑Mail, die den Ein­gang Ihrer Bestel­lung bei uns bestä­tigt und deren Ein­zel­hei­ten auf­führt (Bestell­be­stä­ti­gung). Die­se Bestell­be­stä­ti­gung stellt kei­ne Annah­me Ihres Ange­bo­tes dar, son­dern soll Sie nur dar­über infor­mie­ren, dass Ihre Bestel­lung bei uns ein­ge­gan­gen ist. Ein Kauf­ver­trag kommt erst dann zustan­de, wenn wir das bestell­te Pro­dukt an Sie ver­sen­den und den Ver­sand an Sie mit einer zwei­ten E‑Mail (Ver­sand­be­stä­ti­gung) bestä­ti­gen.

Die Annah­me des Ange­bots der Kun­den zum Kauf von Note­books zum Preis von knapp 20 Euro hat Ama­zon aber gera­de nicht erklärt, im Gegen­teil des Ver­trags­schluss expli­zit abge­lehnt — denn nichts ande­res woll­te man mit der „Strei­chung“ des Bestel­lung zum Aus­druck brin­gen.

Hilfs­wei­se hielt man es für nötig auch noch anzu­fech­ten. Natür­lich kann ein Ver­trag, der nicht zustan­de gekom­men ist, auch schlecht ange­foch­ten wer­den, aber dop­pelt hält offen­bar bes­ser. Die Anfech­tung selbst stützt sich auf § 119 I BGB:

§ 119 BGB — Anfecht­bar­keit wegen Irr­tums

(1) Wer bei der Abga­be einer Wil­lens­er­klä­rung über deren Inhalt im Irr­tum war oder eine Erklä­rung die­ses Inhalts über­haupt nicht abge­ben woll­te, kann die Erklä­rung anfech­ten, wenn anzu­neh­men ist, dass er sie bei Kennt­nis der Sach­la­ge und bei ver­stän­di­ger Wür­di­gung des Fal­les nicht abge­ge­ben haben wür­de.

Dass ein sol­cher Fall auch bei einer fal­schen Preis­aus­zeich­nung im Inter­net­shop vor­lie­gen kann hat der BGH bereits — in der Sache wenig über­ra­schend — mit Urteil (PDF) vom 26.1.2005, AZ VIII ZR 79/04 ent­schie­den. Im dort ent­schie­de­nen Fall war aller­dings in der Tat ein Kauf­ver­trag zwi­schen den Par­tei­en zustan­de gekom­men, die Ware war sogar aus­ge­lie­fert wor­den.

In jedem Fall bleibt die — für den Käu­fer trau­ri­ge, für den Ver­käu­fer ermu­ti­gen­de — Tat­sa­che, dass aus tech­ni­schen und mensch­li­chen Schwä­chen von Inter­net­shops lei­der kein Schnäpp­chen­markt resul­tiert.

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