Killerspiele, schwarze Mäntel, Sonnenbrillen, Verbot

Medienrecht | 22. November 2006
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Nach der Tragödie von Ems­det­ten ist, wie auch schon nach dem Vor­fall in Erfurt, ein alter Bekan­nter zurück: die Diskus­sion um das Ver­bot von so genan­nten „Killer­spie­len“. Gemeint sind damit natür­lich Ego-Shoot­er, bei denen der Spiel­er aus der Per­spek­tive des Pro­tag­o­nis­ten des Spiels mit Waf­fen gegen Geg­n­er kämpft.

In der Tat ist auf­fäl­lig, dass die Amok­läufer ger­ade in Schulen — in Deutsch­land, aber auch den USA — offen­bar alle­samt ihre Freizeit großen­teils mit solchen Spie­len ver­bracht­en. Ganz all­ge­mein werde, so viele Poli­tik­er, durch die Spiele ein men­schen­ver­ach­t­en­des Welt­bild ver­mit­telt und der Wertev­er­falle gefördert. Tat­sache ist aber auch, dass eine über­wälti­gende Vielzahl von Men­schen diese Spiele in ihrer Freizeit kon­sum­ieren, ohne dadurch zwangsläu­fig zum Amok­läufer zu wer­den. Zu eini­gen der betr­e­f­fend­en Spiele, etwa zu „Counter Strike“, wer­den ja sog­ar organ­isierte Turniere aus­ge­tra­gen, große Par­ties, soziale Hap­pen­ings, bei denen Men­schen andere Men­schen tre­f­fen. Und dann virtuell töten, später aber zusam­men das eine oder andere Bier zis­chen. Also doch nur ein harm­los­er Freizeit­sport?

Die Mei­n­un­gen gehen hier naturgemäß weit auseinan­der. Ins­beson­dere CDU/C­SU-Poli­tik­er tun sich in den let­zten Tagen mit der Anmerkung her­vor, man müsse nun Nägel mit Köpfen machen und den Ankündi­gun­gen des Berlin­er Koali­tionsver­trages — der ja diesen Punkt bere­its vor­sieht — Tat­en fol­gen lassen. Andere weisen darauf hin, dass es keine hand­festen Belege (allerd­ings dur­chaus Hin­weise) dafür gibt, dass „Killer­spiele“ wirk­lich Amok­läufe verur­sachen oder fördern. Die Frage hier ist ja immer: wird die Dis­po­si­tion zu Amok­läufen durch Killer­spiele her­vorgerufen oder mag umgekehrt jemand, der bere­its eine solche Dis­po­si­tion hat, auch diese Art von Spie­len? Also: was ist Ursache, was Wirkung?

Ange­merkt wird auch, dass zum einen ein Ver­bot solch­er Spiele im Zeital­ter des Inter­nets und auch der Soft­ware­ver­bre­itung über elek­tro­n­is­che Net­ze wohl recht wirkungs­los bliebe, zum anderen Deutsch­land bere­its jet­zt eines der streng­sten Jun­gend­schutzge­set­ze hat. Nicht umson­st wer­den bere­its heute Ego-Shoot­er von Her­stellern und Dis­trib­u­toren entschärft: auf deutschen Bild­schir­men wer­den aus Men­schen Mon­ster und aus rotem Blut wird grün­er Schleim.

Zulet­zt wirft ein eventuelles Ver­bot natür­lich auch eine Rei­he von rechtlichen Fra­gen auf. Ist es über­haupt geeignet, den angestrebten Zweck — Ver­hin­derung von Gewalt­tat­en, all­ge­meine Förderung von Sitte und Moral — zu erre­ichen? Und falls ja, ist es im Lichte der wirtschaftlichen Grun­drechte der Her­steller und Dis­trib­u­toren, Art. 12 GG, auch ver­hält­nis­mäßig? Wer­den da nicht auch Fra­gen der Gle­ich­be­hand­lung tang­iert, also: müssten, wenn man „Killer­spiele“ ver­bi­eten will, nicht auch gewalt­tätige Filme generell ver­boten wer­den? Ist denn „Doom“ schlechter als „Trip­ple X“? Zulet­zt: kann man den Begriff der „Killer­spiele“ denn abseits der pop­ulis­tis­chen Benen­nung über­haupt scharf genug fassen?

Per­sön­lich glaube ich, dass die rechtlichen Prob­leme wohl in den Griff zu bekom­men sein wer­den. Der vor­liegende Fall dürfte ein schönes Beispiel für die sog. Ein­schätzung­sprärog­a­tive des Geset­zge­bers zu sein. Heißt: die Gefährlichkeit von Killer­spie­len, die Kausal­itäten zwis­chen Ursache und Wirkung, müssen nicht streng wis­senschaftlich bewiesen sein. In gewis­sem Umfang darf der Geset­zge­ber selb­st entschei­den, was er führ gefährlich hält und was nicht. Diese „Tat­sach­enentschei­dung“ ist nur sehr eingeschränkt von der Recht­sprechung über­prüf­bar.

Hin­sichtlich der Frage, ob das Ver­bot dann auch wün­schenswert ist, bin ich unentsch­ieden.

Es erscheint mir ein­er­seits schlicht zu kurz gegrif­f­en, ger­ade und nur diese Spiele zu ver­bi­eten. Warum dann nicht Waf­fen — auch zur Jagd und zum Sport — generell ver­bi­eten? Oder schwarze Män­tel? Son­nen­brillen? Außer­dem behagt mir nicht, dass der Staat hier wieder in der typ­is­chen Rolle des Leviathan, des Wächters über das Denken und Han­deln sein­er Unter­ta­nen, tätig wird. Die Freizeit­gestal­tung des Einzel­nen sollte der Auf­sicht ent­zo­gen sein, solange eben nicht in Rechte Drit­ter einge­grif­f­en wird — der reine Genuss von Com­put­er­spie­len tut das aber noch nicht.

Ander­er­seits miss­fällt mir das Welt- und Men­schen­bild, das in „Killer­spie­len“ ver­mit­telt wird, ganz außeror­dentlich. Es fällt mir in der Tat schw­er, mir vorzustellen, dass jemand, der über Jahre hin­weg diesen Ein­flüssen aus­ge­set­zt ist, keinen Real­itätsver­lust ver­mei­det. Nur: das ist beim Genuss von Alko­hol ähn­lich.

Uneingeschränkt anschließen kann ich mich in jedem Fall dem Vorschlag von Chris­t­ian, das Übel doch an der Wurzel zu pack­en, und nicht Ego-Shoot­er, son­dern gle­ich Amok­läufe als solche zu ver­bi­eten…

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